Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Betriebsrente. analoge Anwendung des § 82 Abs 4 und 5 SGB 12. planwidrige Regelungslücke. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

§ 82 Abs 4 und 5 SGB 12 findet keine analoge Anwendung im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 30.08.2022 wird zurückgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (in Gestalt des Regelbedarfes bzw. eines Mehrbedarfes) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Zeitraum Dezember 2020 bis November 2021.

Der 0000 geborene, alleinstehende Kläger stand bei der Beklagten laufend im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Seit dem 01.06.2020 bezog er eine Betriebsrente der F. AG als Leistung der betrieblichen Altersversorgung i. H. v. 203,37 EUR netto monatlich. Diese wurde jeweils am Monatsende ausgezahlt. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Bezüge wird auf die ihnen zu Grunde liegenden "Bedingungen 1984 für Ruhegehaltsabkommen" der F. AG Bezug genommen.

Auf seinen Weiterbewilligungsantrag vom 03.11.2020 gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 11.11.2020 für den Zeitraum Dezember 2020 bis November 2021 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II i. H. v. 660,87 EUR monatlich. Sie berücksichtigte dabei den Regelbedarf (2020) für Alleinstehende i. H. v. 432 EUR sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlich anfallender Höhe. Das Einkommen aus der Betriebsrente i. H. v. 203,37 EUR rechnete sie abzüglich der Versicherungspauschale von 30 EUR auf den Regelbedarf an.

Mit Widerspruch vom 18.11.2020 machte der Kläger geltend, nach aktueller Rechtslage seien Betriebsrenten anrechnungsfrei, wenn die Zahlungen unbefristet und monatlich erfolgten, vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze und freiwillig erworben worden sowie bestimmt und geeignet seien, die Einkommenssituation zu verbessern.

Mit Änderungsbescheid vom 21.01.2021 bewilligte die Beklagte dem Kläger wegen einer Mieterhöhung für die Zeit ab dem 01.01.2021 höhere Leistungen zur Deckung der Kosten für Unterkunft und Heizung. Ferner berücksichtigte sie bei der Leistungsberechnung für den Zeitraum Januar bis November 2021 nunmehr einen Regelbedarf i. H. v. 446 EUR monatlich. Die Anrechnung der Betriebsrente blieb unverändert.

Der Kläger erhob unter dem 27.01.2021 erneut Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2021 als unzulässig verwarf. Der Änderungsbescheid vom 21.01.2021 sei gemäß § 86 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 11.11.2020 geworden.

Mit (weiterem) Widerspruchsbescheid vom 28.01.2021 wies die Beklagte den Widerspruch vom 18.11.2020 als unbegründet zurück. Sie stellte darauf ab, dass es sich bei der monatlichen Betriebsrente der F. AG, welche eine betriebliche Altersvorsorge darstelle, nicht um eine Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) handele und auch nicht um eine Grundrente nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsähen. Die Betriebsrente sei daher als Einkommen anzurechnen. Abzüglich der Versicherungspauschale i. H. v. 30 EUR betrage das anrechnungsfähige Einkommen damit monatlich 173,37 EUR.

Am 17.02.2021 machte der Kläger unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Sozialgerichts (SG) Karlsruhe einen Anspruch auf wöchentlich 20 FFP2-Masken als Sachleistung oder als Geldleistung in Form eines um 129 EUR erhöhten monatlichen Regelsatzes geltend. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.02.2021 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe nichts vorgetragen, was einen unabweisbaren laufenden besonderen Bedarf an FFP2-Masken gemäß § 21 Abs. 6 SGB II rechtfertigen würde, der nicht bereits durch andere Leistungen gedeckt werde. Nach § 1 Abs. 1 und § 2 Schutzmaskenverordnung hätten alle Bezieher von Arbeitslosengeld II und alle, die mit einer solchen Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebten, bis zum Ablauf des 06.03.2021 einen Anspruch auf einmalig zehn kostenlose FFP2-Masken. Des Weiteren würden an alle Bedürftigen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten kostenlos zusätzliche Masken verteilt.

Am 08.03.2021 beantragte der Kläger, ihm wöchentlich ab sofort bis zur erfolgreichen Impfung sieben kostenfreie Covid-Selbsttests, alternativ den entsprechenden Mehrbedarf i. H. v. 35 EUR je Woche zur Verfügung zu stellen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.03.2021 ab. Zur Begründung führte sie aus, zuständiger Leistungsträger sei die gesetzliche Krankenversicherung. Des Weiteren werde der Selbsttest von einigen Apotheken, von Hausärzten sowie vom Deutschen Roten Kreuz wöchentlich und kostenfrei angeboten. Aufgrund der außerordentlichen Lage sei die Kontaktaufnahme eingesch...

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