Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der Bekanntgabe eines Verwaltungsakts. Indizienbeweis. vorläufige/endgültige Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 39 Abs. 1 S. 1 SGB 10 wird ein Verwaltungsakt mit dem Zeitpunkt seiner Bekanntgabe gegenüber dem Adressaten wirksam.

2. Hat die Behörde einen Bescheid mit einfachem Brief dem Adressaten übersandt, die Aufgabe des Bescheides zur Post aber nicht durch einen Vermerk in der Akte dokumentiert, so kann sie sich auf die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB 10 nicht berufen. Im Wege des Indizienbeweises ist in einem solchen Fall die Kenntnis des Adressaten vom tatsächlich zugegangenen Bescheid in zulässiger Weise als erwiesen zu werten.

3. Ein rechtswirksamer abschließender Feststellungsbescheid über Leistungen des SGB 2 ersetzt und erledigt nach § 39 Abs. 2 SGB 10 die vorläufige Bewilligung von Leistungen.

4. Eine vorläufige Bewilligung nach § 41a Abs. 1 SGB 2 hat nur die Funktion, eine Zwischenregelung bis zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage zu treffen; sie entfaltet keine Bindungswirkung für die abschließende Feststellung des Leistungsanspruchs (BSG Urteil vom 29. 4. 2015, B 14 AS 31/14 R).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 01.01.2018 wird als unzulässig verworfen. Auf die Klage des Klägers wird der Beklagte entsprechend seinem Anerkenntnis vom 24.07.2019 unter Abänderung des Bescheides vom 11.03.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2019 verurteilt, dem Kläger Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II i.H.v. 740,00 Euro monatlich für die Zeit vom 01.11.2017 bis 31.12.2017 sowie i.H.v. 747,00 Euro monatlich für die Zeit vom 01.01.2018 bis 30.04.2018 zu gewähren. Der Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Verfahren vor dem Landessozialgericht. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.11.2017 bis 30.04.2018 streitig.

Der alleinstehende Kläger ist als selbständiger Rechtsanwalt tätig. Er bewohnte eine ca. 20 m² große Wohnung, für die er monatlich 331,00 EUR (Grundmiete i.H.v. 246,00 EUR + Betriebskostenvorauszahlung i.H.v. 64,07 EUR + Heizkostenvorauszahlung i.H.v. 20,93 EUR) vom 01.11.2017 bis 30.04.2018 aufwandte. Die Warmwassererzeugung erfolgte zentral. Mit weiteren Mietvertrag vom 20.05.2000 mietete der Kläger einen Tiefgaragenplatz gegen ein monatliches Entgelt i.H.v. 20,45 EUR an.

Seit 2010 bezieht der Kläger fortlaufend Grundsicherungsleistungen. Mit Bescheid vom 27.10.2017 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig unter Berufung auf § 41a SGB II Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.11.2017 bis 30.04.2018 i.H.v. insgesamt 719,99 EUR monatlich. Er berücksichtigte einen Gesamtbedarf i.H.v. 740,00 Euro (Regelbedarf i.H.v. 409,00 EUR + Unterkunftskosten i.H.v. 331,00 EUR), von dem er ein zu berücksichtigendes Gesamteinkommen i.H.v. 20,01 EUR monatlich abzog.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er begehrte die Berücksichtigung weiterer Ausgaben als Betriebsausgaben. Mit Bescheid vom 25.11.2017 erhöhte der Beklagte die vorläufigen Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.01.2018 bis 30.04.2018 auf 726,99 EUR monatlich unter Zugrundelegung eines Regelbedarfs i.H.v. 416,00 EUR. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2018 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 27.02.2018 Klage erhoben.

Er hat die Auffassung vertreten, dass er vorläufige Leistungen ohne Berücksichtigung eines Einkommens beanspruchen könne.

Im Schriftsatz vom 29.06.2018 hat er erklärt, dass für den Fall, dass eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch für die Zeit vom 01.11.2017 bis 30.04.2018 seitens der Beklagten ergehe, die Klage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt werde mit dem Begehren, festzustellen, dass der angefochtene Bescheid insoweit rechtswidrig war als der Beklagte die gesetzliche Systematik des Abzugs von Betriebsausgaben bei Selbständigen nicht korrekt angewandt habe.

Mit Schriftsätzen vom 18.09.2018 und vom 28.09.2018 hat der Kläger den Kammervorsitzenden als befangen abgelehnt.

Mit Urteil vom 01.10.2018 hat das Sozialgericht Köln die Klage abgewiesen. Das Ablehnungsgesuch sei unzulässig. Die Klage sei wegen fehlenden Rechtschutzbedürfnisses unzulässig. Dieses fehle, wenn der Kläger seine Rechte auf einfachere Weise als durch Klage verwirklichen könne oder die Klage aus anderen Gründen unnütz sei. Das werde unter anderem bei einer Klage auf Bewilligung höherer vorläufiger Leistungen angenommen, wenn die spezifischen Voraussetzungen für eine vorläufige Leistungsbewilligung entfallen seien, weil eine endgültige Leistungspflicht möglich sei. Eine vorläufige Bewilligung ist nur eine Zwischenlösung, die auf eine Ersetzung durch eine endgültige Entscheidung nach dem Wegfall der Voraussetzungen für die Vorläufigkeit angelegt sei (BSG, Urte...

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