Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Absetzung von Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen. notarielle Unterhaltsvereinbarung getrennt lebender Ehegatten. Überprüfbarkeit der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung. Nichtbestehen bei fehlender Leistungsfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Umstand, dass die Leistungsträger und die Sozialgerichte im Rahmen des § 11b Abs 1 S 1 Nr 7 SGB II im Regelfall von der eigenständigen Ermittlung gesetzlicher Unterhaltsansprüche entlastet werden sollen, schließt eine Prüfung, ob die Aufwendungen der "Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten" dienen, nicht aus (vgl BSG vom 8.2.2017 - B 14 AS 22/16 R = NJW 2017, 2493).

2. In den Fällen, in denen eine gesetzliche Unterhaltspflicht offensichtlich nicht besteht, sind die SGB-II-Träger und die Sozialgerichte befugt, die Frage der gesetzlichen Unterhaltspflicht zu überprüfen (Anschluss an LSG Darmstadt vom 28.8.2017 - L 9 AS 228/17 B ER -, juris RdNr 38).

3. Eine solche Offensichtlichkeit ist zB dann gegeben, wenn eine gesetzliche Unterhaltspflicht schon nach Aktenlage, dh ausweislich der dem Leistungsträger im Verwaltungsverfahren zur Anspruchsprüfung vorliegenden Unterlagen, nicht bestehen kann.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 25. November 2014 wird zurückgewiesen.

Eine Kostenerstattung im Berufungsverfahren findet nicht statt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höhere Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende für die Zeit vom 1. August bis zum 31. Dezember 2013; er wendet sich gegen die Anrechnung einer Betriebsrente als Einkommen.

Der am I. geborene Kläger bezog seit März 2010 Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende von dem Beklagten. Nach eigenen Angaben lebt er seit dem 1. Oktober 2009 von seiner Ehefrau, der Zeugin J., getrennt. Der Kläger und seine Ehefrau hatten am 30. September 2009 eine privatschriftliche Trennungsvereinbarung abgeschlossen, nach der die Ehefrau (u.a.) die mit der Nutzung der bisherigen gemeinsamen Ehewohnung bestehenden vertraglichen Pflichten bzw. Belastungen übernimmt und an den Kläger durch gesonderten Untermietvertrag zwei Zimmer nur Nutzung vermietet. Darüber hinaus verpflichtete sich der Kläger zur Gewährung eines monatlichen Trennungsunterhalts i.H.v. mindestens 1.000,-- Euro. Am 23. August 2010 schlossen der Kläger und seine Ehefrau eine notarielle Trennungsvereinbarung (Notar K., L., UR M.). In dieser heißt es u.a., dass die Trennungsvereinbarung vom 30. September 2009 seither umgesetzt werde. Darüber hinaus wurden in die notarielle Urkunde im Wesentlichen die privatschriftlichen Regelungen aufgenommen. Unter dem 15. März 2010 bestätigte die Ehefrau schriftlich, dass der Kläger von Oktober 2009 bis März 2010 den vereinbarten Unterhalt von monatlich 1.000,-- Euro gezahlt habe.

Der Kläger bezieht seit 1. August 2010 eine Betriebsrente von der N. Lebensversicherungs-AG (seinerzeit 302,95 Euro abzüglich Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung  KV/PV i.H.v. insgesamt 51,05 Euro), die nach seinen Angaben direkt an seine getrenntlebende Ehefrau als Unterhaltszahlung überwiesen werde.

Mit Bescheid vom 2. Juli 2013 bewilligte ihm der Beklagte für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2013 Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende, erstmals unter Anrechnung der Betriebsrente als Einkommen (257,59 Euro abzüglich der Versicherungspauschale i.H.v. 30,-- Euro) ab dem 1. August 2013. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte durch Bescheid vom 24. Oktober 2013 zurück.

Der Kläger hat am 26. November 2013 Klage beim Sozialgericht (SG) Hannover erhoben.

Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass die Anrechnung der Rente als Einkommen rechtswidrig sei, da diese zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung bzw. der notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung direkt an seine Ehefrau gehe. Auch bestehe Vertrauensschutz, da der Beklagte bis Ende Juli 2013 die Rente nicht als Einkommen angerechnet habe.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25. November 2014 mit der Begründung abgewiesen, dass die behauptete Zahlung an die Ehefrau im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nachgewiesen sei. Es könne damit im Ergebnis offenbleiben, ob die notarielle Trennungsvereinbarung vom 23. August 2010 im Hinblick auf die Unterhaltsvereinbarung unwirksam sei, wofür jedoch einiges spreche. So habe der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Unterhaltsvereinbarung im Leistungsbezug gestanden. Er dürfe jedoch keine Unterhaltsverpflichtungen ohne Leistungsfähigkeit und damit zu Lasten der Allgemeinheit eingehen.

Gegen das ihm am 29. November 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 22. Dezember 2014 beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachen-Bremen eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen, dass die Betriebsrente zur Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht an seine Ehefrau gezahlt werd...

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