OFD Münster, Verfügung v. 9.7.2010, S 1300 - 248 - St 45 - 32

Staatsangehörige aus EU-Mitgliedstaaten bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt keines Aufenthaltstitels (§ 2 Abs. 4 FreizügG/EU). Sie sind gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt, wenn sie sich z.B. als Arbeitnehmer oder zur Arbeitssuche im Inland aufhalten wollen oder zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit oder zur Erbringung von Dienstleistungen berechtigt sind (§ 2 Abs. 2 FreizügG/EU).

Für Arbeitnehmer aus den EU-Beitrittsländern (Beitritt der Staaten Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern zum 1.5.2004 und der Staaten Bulgarien und Rumänien zum 1.1.2007; Verträge vom 16.4.2003 und 25.4.2005) ist der deutsche Arbeitsmarkt allerdings auf Grund von Übergangsregelungen/Verträgen mit den EU-Beitrittsländern zurzeit grundsätzlich gesperrt. Nach § 284 SGB III dürfen Arbeitnehmer der neuen EU-Mitgliedstaaten eine Beschäftigung im Inland (z.B. als Haushaltshilfen, Pflegekraft, Saisonarbeitnehmer) nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit ausüben. Diese Regelung läuft – zumindest für die im Jahre 2004 der EU beigetretenen Staaten – voraussichtlich zum 30.4.2011 aus, so dass auch sie ab diesem Zeitpunkt die volle Freizügigkeit beanspruchen können.

Zur Vermeidung dieser Beschränkungen bieten Pflegekräfte derzeit als Selbständige – die EU-Dienstleistungsfreiheit wurde für die neuen Beitrittsländer nicht eingeschränkt – ihre Dienstleistungen an. Der Nachweis der Selbständigkeit wird von den Anbietern durch eine Entsendebescheinigung (Formular E 101 zum Nachweis der Sozialversicherungspflicht im Heimatstaat) nachgewiesen.

Dementsprechend schließen die im Inland ansässigen Auftraggeber (Pflegepersonen/Pflegehaushalte) regelmäßig Dienstleistungsverträge mit den ausländischen Dienstleistern/Selbständigen ab.

Die Pflegekräfte werden danach grundsätzlich weniger als sechs Monate in einem Haushalt im Inland tätig. Die Unterbringung erfolgt angesichts der Rund-um-Betreuung notwendigerweise im Haushalt der Pflegeperson. Neben der mtl. Vergütung von 1.000,– bis 2.200,– EUR erhält die Pflegekraft nach einschlägigen Vertragsgestaltungen freie Kost und Logis.

Zur Vermeidung des Verdachts der „Scheinselbständigkeit” bzw. der Begründung eines Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts werden nach den bekannt gewordenen Konzeptionen die Pflegekräfte in wechselnden Pflegehaushalten und grundsätzlich unter sechs Monaten im Veranlagungszeitraum im Inland tätig.

Ertragsteuerliche Beurteilung

Die Pflegekraft ist nach § 1 Abs. 1 EStG in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig, da sie im Inland weder einen Wohnsitz hat (§ 8 AO) noch über einen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) verfügt. An einen Wohnsitz mangelt es schon deshalb, weil die Pflegekraft nicht über die Wohnung der Pflegeperson kraft eigener Rechtsposition verfügen kann (AEAO zu § 8 Nr. 4). Auch die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts ist bei einer von vornherein nur vorübergehenden Tätigkeit (unter 183 Tagen) grundsätzlich nicht gegeben (AEAO zu § 9).

Die ausländische Pflegekraft kann unter diesen Voraussetzungen lediglich beschränkt steuerpflichtig sein, wenn sie einen Besteuerungstatbestand des § 49 EStG erfüllt. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG liegen inländische gewerbliche Einkünfte vor, wenn in Deutschland eine Betriebsstätte unterhalten wird. Nur wenn für die selbständig tätige Person somit nach § 12 AO und – im Falle eines DBA Staates – auch nach dem einschlägigen DBA eine inländische Betriebsstätte anzunehmen ist, unterliegt der auf diese Betriebsstätte entfallende Gewinn der Einkommen- und Gewerbesteuer. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH wird eine Betriebsstätte jedoch nur begründet, wenn mit der Mitbenutzung oder Überlassung von Räumlichkeiten eine – zumindest vorübergehende – Verfügungsmacht über diese Räumlichkeiten eingeräumt wird (BFH 18.3.1976 BStBl 1976 II S. 365; BFH 29.4.1987, BFH/NV 1988 S. 122; BFH vom 11.11.1989, BStBl 1990 II S. 166, BFH vom 4.6.2008, BStBl 2008 II S. 922).

Zum Vorliegen einer Betriebsstätte hat der BFH im Urteil vom 4.6.2008 (a.a.O.) darüber hinaus Folgendes ausgeführt:

„Das bloße Tätigwerden in den Räumlichkeiten des Vertragspartners genügt für sich genommen selbst dann nicht zur Begründung der erforderlichen Verfügungsmacht, wenn die Tätigkeit über mehrere Jahre hinweg erbracht wird. Neben der zeitlichen Komponente müssen zusätzliche Umstände auf eine örtliche Verfestigung der Tätigkeit schließen lassen (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 14.7.2004, I R 106/03, BFH/NV 2005 S. 154).”

Danach ergibt sich bei dem geschilderten Sachverhalt weder eine unbeschränkte noch eine beschränkte Einkommensteuerpflicht der im Ausland ansässigen Pflegekraft.

Sollte die ausländische Pflegekraft in Deutschland für einen ausländischen Dienstleister als Arbeitnehmer/in in entsprechender Weise tätig werden, ergibt sich Folgendes:

Die ausländische Pflegekraft ist nach § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4a EStG m...

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