Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Mietkaution. kein Zuschuss statt Darlehen. Rechtmäßigkeit der Tilgung des Darlehens durch Aufrechnung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Ein Anspruch auf Übernahme einer Mietkaution besteht gemäß § 22 Abs 6 S 3 SGB 2 im Regelfall in Form eines Darlehens. Nur in besonderen, atypischen Fällen kann die Gewährung der Mietkaution in Form eines Zuschusses in Frage kommen. Weder ein zu erwartender längerfristiger Leistungsbezug noch das Fehlen von Eigenmitteln und die zu erwartende Aufrechnung gemäß § 42a Abs 2 SGB 2 oder eine selbständige Tätigkeit als Künstler begründen eine solche Atypik.

2. Liegt kein atypischer Fall vor, ist im Rahmen der Sollvorschrift des § 22 Abs 6 S 3 SGB 2 kein Ermessen auszuüben. § 39 SGB 1 ist in diesem Fall nicht anwendbar und es ist eine gebundene Entscheidung zu treffen.

3. Die Tilgung eines Mietkautionsdarlehens während des Leistungsbezugs durch Aufrechnung ist gesetzlich durch § 42a Abs 2 SGB 2 zwingend vorgesehen und diese Tilgungsregelung im Zusammenspiel mit § 22 Abs 6 S 3 SGB 2 ist nicht verfassungswidrig.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 29.04.2020; Aktenzeichen B 4 AS 55/20 B)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 2. November 2015 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Mietkaution als Zuschuss statt als Darlehen sowie über die Rechtmäßigkeit der Aufrechnung des Mietkautionsdarlehens.

Der am F. geborene Kläger ist Künstler und steht seit 2014 im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bei dem Beklagten. Zum 1. Januar 2014 mietete der Kläger eine Wohnung in der G. in H. an. Der Kläger musste diesbezüglich eine Mietsicherheit in Höhe von 834 € leisten.

Der Kläger beantragte daher bereits am 23. Dezember 2013 die Übernahme der Kaution bei dem Beklagten. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2013 bewilligte der Beklagte daraufhin ein Darlehen in Höhe der Mietkaution und teilte zugleich mit, dass die Rückzahlung des Darlehens gem. § 24a Abs. 2 SGB II mit einer monatlichen Rate von 39,10 € ab dem 1. Februar 2014 erfolgen werde. Der Betrag werde direkt von den laufenden Leistungen des Klägers einbehalten. Mit einem weiteren Bescheid vom gleichen Tage bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Januar bis Juni 2014 vorläufig in Höhe von 829 € monatlich. Aufgrund der Aufrechnung mit dem Mietkautionsdarlehen nach Abzug von 39,10 € verblieb ein Betrag von 789,90 € monatlich.

Gegen beide Bescheide vom 23. Dezember 2013 legte der Kläger am 14.Januar 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass er in große finanzielle Schwierigkeiten kommen werde, wenn die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht in voller Höhe ausgezahlt würden.

Der Beklagte erklärte sich daraufhin im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (S 26 AS 68/14 ER) bereit, die Aufrechnung bis zur Klärung der Hauptsache auszusetzen. Mit vorläufigem Änderungsbescheid vom 16. Januar 2014 setzte der Beklagte die Aufrechnung bis zur Klärung der Hautsache aus. Er wies darauf hin, dass der Bescheid gem. § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens werde. Sodann wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2014 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 23. Februar 2014 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Bremen erhoben. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, dass die monatlichen Tilgungsraten in Höhe von 39,10 € dazu führen würden, dass über einen Zeitraum von 21 Monaten lediglich 90 % seines Existenzminimums ausgezahlt würden. Dies sei verfassungswidrig. Eine Mietkaution sei in der Bemessungsgrundlage des SGB II nicht enthalten. Wegen der fortgesetzten Bedarfsunterdeckung sei von einem atypischen Fall auszugehen und die Mietkaution als Zuschuss zu gewähren.

Das SG Bremen hat der Klage mit Gerichtsbescheid vom 2. November 2015 insofern stattgegeben, als dass es die Bescheide über die darlehnsweise Bewilligung und vorläufige Bewilligung vom 23. Dezember 2013 aufgehoben hat, soweit darin die Rückzahlung von monatlichen Raten in Höhe von 39,10 € geregelt ist. Zudem hat es den Beklagten zur Neubescheidung des Antrages unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass § 22 Abs. 5 Satz 3 SGB II als eine Soll-Bestimmung dem Leistungsträger ermögliche in atypischen Situationen eine Mietkaution nicht als Darlehen, sondern als Zuschuss zu gewähren. Ein atypischer Fall liege jedenfalls dann vor, wenn der Tilgungszeitraum, wie vorliegend, 21 Monate betrage. Diesbezüglich habe der Beklagte Ermessen auszuüben, was er aber nicht getan habe, so dass die angefochtenen Bescheide bereits aus diesem Grund rechtswidrig seien und der Beklagte zur Neubescheidung zu verurteilen gewesen sei.

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