Auch ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindestlohn – aber nur auf diesen – ist unwirksam. Auf Vergütung, die über den gesetzlichen Mindestlohn hinausgeht, kann hingegen verzichtet werden.

Das ist dann von Bedeutung, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einem Abwicklungsvertrag ihre Ansprüche abschließend regeln wollen. Soweit der Arbeitnehmer dabei auf bestehende oder zukünftige Ansprüche verzichtet, ist dieser Verzicht in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns unwirksam.

 
Praxis-Beispiel

In einem Abwicklungsvertrag im Jahr 2024 regeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Zahlung einer Abfindung, dass ansonsten zwischen ihnen keinerlei Ansprüche mehr aus dem Arbeitsverhältnis bestehen. Nach der Auszahlung der Abfindung macht der Arbeitnehmer geltend, dass ihm noch Vergütung für 100 geleistete Mehrarbeitsstunden zusteht.

I. H. v. 12,41 EUR pro Stunde kann sich der Arbeitgeber nicht auf die Erledigungsklausel im Abwicklungsvertrag berufen, weil der Arbeitnehmer auf die Vergütung in diesem Umfang nicht verzichten konnte.

Zulässig dürfte es jedoch sein, einen Tatsachenvergleich zu schließen, etwa des Inhalts, dass sich die Parteien darüber einig sind, dass die Mehrarbeitsstunden des Arbeitnehmers sämtlich vergütet worden sind.

Im Zweifelsfall ist jedoch Vorsicht geboten, offene Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers in eine Abfindungszahlung einfließen zu lassen. Der Arbeitgeber läuft immer Gefahr, nochmals in Anspruch genommen zu werden.

Auch wenn der Arbeitnehmer eine Ausgleichsquittung unterzeichnet, in der er erklärt, gegenüber dem Arbeitgeber keine Ansprüche mehr aus dem Arbeitsverhältnis zu haben, gilt dasselbe.

Einzige Ausnahme: Zulässig ist ein Verzicht auf den entstandenen Anspruch in einem gerichtlichen Vergleich. Wichtig ist jedoch, dass es ein bereits entstandener Anspruch sein muss, also ein solcher, für den "der Rechtsboden bereits gelegt ist". Das betrifft in erster Linie Vergütungsansprüche, für die die Arbeitsleistung schon erbracht worden ist. Urlaubsabgeltungsansprüche sind erst dann entstanden, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Auf zukünftige Vergütung kann auch in einem gerichtlichen Vergleich im Umfang des gesetzlichen Mindestlohns nicht verzichtet werden.

Wenn der Arbeitgeber keine tariflichen Regelungen anwendet, sondern die Arbeitsbedingungen im Arbeitsvertrag regelt, ist die vertragliche Ausschlussfrist zwingend so zu gestalten, dass diese für den gesetzlichen Mindestlohn nicht gilt. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden[1], dass einer Ausschlussfrist, die nach dem 1.1.2015 vereinbart worden ist, insgesamt unwirksam ist, wenn sie nicht klarstellt, dass sie für den gesetzlichen Mindestlohn nicht gilt. Begründet wird das damit, dass diese Regelung intransparent ist, weil sie den Arbeitnehmer über seine Rechte im Unklaren lässt bzw. den falschen Eindruck erweckt, dass auch der gesetzliche Mindestlohn von dieser Ausschlussfrist erfasst wird. Es handle sich um einen Fall eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

 
Praxis-Beispiel

Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten gegenüber dem Vertragspartner in Textform geltend gemacht werden. Dies gilt nicht für unverzichtbare Ansprüche wie den Anspruch des Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindestlohn.

Für Arbeitsverträge, in denen Ausschlussfristen enthalten sind, die bereits vor dem 1.1.2015 vereinbart worden sind, empfiehlt es sich, an die Arbeitnehmer ein klarstellendes Schreiben zu senden, dass sich der Arbeitgeber bezüglich des gesetzlichen Mindestlohns nicht auf die Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag berufen wird. Damit befindet sich der Arbeitgeber "auf der sicheren Seite". Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts werden Ausschlussfristen in Verträgen, die vor dem 1.1.2015 geschlossen wurden, nicht insgesamt unwirksam.[2] Das gilt auch für Ausschlussklauseln in Verträgen, die nach dem Inkrafttreten des MiLoG am 16.8.2014, aber vor dem 1.1.2015 vereinbart wurden. Vorsicht ist geboten bei Vertragsänderung nach dem 1.1.2015 von Altverträgen. Wird hier bekräftigt, dass die übrigen Vertragsbedingungen unverändert bleiben, so liegt ein Neuvertrag vor und die Ausschlussfrist wird dadurch insgesamt unwirksam. Dem Arbeitgeber ist daher bei Vertragsänderungen zu raten, immer auch die Ausschlussfrist anzupassen und die Ausnahme des Mindestlohns von der Ausschlussfrist klarzustellen. Gleiches gilt im Übrigen für das nicht mehr zulässige Schriftformerfordernis, das nach § 309 Nr. 13b BGB durch Textform zu ersetzen ist.

 
Hinweis

Für tarifvertragliche Ausschlussfristen, auch wenn der Tarifvertrag lediglich arbeitsvertraglich in Bezug genommen wurde, gilt diese Problematik nicht, weil Tarifverträge nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht der AGB-Kontrolle unterliegen und auf sie § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB keine Anwendung findet. Hier ist die Ausschlussfrist ledigl...

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