Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlöschen des Arbeitslosengeldanspruchs. Versäumung der Ausschlussfrist. verspätete Antragstellung. Ungenauigkeit bei der Auskunft über den Antragszeitpunkt. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Vorverlegung des Antragsdatums

 

Leitsatz (amtlich)

Eine ungenaue Auskunft auf eine konkrete Frage muss die Agentur für Arbeit gegen sich gelten lassen. Dies kann über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zur Folge haben, dass eine verspätete Arbeitslosmeldung nicht zum Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führt.

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 11.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 08.12.2014 im gesetzlichen Umfang zu zahlen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten im notwendigen Umfang zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Arbeitslosengeld.

Die 1980 geborene Klägerin war vom 01.11.2008 bis 30.11.2010 sozialversicherungspflichtig beim B.-Zentrum in C. beschäftigt, danach war sie arbeitslos und bezog vom 01.12.2010 bis 31.12.2010 und vom 25.03.2011 bis 03.04.2011 für insgesamt 40 Tage Arbeitslosengeld mit einem Restanspruch von 320 Kalendertagen.

Am 04.04.2011 nahm sie eine Beschäftigung als wissenschaftliche Mitarbeiterin am D.-Institut in Israel auf. Von dort kehrte sie am 05.12.2014 nach Deutschland zurück. Die Klägerin meldete sich dann am 08.12.2014 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.

Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.12.2014 unter Bezugnahme auf § 137 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) mit der Begründung ab, der am 01.12.2010 erworbene Anspruch auf Arbeitslosengeld sei erschöpft. Seither sei die Klägerin weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen und habe daher keine neue Anwartschaftszeit erfüllt.

Gegen die Ablehnung legte die Klägerin Widerspruch ein und trug vor, eine Mitarbeiterin der Beklagten habe ihrer Mutter auf Anfrage am 01.09.2014 ausdrücklich erklärt, es bestehe ein Anspruch auf Arbeitslosengeld noch für 320 Tage und dieser Anspruch müsse bis zum Ende des Jahres 2014 persönlich bei der Arbeitsagentur in Büdingen beantragt werden. Diese telefonische Auskunft sei als Aktennotiz von der bei dem Telefonat anwesenden Sekretärin ihrer Mutter, Frau E., schriftlich fixiert und zusammen mit anderen ebenfalls relevanten Informationen an sie nach Israel weitergeleitet worden. Im Vertrauen auf die erteilte Auskunft, dass eine Antragstellung bis zum Ende des Jahres möglich sei, habe sie einer Bitte der Deutschen Botschaft in Tel Aviv entsprochen und eine Veranstaltung für in Israel lebende junge Wissenschaftler am 04.12.2014 durchgeführt. Sie sei dann am nächsten Tag, dem 05.12.2014, nach Deutschland geflogen. Da sie zu diesem Zeitpunkt bereits ihre Beschäftigung am D.-Institut beendet gehabt habe, wäre sie bei korrekter Auskunft vorher bei der Agentur für Arbeit erschienen. Ihrem Widerspruch fügte sie die Ablichtung der Aktennotiz und der E-Mail von Frau E. bei. Hierauf wird verwiesen.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.12.2014 zurück. In dem Widerspruchsbescheid wird ausgeführt, eine Auskunft “bis zum Ende des Jahres 2014„ sei zeitlich zu ungenau, um hieraus eine fehlerhafte Beratung abzuleiten. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Beklagten eine unzureichende Beratung vorzuwerfen sei (wovon sie aber nicht ausgehe), käme eine Gewährung des begehrten Arbeitslosengeldes im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht in Betracht. Mithilfe des Herstellungsanspruchs könne nach ständiger Rechtsprechung ein Fehlverhalten des Leistungsträgers nur insoweit berichtigt werden, als die Korrektur mit dem Gesetzeszweck in Einklang stehe. Rein tatsächliche Gegebenheiten, wie die fehlende rechtszeitige Arbeitslosmeldung könnten nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ersetzt werden (Hinweis auf BSG SozR 4100 § 105 Nr. 2).

Die Klägerin, die derzeit Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch bezieht, hat am 22.01.2015 Klage erhoben.

Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und ergänzt dies dahingehend, es habe für sie keinen Grund gegeben, nicht rechtzeitig bei der Agentur für Arbeit vorzusprechen, da ihr Vertrag bereits am 31.10.2014 geendet habe. Sie sei der Meinung, dass die Formulierung “Ende des Jahres„ genau ein Datum bedeute, nämlich den 31.12. des Jahres. Zur weiteren Begründung bezieht die Klägerin sich auf eine eidesstattliche Versicherung ihrer Mutter vom 08.04.2015 und auf eine eidesstattliche Versicherung von Frau E. vom 03.07.2015. Hierauf wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld ab dem 08.12.2014 im gesetzlichen Umfange zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf einen Vermerk ihrer S...

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