Zu erörtern ist, ob Selbständige durch eine Tätigkeit in einem Coworking-Space eine Betriebsstätte begründen.

Relevanz für die GewSt: Die Beurteilung der Frage ist für die GewSt relevant. Ein stehender Gewerbebetrieb unterliegt der GewSt in der Gemeinde, in der das Unternehmen eine Betriebsstätte zur Ausübung des stehenden Gewerbes unterhält. Sofern sich Betriebsstätten in mehreren Gemeinden befinden, oder sich eine Betriebsstätte über mehrere Gemeinden erstreckt, so ist die GewSt in jeder Gemeinde nach dem Teil des Steuermessbetrags zu erheben, der auf sie entfällt (§ 4 Abs. 1 GewStG). Der Steuermessbetrag ist dann in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile zu zerlegen (§ 28 Abs. 1 GewStG).

a) Betriebsstätte nach § 12 Satz 1 AO?

Eine Betriebsstätte ist

  • jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage,
  • die der Tätigkeit eines Unternehmens dient (§ 12 S. 1 AO).

Eine Geschäftseinrichtung ist jeder körperliche Gegenstand und jede Zusammenfassung körperlicher Gegenstände, die geeignet sind, Grundlage einer Unternehmenstätigkeit zu sein.[1] Der Unternehmer muss eine gewisse, nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über diese Einrichtung haben. Sie liegt vor, wenn der Unternehmer

  • eine Rechtsposition innehat,
  • die ihm ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres entzogen werden kann.[2]

Die Rechtsposition muss sich nicht auf einen bestimmten Raum beziehen, sondern kann auch dann vorliegen, wenn der Unternehmer irgendeinen Raum in dem Gebäude nutzen kann.[3] Eine feste Geschäftseinrichtung ist auf gewisse Dauer angelegt. Sie ist immer dann auf Dauer angelegt, wenn sie länger als sechs Monate besteht.[4]

Verfügungsmacht? Die Verfügungsmacht erscheint bei Selbständigen ungewiss, wenn sie einen Coworking-Space nur bei Bedarf für kurze Zeit anmieten. Außerdem mieten die Selbständigen ausschließlich einen Arbeitsplatz in einem Großraumbüro. Ein eigener Raum ist meist nur gegen ein gesondertes Entgelt zu reservieren. Sofern Selbständige einen abgetrennten Raum für längere Zeit anmieten, kann eine Betriebsstätte vorliegen.

Fazit: Eine Betriebsstätte nach § 12 S. 1 AO liegt im Allgemeinen nicht vor.

[1] Vgl. Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 12 AO Rz. 8 (11/2023).
[4] Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4-S 1300-111/99, B/3-1-391/99 S-1300, S 1300-85-33 21, BStBl. I 1999, 1076.

b) Betriebsstätte nach § 12 Satz 2 AO?

Zu beurteilen ist aber, ob eine Betriebsstätte nach § 12 S. 2 AO besteht. Als Betriebsstätte sind insbesondere anzusehen (§ 12 S. 2 Nr. 1-3 AO)

  • die Stätte der Geschäftsleitung,
  • eine Zweigniederlassung oder
  • eine Geschäftsstelle.

aa) Geschäftsleitung

Geschäftsleitung ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung (§ 10 AO). Das ist der Ort, an dem der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird und an dem die für die Geschäftsführung notwendigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit getroffen werden. Das kann auch die Wohnung oder das Wohnhaus sein. Auch ein gemietetes Büro ist möglich.[5] Eine feste Einrichtung oder Anlage ist nicht erforderlich.[6]

Bei Selbständigen kann die Tätigkeit in einem Coworking-Space eine Betriebsstätte begründen, wenn sie das Unternehmen von dort aus führen. Das ist insbesondere der Fall, wenn sie ihrer Tätigkeit nur von dort aus nachgehen.

Des Weiteren ist zu beurteilen, ob Arbeitgebende durch die Tätigkeit ihrer Arbeitnehmenden in einem Coworking-Space dort auch eine Betriebsstätte begründen. Eine neue Stätte der Geschäftsleitung ist insoweit nicht ersichtlich. Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung bleibt in der Hauptniederlassung. Beachten Sie: Die Tätigkeit der Arbeitnehmenden in einem Coworking-Space kann aber

  • zu einer Zweigniederlassung oder
  • zu einer Geschäftsstelle

führen.

[5] Vgl. Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 12 AO Rz. 26 (11/2023).

bb) Zweigniederlassung

Eine Zweigniederlassung ist ein rechtlich unselbständiger, aber räumlich, organisatorisch und wirtschaftlich selbständiger Teil eines Unternehmens, der für eine gewisse Dauer eingerichtet ist. Die Geschäfte in Haupt- und Zweigniederlassung müssen im Wesentlichen gleichartig sein. Die leitende Person der Zweigniederlassung muss die Befugnis zu selbständigem Handeln in nicht unwesentlichen Angelegenheiten haben.[7]

[7] Vgl. Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 12 AO Rz. 27 (11/2023).

cc) Geschäftsstelle

Eine Geschäftsstelle ist eine für eine gewisse Dauer eingerichtete Geschäftseinrichtung, in der unternehmensbezogene Tätigkeiten ausgeführt werden. Einer Geschäftsstelle fehlt – im Gegensatz zu einer Zweigniederlassung – die organisatorische und wirtschaftliche Eigenständigkeit. Dass die Geschäftsstelle nach außen in Erscheinung tritt, ist nicht erforderlich.[8]

Bei Arbeitgebenden kann die Tätigkeit ihrer Arbeitnehmenden in einem Coworking-Space zu einer Betriebsstätte führen. Die Abgrenzung zwischen Zweigniederlassung und Geschäftsstelle ist im Einzelfall zu entscheiden.

[8] Vgl. Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 12 AO Rz. 28 (11/2023).

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