Leitsatz (amtlich)

Die Gewährung einer Erschwerniszulage nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 EZulV bzw. § 19 Abs. 1 NEZulVO setzt nicht nur die Zugehörigkeit zu einer Organisationseinheit voraus, für die eine Zulageberechtigung dem Grunde nach besteht, der Beamte muss auch in zulageberechtigender Weise verwendet werden.

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches OVG (Entscheidung vom 13.09.2022; Aktenzeichen 5 LB 125/20)

VG Hannover (Entscheidung vom 21.03.2019; Aktenzeichen 13 A 8384/17)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. September 2022 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 400 € festgesetzt.

 

Gründe

Rz. 1

Das Verfahren betrifft die Gewährung einer für die Verwendung in einem Spezialeinsatzkommando vorgesehenen Erschwerniszulage.

Rz. 2

1. Der Kläger stand bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand wegen des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze mit Ablauf des 31. Oktober... im Dienst des Beklagten, zuletzt im Amt eines Kriminalhauptkommissars (Besoldungsgruppe A 11 LBesO). Von April 2011 bis Januar 2016 wurde er unter Zahlung einer Erschwerniszulage in Höhe von monatlich 153,39 € auf dem Dienstposten "Truppenleiter/in Mobiles Einsatzkommando (- MEK -) - Fortbildung" in der Abteilung..., Dezernat..., verwendet.

Rz. 3

Im Januar 2016 setzte der Beklagte den Kläger mit Wirkung vom 1. Februar 2016 unter Einstellung der Zahlung der zuvor gewährten Erschwerniszulage und Beibehaltung seines bisherigen Dienstpostens in die Abteilung... (...) um. Dort wurde der Kläger im Dezernat... (Spezialeinsatzkommando - SEK -) in der Führungsgruppe eingesetzt. Zum 1. Mai 2018 setzte der Beklagte den Kläger dauerhaft in die Abteilung... Dezernat..., um und übertrug ihm den dort geführten Dienstposten "Sachbearbeiter Spezialeinsatzkommando".

Rz. 4

Der Kläger hat nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren Klage erhoben, woraufhin das Verwaltungsgericht den Beklagten zur Gewährung der Erschwerniszulage verpflichtet hat. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Gewährung der Erschwerniszulage nicht zu. Die Zulageberechtigung setze neben der Zugehörigkeit zu einer entsprechenden Organisationseinheit der Polizei voraus, dass der betreffende Polizeivollzugsbeamte bei einem dieser Polizeiverbände in zulageberechtigender Weise (für polizeiliche Einsätze) verwendet werde. An Letzterem fehle es jedoch, weil sich nicht feststellen lasse, dass der Dienstposten des Klägers von seiner Zugehörigkeit zum SEK maßgebend geprägt gewesen sei. Schwerpunktmäßig habe der Kläger eine administrative Tätigkeit im Bereich der Aus- und Fortbildung wahrgenommen. Soweit er gelegentlich im Rahmen von SEK-Einsätzen tätig gewesen sei, sei er nicht im Bereich der operativen Taktik verwendet worden und keiner den übrigen SEK-Beamten vergleichbaren besonderen Gefährdungs- und Belastungslage ausgesetzt gewesen. Entsprechendes gelte, soweit der Kläger in Ausnahmefällen im Wachdienst eingesetzt worden sei.

Rz. 5

2. Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

Rz. 6

a) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

Rz. 7

Dies ist nur dann der Fall, wenn die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 m. w. N., vom 15. Januar 2020 - 2 B 38.19 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 99 Rn. 6 und vom 14. Februar 2023 - 2 B 3.22 - juris Rn. 7). Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei auf die mit der Beschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

Rz. 8

Die von der Beschwerde bezeichneten Fragen,

kommt es für die Gewährung einer Erschwerniszulage nach § 22 Abs. 2 EZulV a. F. bzw. nach § 19 Abs. 1 NEZulV nicht allein auf die Zugehörigkeit, die organisatorische Zuordnung, zu einer der in diesen Vorschriften genannten Organisationseinheiten durch Übertragung eines konkret-individuellen Amtes dort an, sondern zusätzlich auch darauf, dass der Beamte bei einer dieser Organisationseinheiten, der er angehört, in "zulagenberechtigender Weise" verwendet wird?

bzw.

ob es ausreicht, dass ein Beamter grundsätzlich auch taktisch eingesetzt wird oder ob er im konkreten Abrechnungsmonat für die Erschwerniszulage taktisch eingesetzt worden sein muss,

sind auf der Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Weiteres im Sinne des Berufungsgerichts zu beantworten.

