Neben der Berücksichtigung von Grenz- und Richtwerten zur Konkretisierung der "Wesentlichkeit" von Einwirkungen ist auf Seiten des von den Einwirkungen betroffenen Nachbarn noch eine Objektivierung vonnöten, um nicht die Überempfindlichkeit gegenüber Störungen zum Maß aller Dinge zu machen. Als Maßstab hierfür verwendet die Rechtsprechung seit der sog. "Frösche-Entscheidung" des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1992[1] den sog. verständigen Durchschnittsmenschen.

Bei der Beantwortung der Frage, ob eine störende Einwirkung wesentlich ist oder nicht, ist danach nicht die subjektive Empfindlichkeit des Gestörten maßgebend, sondern die Bewertung durch den verständigen Durchschnittsmenschen entscheidend, der – anders als der normale Durchschnittsmensch –, auch Allgemeininteressen (etwa zum Schutz der Umwelt) und gesetzliche Wertungen (etwa in Form der Festsetzung von Richt- und Grenzwerten) berücksichtigt. Daraus folgt, dass der verständige Durchschnittsmensch eine umfassende Abwägung sämtlicher privaten und öffentlichen Belange im Rahmen der konkreten Gegebenheiten vornehmen muss.

Von einer indiziellen Bedeutung der Richtwertüberschreitung nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB kann daher abgewichen werden, wenn besondere Umstände des Einzelfalls dies gebieten und es kann im Einzelfall eine vom Nachbarn nicht hinzunehmende wesentliche Beeinträchtigung auch bei Einhaltung der einschlägigen Richtwerte vorliegen.[2]

 
Praxis-Beispiel

Kinderlärm

Diese Abwägung ergibt nach der Rechtsprechung etwa beim Lärm spielender Kinder, dass im Interesse der Allgemeinheit an einer kinder- und jugendfreundlichen Umgebung auch den Bewohnern eines Wohngebiets Lärm als Begleiterscheinung kindlichen und jugendlichen Freizeitverhaltens in höherem Maße zugemutet werden kann, als er generell zulässig ist. Denn Kinderlärm mag zwar im Einzelfall lästig sein, er stellt aber eine notwendige Ausdrucksform und Begleiterscheinung kindlichen Spielens dar, die zur Entwicklung eines jungen Menschen erforderlich ist und deshalb nicht generell unterdrückt oder beschränkt werden kann.[3] Darüber hinaus ist § 22 Abs. 1a BImSchG zu beachten. Danach sind Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen, wie beispielsweise Ballspielplätzen, durch Kinder hervorgerufen werden, in der Regel keine schädliche Umwelteinwirkung.[4]

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