Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. keine aufschiebende Wirkung der Klage bei Beitragsnachforderung wegen Scheinselbständigkeit. Schwarzarbeit

 

Leitsatz (amtlich)

Fordert die Betriebsprüfung Beiträge wegen Schwarzarbeit nach, hat eine Klage selbst dann keine aufschiebende Wirkung, wenn eine selbständige Tätigkeit in Streit steht.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 1. September 2009 aufgehoben und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 21. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2009 abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 22.335,43 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Rechtmäßigkeit einer Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung.

Der Antragsteller hatte ein Gewerbe als Betonbohrer, Betonschneider und Eisenflechter in Form einer Einzelfirma angemeldet. Gestützt auf die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamts N. in einem Verfahren gegen den Antragsteller wegen des Verdachts des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 266a Abs. 1 und 2 Strafgesetzbuch forderte die Antragsgegnerin nach einer Betriebsprüfung über den Prüfzeitraum 1. Juni 2005 bis 31. Dezember 2006 mit Bescheid vom 21. April 2009 Sozialversicherungsbeiträge für zehn Beschäftigte in Höhe von insgesamt 89.341,72 Euro nach. Die Antragsgegnerin begründete die Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung mit dem Bestehen von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Die aus Polen stammenden Betroffenen hätten Eisenflecht-, Betonbohr- und -schneidearbeiten nicht als selbständige Tätigkeiten ausgeführt, sondern seien in den Betrieb des Antragstellers eingegliedert gewesen. Fünf der zehn polnischen Staatsangehörigen hatten bereits im Jahr 2006 Anträge auf Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status gestellt. Die Clearingstelle bei der Deutschen Rentenversicherung Bund hatte mit Bescheiden vom 2. November 2006 (U.), vom 28. November 2006 (K. und K.), vom 29. November 2006 (E.) und vom 7. Juni 2007 (B.) deren Tätigwerden als Eisenflechter für den Antragsteller als "Vertragspartner" als selbständig und nicht versicherungspflichtig beurteilt. Mit Bescheiden datiert vom 16. Februar 2009 hat die Antragsgegnerin die früheren Bescheide zurückgenommen und festgestellt, die Betroffenen seien für den Antragsteller in einem versicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigungsverhältnis tätig gewesen. Die Bescheide sind Gegenstand von vor dem Sozialgericht Nürnberg noch anhängigen Klagen des Antragstellers und der fünf Betroffenen; die Verfahren werden unter dem gemeinsamen Aktenzeichen S 14 R 652/09 geführt.

Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 21. April 2009 mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2009 zurück und gab dem zugleich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht statt. Gegen den Bescheid vom 21. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Mai 2009 hat der Antragsteller am 19. Juni 2009 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben und mit Schriftsatz vom 26. August 2009 beantragt, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anzuordnen. Mit Beschluss vom 1. September 2009 hat das Sozialgericht Nürnberg festgestellt, die Anfechtungsklage habe aufschiebende Wirkung. Zur Begründung hat sich das Sozialgericht auf die Vorschrift des § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV gestützt und ausgeführt, die aufschiebende Wirkung gelte auch für Statusfeststellungsentscheidungen im Rahmen von Betriebsprüfungen.

Dagegen hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz an das Sozialgericht Nürnberg vom 16. September 2009 Beschwerde erhoben. Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, der Anfechtungsklage komme nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) keine aufschiebende Wirkung zu.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 1. September 2009 aufzuheben.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 21. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2009 anzuordnen.

Nach Ansicht des Antragstellers hat das Sozialgericht Nürnberg zu Recht festgestellt, dass seine Klage aufschiebende Wirkung hat. Selbst wenn die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hätte, müsste diese angeordnet werden, weil an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides Zweifel bestünden.

Zum Sach- und Streitstand und zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt aller Akten, insbesondere der beigezogenen Akten des Sozialgerichts Nürnberg und der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig (§§ 172, 173 SGG) ...

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