Entscheidungsstichwort (Thema)

Begründung einer betriebsbedingten Kündigung. Gewährung von Kurzarbeitergeld als Indiz gegen die Begründung einer betriebsbedingten Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. An dringenden betrieblichen Gründen für eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung fehlt es, wenn außer- oder innerbetriebliche Umstände nicht zu einer dauerhaften Reduzierung des betrieblichen Arbeitskräftebedarfs führen. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen näher darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass zukünftig auf Dauer mit einem reduzierten Arbeitsvolumen und Beschäftigungsbedarf zu rechnen ist.

2. Die Einführung von Kurzarbeit im Betrieb spricht dafür, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose bestand, dass der Beschäftigungsbedarf jedenfalls nicht länger als zwölf Monate dauern würde. Die Voraussetzung für die Gewährung von Kurzarbeitergeld ist nämlich der nur vorübergehende Wegfall der Beschäftigung. Dies ist ein Indiz dafür, dass kein ausreichender Grund für eine betriebsbedingte Kündigung gegeben ist.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1-3; SGB III §§ 95, 96 Abs. 1 Nr. 2, § 109 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Passau (Entscheidung vom 27.08.2020; Aktenzeichen 3 Ca 377/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Passau vom 27.08.2020, Az.: 3 Ca 377/20 abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.04.2020, zugegangen am 09.04.2020, nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

Die auch unter der Marke X. auftretende Beklagte ist eine in P. ansässige Anbieterin von Schiffservice, Parkservice, Touren und Gepäcklogistik. Sie gehört zur E.-Unternehmensgruppe, welche aus mehreren Unternehmen der Reise- und Tourismusbranche besteht und beschäftigt ständig mehr als zehn Arbeitnehmer i.S. des Kündigungsschutzgesetzes.

Die am 00.00.1954 geborene Klägerin, verwitwet und unterhaltspflichtig für einen Sohn in der Ausbildung, war bei der Beklagten aufgrund des Arbeitsvertrages vom 05.03.2018 (Bl. 12 ff d.A.) seit 21.03.2018 als "Stadtführerin und Reiseleiterin" mit einer monatlichen Vergütung von 2.500,00 € brutto beschäftigt.

Im März 2020 wandte sich die Beklagte an ihre Mitarbeiter und bat diese im Hinblick auf die wegen der Corona-Pandemie bestehenden Einschränkungen darum, ihre Zustimmung zur Reduzierung der Arbeitszeit auf Kurzarbeit zu erteilen. Die Klägerin, bei der die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld im Hinblick auf das Überschreiten des Rentenalters nicht gegeben sind, teilte der Beklagten mit E-Mail vom 17.03.2020 (Bl. 17 d.A.) mit, dass sie - wenn es notwendig sein sollte - bereit sei, auch ihren Beitrag zu leisten, um gemeinsam diese Krise überstehen zu können.

Die Stadt P. hat am 20.03.2020 eine zum 21.03.2020 in Kraft getretene Allgemeinverfügung erlassen und das Anlegen von Personenschiffen im gesamten Stadtgebiet verboten. Am 27.03.2020 wurde sodann die Bayerische Verordnung bei Infektionsschutzmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie veröffentlicht, die am 31.03.2020 in Kraft getreten ist und zunächst bis zum 19.04.2020 befristet war. In § 2 Betriebsuntersagungen ist in Abs. 1 die Untersagung des Betriebs sämtlicher Einrichtungen geregelt, die nicht notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens, sondern der Freizeitgestaltung dienen. Hierin waren auch Stadtführungen eingeschlossen. In der 5. Bayerischen Infektionsmaßnahmenverordnung vom 29.05.2020 wurde sodann in § 11 Abs. 2 geregelt, dass u. a. Stadt- und Gästeführungen zulässig sind, wenn der Verantwortliche durch geeignete Maßnahmen sicherstellt, dass grundsätzlich der Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den Teilnehmern eingehalten werden kann. Dabei war die Gruppengröße in geschlossenen Räumen auf eine Person je 20 qm und im Freien auf höchstens 15 Personen begrenzt. Die Verordnung trat am 30.05.2020 in Kraft und war bis 14.06.2020 befristet. Im Amtsblatt der Stadt P. wurde am 08.07.2020 die Aufhebung der Allgemeinverfügung der Stadt P. zum Verbot des Anlegens der Personenschiffe im gesamten Stadtgebiet aufgehoben.

Die Parteien versuchten zunächst eine Verständigung über eine Reduzierung der Vergütung. Eine Einigung auf € 1.500,00 brutto kam nicht zustande. Eine schließlich von der Beklagten vorgeschlagene Gehaltskürzung auf € 1.000,00 brutto lehnte die Klägerin mit vorab per E-Mail übermitteltem Schreiben vom 08.04.2020 (Bl. 18 f d.A.) ab.

In der Folge kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 08.04.2020 (Bl. 16 d.A.) das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis "aufgrund der Corona-Krise und der wirtschaftlichen Auftragslage" zum 15.05.2020 bzw. zum nächstmöglichen Termin.

Mit ihrer Kündigungsschutzklage vom 14.04.2020, eingegangen beim Arbeitsgericht Passau am 15.04.2020, hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung wege...

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