Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versagung der Krankengeldgewährung wegen mangelnder Mitwirkung des Versicherten

 

Leitsatz (amtlich)

Die Krankenkasse kann die Gewährung von Krankengeld wegen mangelnder Mitwirkung nach § 66 SGB I versagen, wenn ein Versicherter, der nach Aufforderung durch die Krankenkasse einen Reha-Antrag gestellt hat, die ihm daraufhin vom Rentenversicherungsträger bewilligte Reha-Maßnahme ohne wichtigen Grund nicht antritt. Die Regelung in § 51 Abs 3 SGB V findet auf diesen Sachverhalt keine Anwendung.

 

Normenkette

SGB I §§ 66, 63; SGB V § 51 Abs. 1 S. 1, Abs. 3

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.12.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versagung von Krankengeld im Zeitraum 17.04. bis 04.06.2012.

Der 1973 geborene Kläger war als Arbeitnehmer seit 01.12.2008 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Am 10.12.2010 erkrankte er arbeitsunfähig an einer depressiven Episode und Anpassungsstörungen. Nach Ende der Lohnfortzahlung gewährte die Beklagte ab 21.01.2011 Krankengeld iHv brutto 64,60 € (netto 56,33 €). Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde zum 01.04.2011 gekündigt. Ab 05.06.2012 bezog der Kläger Arbeitslosengeld.

Auf Anfrage der Beklagten äußerte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit gutachterlicher Stellungnahme vom 09.09.2011, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers gefährdet sei und die Voraussetzungen des § 51 Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vorlägen. Mit Bescheid vom 21.09.2011 forderte die Beklagte den Kläger auf, bis 30.11.2011 einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu stellen. Nur bis Ende der Frist könne Krankengeld gezahlt werden. Die Beklagte wies ferner darauf hin, dass gegenüber der Rentenversicherung oder der Rehabilitationsklinik Erklärungen nur mit Zustimmung der Krankenkasse abgegeben werden könnten. Dazu gehörten insbesondere eine Rücknahme des gestellten Antrags, der Verzicht auf Rehabilitationsleistungen oder Rente oder ein Verschieben oder Abbruch einer angebotenen Rehabilitationsmaßnahme. Falls eine solche Erklärung ohne Zustimmung der Krankenkasse abgegeben werde, könne der Krankengeldanspruch uU auch rückwirkend wegfallen.

Am 30.11.2011 beantragte der Kläger medizinische Leistungen zur Rehabilitation. Mit Bescheid vom 16.12.2011 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) eine Maßnahme für die Dauer von 6 Wochen in den Kliniken am B., Klinik F., in Bad S. Mit Schreiben vom 05.04.2012 wies die Beklagte den Kläger auf den Aufnahmetermin am 17.04.2012 sowie seine Mitwirkungsverpflichtung hin. Falls der Aufnahmetermin nicht wahrgenommen werde, werde das Krankengeld ab 17.04.2012 versagt. Der Kläger wurde ferner aufgefordert, am 16.04.2012 einen Auszahlschein einzureichen, damit die Beklagte ihm das Krankengeld bis zum Aufnahmetag überweisen könne.

Nachdem der Kläger die Rehabilitationsmaßnahme ohne Angabe von Gründen nicht angetreten hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23.04.2012 das Krankengeld ab 17.04.2012 bis zum Beginn der Rehabilitation wegen fehlender Mitwirkung ein unter Hinweis auf §§ 60 ff Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Der Bescheid enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung. Die DRV Bund hob mit Bescheid vom 18.07.2012 die Bewilligung der Reha-Maßnahme wieder auf.

Am 18.04.2013 erhob der Kläger Widerspruch unter Hinweis auf die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung. Die Einstellung des Krankengeldes sei unwirksam. Er machte keine Angaben darüber, weshalb er die Rehabilitationsmaßnahme nicht angetreten hat. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe den Aufnahmetermin am 17.04.2012 nicht wahrgenommen. Er sei zuvor daran erinnert worden, dass er die Reha-Maßnahme aufnehmen müsse und eine Terminverschiebung nur mit Zustimmung der Beklagten möglich sei. Der Anspruch auf Krankengeld entfalle daher nach § 51 Abs 3 SGB V. Mit dem Wegfall des Anspruchs auf Krankengeld habe auch das nach § 192 SGB V fortbestehende Mitgliedschaftsverhältnis geendet.

Hiergegen richtet sich die am 19.07.2013 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Der Kläger hat zunächst (Klageschrift vom 19.03.2013) einen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 17.04. bis zum 04.06.2012 geltend gemacht. Im Erörterungstermin am 09.11.2015 hat zwischen den Beteiligten Uneinigkeit über das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen eines Krankengeldanspruches bestanden. Die Beklagte hat insbesondere eine lückenlose Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit für den geltend gemachten Zeitraum bestritten. Nach einem Hinweis der Kammervorsitzenden hat der Kläger erklärt, er beschränke seine Klage auf die Anfechtung des Bescheides vom 23.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2013.

Der Kläger führt zur Begründung seiner Klage aus, dass die Reha-Klinik 5...

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