Rz. 9

Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbesoldungsgesetzes (- BBesG -) i. d. F. der Bekanntmachung der Neufassung des Bundesbesoldungsgesetzes vom 6. August 2002 (BGBl. I S. 3020) wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Gewährung von Zulagen zur Abgeltung besonderer, bei der Bewertung des Amtes oder bei der Regelung der Anwärterbezüge nicht berücksichtigter Erschwernisse (Erschwerniszulagen) zu regeln. Eine solche Regelung hat der Verordnungsgeber in § 22 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung über die Gewährung von Erschwerniszulagen (Erschwerniszulagenverordnung - EZulV a. F.) in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 2005 vorgesehen (vgl. BR-Drs. 145/79, Beschluss S. 3). Danach erhält eine Zulage in Höhe von 153,39 € monatlich unter anderem, wer als Polizeivollzugsbeamter in einem Mobilen Einsatzkommando oder in einem Spezialeinsatzkommando eines Landes für besondere polizeiliche Einsätze verwendet wird.

Rz. 10

Anzuwenden ist § 22 Abs. 2 Nr. 1 EZulV a. F. auf den vorliegenden Fall für den Zeitraum 1. Februar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 über § 1 Abs. 2 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes (- NBesG -) vom 7. November 2008 (GVBl. 2008, 334) i. d. F. der Bekanntmachung vom 3. Juni 2013 (GVBl. S. 124) sowie in der Zeit vom 1. Januar 2017 bis zum 31. August 2019 - aufgrund des Fehlens einer eigenständigen Verordnung des Landes Niedersachsen (vgl. hierzu LT-Drs. 17/3512 S. 144) - nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. e NBesG i. d. F. der Bekanntmachung vom 20. Dezember 2016 (GVBl. S. 308) mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Betrages 153,39 € in § 22 Abs. 2 EZulV a. F. der Betrag 225 € tritt.

Rz. 11

Eine eigenständige Regelung hat der Verordnungsgeber in Niedersachsen auf der Grundlage des § 46 Abs. 1 Satz 1 NBesG geschaffen, wonach die Landesregierung ermächtigt wird, durch Verordnung die Gewährung von Zulagen zur Abgeltung besonderer, bei der Bewertung des Amtes oder bei der Bestimmung der Höhe der Anwärterbezüge nicht berücksichtigter Erschwernisse (Erschwerniszulagen) zu regeln. Denn seit dem 1. September 2019 bestimmt § 19 Abs. 1 der Niedersächsischen Erschwerniszulagenverordnung (NEZulVO) i. d. F. der Bekanntmachung vom 27. August 2019 (GVBl. 2019, 250), dass Polizeivollzugsbeamte, die für besondere polizeiliche Einsätze in einem Mobilen Einsatzkommando oder einem Spezialeinsatzkommando verwendet werden, eine Zulage in Höhe von 225 € monatlich erhalten. Die Norm nimmt den Regelungsgehalt des § 22 Abs. 2 Nr. 1 EZulV a. F. auf (vgl. Begründung zur NEZulVO vom 7. August 2019 S. 19).

Rz. 12

Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die Verordnungsregelung über eine Erschwerniszulage grundsätzlich tätigkeitsbezogen auszulegen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. September 2012 - 2 C 45.10 - Buchholz 240 § 47 BBesG Nr. 14 Rn. 10 ff. und vom 22. März 2018 - 2 C 43.17 - Buchholz 240 § 47 BBesG Nr. 16 Rn. 14). Es muss um Aufgaben und Arbeitsbedingungen der Beamten gehen, durch die sie in ihrer Tätigkeit stets wiederkehrend, wenn auch nicht ständig besonderen, durch die Besoldung nicht abgegoltenen Erschwernissen ausgesetzt sind (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 2011 - 2 C 73.10 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 36 Rn. 20, vom 26. September 2012 - 2 C 45.10 - Buchholz 240 § 47 BBesG Nr. 14 Rn. 10, vom 29. November 2012 - 2 C 44.11 - Buchholz 240 § 47 BBesG Nr. 15 Rn. 15 und vom 22. März 2018 - 2 C 43.17 - Buchholz 240 § 47 BBesG Nr. 16 Rn. 14).

