Rz. 2

Die Regelung enthält eine Beschreibung der übergreifenden Aufgaben und Zielvorstellungen, die für alle Sozialleistungsbereiche gelten sollen und die mit der Kodifikation des Sozialrechts im Sozialgesetzbuch verbunden sein sollten. Dies entspricht bereits früheren und neueren Regelungen in Sozialgesetzbüchern und sonstigen Gesetzen, die die Aufgaben und Ziele des Gesetzes noch einmal durch eine vorangestellte Vorschrift verdeutlichen (vgl. z. B. jeweils § 1 in SGB II, SGB III, SGB V, SGB VII; § 1 BAföG, § 1 WoGG). Anders als in den Einzelgesetzen ist mit dem Bezug auf das Recht des Sozialgesetzbuchs nicht allein die Aufgabe des SGB I angesprochen, sondern es ist auch auf die Sozialgesetzbücher Bezug genommen, die erst dem SGB I folgend als Sozialgesetzbücher kodifiziert werden sollten und bis dahin als besondere Bücher galten und gelten (vgl. § 68 und Komm. dort).

 

Rz. 2a

In Abs. 2 wird, allerdings ohne inhaltliche Konkretisierung, es auch als Aufgabe des Sozialgesetzbuches angesehen, dass die zur Erfüllung der Aufgaben des Abs. 1 erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen. Diese Regelung nimmt insbesondere Bezug auf Dienst- und Sachleistungen, die die zuständigen Versicherungsträger im Regelfall nicht selbst erbringen können oder dürfen, sondern sich dazu Leistungsanbietern bedienen, die im Regelfall als solche zugelassen sind und sein müssen, zumindest jedoch durch vertragliche Bindungen zur Erfüllung der konkreten Sozialleistung verpflichtet sind. Die Konkretisierung der Voraussetzungen für die Beteiligung Dritter an der Leistungserbringung erfolgt jeweils in den einzelnen Sozialgesetzbüchern oder den Gesetzen, die nach § 68 zu den Sozialgesetzbüchern gehören. Der Einbindung von privaten Wohlfahrtsunternehmen in die Leistungserbringung steht dabei das Sozialstaatsprinzip nicht entgegen (BVerfG, Urteil v. 18.7.1967, 2 BvF 3/62 u. a.).

 

Rz. 3

In der Gesetzesbegründung zu der Vorschrift ist ausgeführt (BT-Drs. 7/868 S. 22): "Gesetzgebung, Rechtsprechung und Wissenschaft haben die Entscheidung des Grundgesetzes für den sozialen Rechtsstaat zu Leitvorstellungen konkretisiert, die für alle Rechtsbereiche Bedeutung haben. § 1 nennt die wichtigsten dieser Leitvorstellungen, soweit sie im Gegenstandsbereich des Sozialgesetzbuchs wirksam werden, und stellt damit klar, dass alle im Sozialgesetzbuch enthaltenen Einzelvorschriften aus diesen Leitvorstellungen heraus verstanden werden müssen. Bei der Formulierung wurde beachtet, dass einerseits die genannten Leitvorstellungen auch außerhalb des Sozialgesetzbuchs ihren Niederschlag finden und dass andererseits das spezifische Mittel ihrer Verwirklichung im Rahmen des Sozialgesetzbuchs die Gestaltung von Sozialleistungen ist. Die Ausprägungen, die das Sozialstaatsprinzip im Gegenstandsbereich des Sozialgesetzbuchs gefunden hat, werden in zweifacher Weise genannt. Zunächst werden die beiden Hauptanliegen des sozialen Rechtsstaats, soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit, als verbindliche Grundlagen des Sozialrechts hervorgehoben; damit wird klargestellt, dass das Sozialrecht seine Aufgabe einmal im Schutz des einzelnen gegen Lebensrisiken, darüber hinaus aber auch im Streben nach einer gerechten Gesellschaftsordnung sieht. Die danach aufgeführten vier Ausformungen des Sozialstaatsprinzips haben besondere Bedeutung gerade für das Sozialrecht, indem sie die Aufgaben umschreiben, die diesem in seiner Gesamtheit und für alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens obliegen. Sie verdeutlichen, dass Menschenwürde, Freiheitsrechte und Gleichheitsgrundsatz, die vom Grundgesetz abstrakt gewährleistet sind, für den einzelnen oft nur dann wirksam werden können, wenn durch Sozialleistungen die nötigen Voraussetzungen dafür geschaffen oder erhalten werden."

 

Rz. 4

Im Gesetzgebungsverfahren ist die Vorschrift durch den Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drs. 7/3738 S. 2) um "den Schutz und die Förderung der Familie" in Abs. 1 Satz 2 ergänzt worden, was nach der dortigen Begründung im Hinblick auf Art. 6 GG allerdings nur klarstellende Funktion habe. Der Antrag, in die Vorschrift eine "der Würde des Menschen entsprechende Lebensführung" aufzunehmen, wurde abgelehnt, weil eine solche Formulierung den Eindruck erwecken würde, das SGB strebe eine Nivellierung aller Sozialleistungen auf die Höhe der Sozialhilfesätze an.

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