Verfahrensgang

LG Lüneburg (Aktenzeichen 9 O 293/93)

 

Tenor

Die Kosten der ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben, die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägern auferlegt, jedoch mit Ausnahme der Beweisaufnahmekosten zweiter Instanz, die beide Parteien je zur Hälfte zu tragen haben.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten über das Ausmaß der von einem Kindergarten ausgehenden Lärmbelästigungen. Nach der Veräußerung des den Klägern gehörenden Hausgrundstücks in der Berufungsinstanz haben die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Kläger waren Eigentümer eines Einfamilienhauses, in dessen erstem Obergeschoß sich eine Ferienwohnung befindet. An ihr Grundstück grenzt das der Beklagten, die dort seit dem Jahre 1991 einen behördlich genehmigten Kindergarten in der Zeit von 8.00 bis 12.00 Uhr sowie von 13.00 bis 17.00 Uhr betreibt. Vormittags befinden sich bis zu 70 und nachmittags bis zu 50 Kinder auf der Anlage. Nach Beschwerden der Kläger sowie der Nachbarn errichtete die Beklagte im Jahre 1993 einen etwa 1,2 m hohen Lärmschutzwall und mehrere Spielgeräte, die sich zum Teil auf diesem Erdwall befinden.

Die Kläger haben behauptet, von dem Kindergarten gingen unerträgliche Lärmbelästigungen aus, die insbesondere durch den später errichteten Lärmschutzwall noch verstärkt worden seien. Infolgedessen hätten Feriengäste Beschwerden erhoben und die Wohnung des öfteren auch schon vorzeitig gekündigt. Stammgäste zu finden sei angesichts der Geräusche unmöglich.

Wie unter den Parteien unstreitig ist, befinden sich die Grundstücke in einem allgemeinen Wohngebiet.

Die Kläger haben in erster Instanz eine Verurteilung der Beklagten zur Errichtung einer ganz bestimmten Lärmschutzwand erstrebt.

Die Beklagte hat um Klagabweisung gebeten, die Entstehung wesentlicher Geräusche in Abrede genommen und im übrigen die Auffassung vertreten, die Kinder dürften nicht von der Umwelt abgeschottet werden.

Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme mit der Begründung abgewiesen, die Kläger hätten trotz eines gerichtlichen Hinweises, daß ihnen ein Anspruch auf eine konkrete Maßnahme nicht zustehe, auf der Errichtung einer Lärmschutzwand bestanden.

Mit ihrer Berufung haben die Kläger unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages nunmehr die Verurteilung der Beklagten zur Vornahme geeigneter Maßnahmen verlangt, durch die die Lärmbelästigung auf 50 dB (A) gedrückt werde. Die Beklagte hat weiterhin wesentliche Beeinträchtigungen bestritten.

In seinem Gutachten vom Oktober 1995 kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, daß der Beurteilungspegel 70,3 dB (A) und der Spitzenpegel 81,5 dB (A) beträgt. Die einzelnen Beurteilungspegel lagen zwischen 69,1 und 72,2 dB (A). Der für ein allgemeines Wohngebiet gültige Richtwert von 55 dB (A) kann nur eingehalten werden, sofern eine tägliche Einwirkzeit von 30 Minuten nicht überschritten wird, bei Nutzung der Wallkrone des vorhandenen Erdwalls sowie der darauf befindlichen Spielgeräte darf die effektive Einwirkzeit nur 15 Minuten betragen.

Nachdem umfangreiche und zeitraubende Vergleichsverhandlungen der Parteien über konkrete Maßnahmen zur Herabsetzung der Geräuschbeeinträchtigungen nicht zum Erfolg geführt haben, ist das Haus von den Klägern mit der Begründung veräußert worden, ein weiteres Bewohnen sei ihnen wegen des Lärms unzumutbar. Die Parteien streiten nunmehr nur noch um die Kosten des Rechtsstreits.

Der vorgesehene Ortstermin hat nicht stattgefunden, weil er dem Senat, solange erfolgversprechende Vergleichsverhandlungen liefen, nicht notwendig erschien und der neue Eigentümer nach dem Verkauf das Betreten seines Hauses nicht gestattet.

 

Entscheidungsgründe

II.

Sofern die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklären, ist gemäß § 91 a ZPO über die Kosten nach billigem Ermessen zu entscheiden, wobei es in erster Linie darauf ankommt, wer den Prozeß ohne die Erledigungserklärungen voraussichtlich verloren hätte.

Bei der Kostenverteilung hat sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten lassen:

1. Der Anspruch der Kläger ergibt sich grundsätzlich aus § 906 BGB, der die Untersagung von Lärmbeeinträchtigungen ermöglicht, die wesentlich und ortsüblich sind, jedoch nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden können.

Nach § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt eine unwesentliche Beeinträchtigung in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Nach Satz 3 gilt entsprechendes für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben. Die Neufassung des § 906 BGB durch das Sachenrechtsänderungsgesetz aus dem Jahre 1994 war zwar zu Beginn des Rechtsstreits noch nicht in Kraft getreten, sie entspricht aber nur der Kodifizierung der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtsprechung, denn d...

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