Das Wichtigste in Kürze:

1. Wird der Beschuldigte durch die Polizei vernommen, bestehen (allgemeine) Belehrungspflichten.
2. Die Belehrungspflichten folgen im Einzelnen aus § 163a Abs. 4 S. 1 und S. 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 S. 2 – 5.
3. Gem. § 163a Abs. 4 S. 1 ist dem Beschuldigten zunächst zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird.
4. Nach §§ 163a Abs. 4 S. 2, 136 Abs. 1 S. 2 ist der Beschuldigte außerdem darüber zu belehren, dass es ihm freisteht, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen.
5. Der Beschuldigte ist weiterhin nach §§ 163a Abs. 4 S. 2, 136 Abs. 1 S. 2 darüber zu belehren, dass es ihm freisteht, jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu konsultieren.
6. Nach §§ 163a Abs. 4 S. 2, 136 Abs. 1 S. 5 Hs. 2 ist der Beschuldigte auch darüber zu belehren, dass er unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Verteidigers nach Maßgabe des § 141 Abs. 1 und des § 142 Abs. 1 beantragen kann.
7. Nach §§ 163a Abs. 4 S. 2, 136 Abs. 1 S. 5 Hs. 1 ist der Beschuldigte ferner auf sein Recht hinzuweisen, dass er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen kann.
8. § 136 Abs. 1 S. 6 sieht schließlich in "geeigneten Fällen" den Hinweis darauf vor, dass der Beschuldigte sich schriftlich äußern kann und dass ggf. die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs besteht.
9. Erklärt der Beschuldigte auf einen (ordnungsgemäßen) Hinweis, dass er erst mit (s)einem Verteidiger sprechen wolle), muss die beabsichtigte Vernehmung aufgeschoben/unterbrochen und die weitere Entscheidung des Beschuldigten abgewartet werden. Wenn eine Vernehmung zunächst als Zeugenvernehmung erfolgt, ist häufig die Frage von Bedeutung, zu welchem Zeitpunkt zur Beschuldigtenbelehrung mit den sich aus § 136 ergebenden Belehrungspflichten überzugehen ist (sog. "Belehrungsschwelle").
 

Rdn 3735

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Polizeiliche Vernehmung, Beschuldigter, Allgemeines, Teil P Rdn 3708, bei → Beweisverwertungsverbote, Teil B Rdn 1287, bei → Unzulässige Vernehmungsmethoden, Teil U Rdn 4535, bei → Vernehmungen, Allgemeines, Teil V Rdn 4722, und bei → Vernehmungsbegriff, Teil V Rdn 4732.

 

Rdn 3736

1.a) Für die polizeiliche Vernehmung Beschuldigter bestehen Belehrungspflichten (eingehend dazu Eisenberg, Rn 562 ff. und auch – zum früheren Recht – Frister, Roxin, Beckemper, jeweils a.a.O.; Neuhaus NStZ 1997, 312; ders., StV 2010, 45; ders. StV 2015, 185; zum neuen Recht Keller Krim 2020, 176; zur Vernehmung eines Jugendlichen durch die Polizei Kamann, Vollstreckung und Vollzug der Jugendstrafe, Rn 309 ff.; Keller Krim 2020, 257; zu den Besonderheiten im Bußgeldverfahren → Bußgeldverfahren, Besonderheiten, Verfahren, Teil B Rdn 1599). Die Belehrungspflichten sind durch das "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" v. 17.8.2017 und durch das "Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung" v. 10.12.2019 (BGBl I, S. 2128) erweitert worden (vgl. Teil P Rdn 3748 ff.).

 

☆ Die sich aus der § 163a Abs. 4 S. 1 und S. 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 S. 2 – 5 ergebenden Belehrungspflichten sind von erheblicher Bedeutung . Auf ihre Beachtung muss der Verteidiger – sowohl, wenn er selbst an der Vernehmung teilnimmt, als auch vor allem, wenn er deren Ablauf später überprüft – besonders achten. Die Nichtbeachtung kann zu einem – ggf. das Verfahren entscheidenden – BVV führen (→ Polizeiliche Vernehmung, Beschuldigter , Beweisverwertungsverbote , Teil P Rdn  3758  ff.).erheblicher Bedeutung. Auf ihre Beachtung muss der Verteidiger – sowohl, wenn er selbst an der Vernehmung teilnimmt, als auch vor allem, wenn er deren Ablauf später überprüft – besonders achten. Die Nichtbeachtung kann zu einem – ggf. das Verfahren entscheidenden – BVV führen (→ Polizeiliche Vernehmung, Beschuldigter, Beweisverwertungsverbote, Teil P Rdn 3758 ff.).

Die mit den sich aus den Belehrungspflichten nach § 114b ergebenden Fragen sind dargestellt bei → Vorläufige Festnahme, Teil V Rdn 5299 ff.).

 

Rdn 3737

b)aa) Allgemein ist hinsichtlich der zu erteilenden Belehrungen darauf hinzuweisen, dass die vom vernehmenden Polizeibeamten zu gebenden Hinweise sich nicht in einem rein formalen Vorgang er­schöpfen dürfen, sondern echte Belehrungen sein müssen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 163a Rn 5 und § 136 Rn 8). Dem Beschuldigten muss klar und deutlich vor Augen geführt werden, welche Rechte er hat und dass er sich frei entschließen kann, diese wahrzunehmen (vgl. zu den Belehrungen Adler/­Hermanutz Krim 2009, 535 ff., 632 ff.; Weihmann Krim 2010, 82; Artkämper Krim 2007, 517; zum neuen Recht Keller Krim 2020, 176). Die Belehrung muss dem Beschuldigten Klarheit über seine Aussagefreiheit verschaffen und Fehlvorstellungen darüber ausschließen (u.a. BGH StRR 2010, 342 m. Anm. Burhoff; Meyer-­Goßner/Schmitt, § 136 Rn 8). Darauf ist insbesondere bei ausländischen Beschuldigten zu achten. Bei der Belehrung des Beschuldigten über seine Aussagefreiheit empfiehlt es sich i.d.R., die ...

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