Rz. 13

Für die Gewährung einer Erschwerniszulage i. S. d. § 22 Abs. 2 Nr. 1 EZulV a. F. und § 19 Abs. 1 NEZulVO kommt es nicht allein auf die Zugehörigkeit zu einer der dort genannten Beamtengruppen an. Deren Gewährung setzt vielmehr voraus, dass der Beamte bei der Organisationseinheit, der er angehört, in zulageberechtigender Weise verwendet wird. Entscheidend ist daher, dass der Dienstposten des Beamten von seiner Zugehörigkeit zur Spezialeinheit der Polizei maßgebend geprägt ist. Umfasst der Dienstposten durch Übertragung weiterer Tätigkeiten auf den Beamten mehrere Aufgabenbereiche, muss den typischerweise erschwernisbehafteten Tätigkeiten, um derentwillen die Erschwerniszulage gewährt wird, jedenfalls herausragendes Gewicht zukommen. Das bedeutet, dass regelmäßig die zulagenberechtigenden Funktionen einen quantitativ besonders umfangreichen Teil des dem Beamten zugewiesenen gesamten Aufgabenbereichs ausmachen müssen. Quantitativ besonders umfangreich ist eine Tätigkeit dann, wenn die Arbeitskraft des Beamten weitestgehend durch die erschwernislagentypischen Aufgaben gebunden ist. Diesen durch das Anforderungsprofil des Dienstpostens bedingten erhöhten Leistungsanforderungen, den kontinuierlich wiederkehrenden Hochleistungs- und damit Stresssituationen sind solche Beamte nicht ausgesetzt, die nicht fortlaufend Dienst bei einer solchen Einheit verrichten, sondern in kurzen und wiederkehrenden Zeitabständen regelmäßig für längere Dauer aus dem Dienstbetrieb ausscheiden. Ihr Aufgabenbereich ist durch die Zugehörigkeit zu der Spezialeinheit der Polizei nicht mehr in der gebotenen Weise geprägt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 1991 - 2 C 42.88 - juris Rn. 14 f.; s. auch Leihkauff, in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand Juli 2023, § 22 EZulV Rn. 10).

Rz. 14

Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Die Einordnung der vom Kläger erbrachten Leistungen und damit die Anwendung der Maßstäbe auf den konkreten Einzelfall ist der Grundsatzrüge nicht zugänglich.

Rz. 15

b) Die Revision ist auch nicht wegen der von der Beschwerde geltend gemachten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

Rz. 16

Eine die Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründende "Abweichung" liegt nur vor, wenn zwischen den Gerichten ein grundsätzlicher Meinungsunterschied hinsichtlich der die Rechtsanwendung im Einzelfall bestimmenden Maßstäbe besteht. Die Divergenzrüge sieht deshalb die Darlegung eines prinzipiellen Auffassungsunterschieds über den Bedeutungsgehalt eines im konkreten Rechtsstreit erheblichen Rechtssatzes voraus. Die bloße Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht. Das Revisionszulassungsrecht kennt - anders als die Vorschriften über die Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) - den Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3 m. w. N.).

Rz. 17

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die geltend gemachte Abweichung der Berufungsentscheidung von den Beschlüssen des Senats vom 3. Juni 2011 - 2 B 13.11 - (Buchholz 240 § 47 BBesG Nr. 12) und vom 1. Oktober 2012 - 2 B 41.12 - (BeckRS 2012, 58589) besteht nicht. Wie bereits das Berufungsgericht herausgearbeitet hat, waren Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren die Frage der Zugehörigkeit zu einer die Zulageberechtigung vermittelnden Organisationseinheit und die Rechtfertigungsbedürftigkeit von Unterschieden bei der Höhe der Zulagengewährung. Demgegenüber betraf das Urteil des Senats die Frage, ob der (unstreitig) zum Kreis der zulageberechtigten Personen gehörende Beamte aufgrund der ihm zugewiesenen Aufgaben in zulagenberechtigender Weise verwendet worden war und daher die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erschwerniszulage erfüllte.

Rz. 18

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 sowie § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 16183959

ZTR 2024, 163

DÖV 2024, 450

JZ 2024, 206

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