Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe. Eigenkündigung wegen Wiederaufnahme der selbständigen Tätigkeit. Einstellung des Geschäftsbetriebes wegen Corona-Pandemie. Eventagentur. Vorliegen einer besonderen Härte. Verkürzung der Dauer der Sperrzeit. wichtiger Grund

 

Orientierungssatz

1. Von einer besonderen Härte iS von § 159 Abs 3 S 2 Nr 2 Buchst b SGB 3 ist auszugehen, wenn eine Beschäftigung gem § 159 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 3 durch Eigenkündigung gelöst wurde, weil ein berechtigter Grund zu der Annahme vorlag, dass die vor der coronabedingten Schließung erfolgreiche selbständige Tätigkeit wieder aufgenommen werden kann.

2. Zum Vorliegen eines wichtigen Grundes gem § 159 Abs 1 S 1 SGB 3 bei Beendigung der Zwischenbeschäftigung wegen Wiederaufnahme der vor der Corona-Pandemie ausgeübten selbständigen Tätigkeit.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 23.05.2022 geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Sperrzeitbescheid vom 20.04.2022 wird für die Zeit ab dem 13.04.2022 angeordnet. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller vom 13.04.2022 bis zum 23.05.2022 Arbeitslosengeld iHv 53,41 EUR täglich zu zahlen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragssteller ½ der Rechtsverfolgungskosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vom 01.03.2022 bis zum 23.05.2022 die Zahlung von Arbeitslosengeld in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 53,41 EUR im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Er wendet sich gegen die Feststellung einer Sperrzeit für diesen Zeitraum.

Der 1972 geborene Antragsteller ist seit dem 01.04.2000 mit einer Eventagentur selbständig. Nach seinen Angaben musste er diese Tätigkeit aufgrund der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen im Veranstaltungssektor im März 2020 einstellen. Ab Juli 2020 war er bei der Transporte F GmbH als Berufskraftfahrer beschäftigt. Die Arbeitszeit richtete sich nach den Anforderungen des Unternehmens. Am 31.01.2022 kündigte der Antragsteller das Arbeitsverhältnis zum 28.02.2022.

Am 15.02.2022 meldete sich der Antragsteller zum 01.03.2022 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Er gab an, er müsse sich zeitlich einschränken, weil er zurück in seine Selbständigkeit wolle. Bei einem Vorsprachtermin am 17.02.2022 erläuterte er ergänzend, eine Ausübung der selbständigen Tätigkeit als Nebengewerbe sei nicht möglich, da er die Auskunft erhalten habe, dass Corona-Hilfen nur für hauptberuflich Selbständige ausgezahlt werden. Mit Bescheid vom 06.04.2022 bewilligte die Antragsgegnerin Arbeitslosengeld als Vorschuss ab dem 24.05.2022.

Mit Bescheid vom 20.04.2022 stellte die Antragsgegnerin den Eintritt einer Sperrzeit und das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld vom 01.03.2022 bis zum 23.05.2022 fest und minderte die Gesamtanspruchsdauer um 90 Tage. Mit einem weiteren Bescheid vom 20.04.2022 bewilligte die Antragsgegnerin Arbeitslosengeld ab dem 24.05.2022 in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 53,41 EUR.

Gegen beide Bescheide erhob der Antragsteller Widerspruch. Er habe seine selbständige Tätigkeit coronabedingt einstellen müssen und sei gezwungen gewesen, als Berufskraftfahrer zu arbeiten. Zu keinem Zeitpunkt sei beabsichtigt gewesen, diese Tätigkeit dauerhaft in Vollzeit auszuüben. Er habe immer zurück in seine Selbständigkeit gewollt. Sein Arbeitgeber sei nicht bereit gewesen, die Stundenzahl zu reduzieren. Die selbständige Tätigkeit werde aktuell in einem Umfang von unter 15 Wochenstunden ausgeübt. Die Verlängerung der Einschränkungen im Event-Bereich aufgrund der fortbestehenden Corona-Situation sei erst bei einer Bundespressekonferenz am 16.02.2022 bekannt geworden und für ihn Ende Januar 2022 noch nicht absehbar gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2022 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Der Antragsteller habe seine Arbeitslosigkeit grob fahrlässig herbeigeführt. Konkret nachweisbare Anhaltspunkte dafür, dass er nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses nahtlos seine selbständige Tätigkeit hätte wiederaufnehmen können, ohne in die Arbeitslosigkeit zu fallen, habe es nicht gegeben. Ein wichtiger Grund für die Eigenkündigung liege nicht vor. Auch wenn der Antragsteller in seine aufgrund der Pandemie ruhende selbständige Tätigkeit habe zurückkehren wollen, sei es ihm bei Abwägung seiner Belange mit den Interessen der Beitragszahler zumutbar gewesen, das Beschäftigungsverhältnis fortzuführen.

Mit E-Mail vom 02.05.2022 legte der Antragsteller ein Schreiben eines Kunden seiner Firma vom 25.02.2022 vor, in dem dieser die Verschiebung von ursprünglich für März 2022 und April 2022 "in Kooperation" mit dem Antragsteller geplanter "Projekte aufgrund der aktuell Pandemielage" auf einen späteren Zeitpunkt mitteilt.

Gegen den Bescheid vom 20.04.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2022 hat der Antragsteller am 10.05.2022 bei dem Sozialgeri...

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