Gründen statt übernehmen: Zwei Steuerberaterinnen erzählen

Die Überzeugung, dass nur eine vollkommene Neugründung zu der Kanzlei führt, in der sie arbeiten will, ließ Steuerberaterin Maike Karstens den Schritt auf die „grüne Wiese“ wagen. Ihr „Rasenstück“ befindet sich in Köln Süd, wird inzwischen seit zwei Jahren bestellt, und eine Partnerparzelle in Hennef gehört auch zum Projekt, das inzwischen neun Mitarbeiterinnen beschäftigt.

Das Datum lässt aufhorchen, denn April 2020 ist für eine Firmengründung ein eher ungewöhnlicher Termin, fegte doch zu dieser Zeit die erste Corona-Welle durch das Land und statt Gründereuphorie herrschte gemeinhin erzwungener Stillstand. Doch das galt nicht überall, vor allen Dingen nicht dort, wo bereits toughe Pläne auf Verwirklichung warteten.

Einige Wochen zuvor – die Lokale hatten noch geöffnet – trafen sich die zwei jungen Steuerberaterinnen, Maike Karstens und Sabrina Knoll, in der Kölner Altstadt auf einen Feierabend-Tropfen. Kennen gelernt hatten sich die Beraterinnen während ihrer Tätigkeit bei einer renommierten Großkanzlei in Bonn, als sie sich gemeinsam aufs Steuerberaterexamen vorbereiteten. Im Anschluss daran gingen die Lebenswege erst einmal auseinander: Maike Karstens wollte raus aus der Großkanzlei und suchte nach einer überschaubaren Einheit mit Kaufoption, Sabrina Knoll blieb dem „Laden“ erst einmal treu.

Zwei Jahre nach Gründung beschäftigt das Duo bereits neun Mitarbeiterinnen

So war es bis zu jenem Abend, an dem die eine der anderen Kollegin vom Scheitern der ersten Selbstständigkeitsoption erzählte und ganz spontan fragte, ob Sabrina Knoll nicht Lust auf eine Zweiergründung hätte. Was schnell dahin gesagt war, hinterließ Spuren und „wenige Tage später rief Sabrina Knoll mich an und fragte, ob ich das ernst gemeint habe“, erinnert sich Maike Karstens.

Das Unternehmen „Gründung“ begann. Ganz bewusst wählte das Duo bereits für den Beginn zwei Standorte; beide Beraterinnen wollten aus unterschiedlichen Gründen in der Nähe ihrer Wohnungen, im Kölner Süden und im Bonner Umland, arbeiten. „Ich hatte Glück und fand gleich zu Beginn einen Raum in einer Bürogemeinschaft mit Kollegen, das erleichterte einiges – mit null Mandanten starten ist ja schon sportlich“, sagt Maike Karstens. Zumal wenn das Projekt mit dem Beginn einer Pandemie zusammenfällt, ungewöhnliche Umstände bringt und zugleich Raum für Erprobung bietet.

Heute, zwei Jahre später, beschäftigt das Beraterinnen-Duo bereits neun Mitarbeiterinnen, unterhält weiterhin zwei – inzwischen eigene – Standorte. Das Konzept klingt einfach: „Wir sind erfolgreich, weil wir einfach nicht so steife Typen sind, die hier nur in Blüschen und Blazer sitzen. Außerdem arbeiten wir zu 98 Prozent digital, auch das zieht eine bestimmte Mandantengruppe an, die wir bundesweit betreuen können“, erklärt Maike Karstens.

„Wir machen es genau so, wie wir es wollen“

Dabei ist es beiden Beraterinnen wichtig, mit Menschen zusammen zu arbeiten, die angenehm sind, „die wir nett finden“. Branchenfokus habe man sich keinen gegeben, ausgeschlossen seien nur Online-Händler, da ihre Beratung ein undankbares Geschäftsfeld sei, sofern man nicht darauf spezialisiert sei. Gemeinsam ist den Mandantinnen und Mandanten darüber hinaus vornehmlich das Alter, zwischen Anfang zwanzig und Mitte vierzig sind die meisten. Auch das Team ist jung, die Jahrgänge 1991 bis 1977 sind vertreten. Dabei spielten weder Alter noch Geschlecht die Hauptrolle bei der Auswahl: „Mir ist wichtig, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die Bock drauf haben“, sagt Maike Karstens. Die zu finden, überhaupt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, sei aber gerade schwierig.

Anfangs habe das auch für die Mandantensuche gegolten, „es gibt kein Portal, bei dem wir uns nicht angemeldet hätten, viel lief über Social Media“, erinnert sich Karstens. Irgendwann aber begann der Selbstlauf des Wachstums, die Mandantschaft wuchs ohne aktive Akquise durch Empfehlungsgeschäft. „An diesem Punkt stehen wir jetzt nach zwei Jahren und wollen mit jeweils fünf Mitarbeiterinnen erst einmal in eine Konsolidierungsphase gehen, um zu prüfen, ob das alles genau so ist, wie wir es wollen, wo wir noch justieren und verfeinern wollen. Vielleicht genügt es ja an dieser Stelle bereits mit dem Wachstum und andere Aspekte der Berufstätigkeit wie eine Dozententätigkeit sollen künftig für mich auch eine Rolle spielen“, erklärt Karstens. „Wir machen es genau so, wie wir es wollen.“

Beide Standorte wachsen im selben Tempo

Erstaunlich ist dabei vor allem, wie synchron die beiden Beraterinnen ihre Kanzleientwicklung vorantreiben: Bewusst wachsen die zwei Standorte im selben Tempo, der Umzug in neue Räumlichkeiten in Köln und Hennef erfolgte nahezu zeitgleich. Auch die angestrebte Mitarbeiterzahl von jeweils fünf Teammitgliedern ist identisch. Dieses Modell ist Ergebnis eines Prozesses, bei dem beide gleichberechtigten Partnerinnen in ihre Rolle hineinfanden – denn sie waren zuvor zwar Kolleginnen, aber keine engen Freundinnen gewesen. Das hat sich inzwischen geändert, heute entscheiden sie alles gemeinsam, in einem wöchentlichen digitalen Jour fixe-Termin, der mal 30 oder auch 100 Minuten dauert, „bis alles genau so organisiert ist, wie wir es wollen.“


„Ich arbeite sehr gern sehr viel, aber am Ende will ich das nicht nur für mich tun, sondern auch genauso, wie ich es mir vorstelle.“


Dieses „Genau so, wie wir wollen“ durchzieht als Narrativ nicht nur die Gründungsgeschichte, sondern stand schon ganz an ihrem Anfang: „Denn ich mag zwar Stress, und ich arbeite sehr gern sehr viel, aber am Ende will ich das nicht nur für mich tun, sondern auch genauso, wie ich es mir vorstelle“, sagt Maike Karstens. Deshalb musste sie irgendwann raus aus der Großkanzlei, ein Schritt, der ihr nach zehn Jahren nicht schwer gefallen sei. „Wenn ich hier am Wochenende oder um 7:30 Uhr morgens sitze, dann, weil ich das selbst so entscheide.“ Nicht nur das „Wann“, das „Bis Wann“ und das „Was“ wollte die Beraterin mit niemandem mehr verhandeln, sondern auch das „Wie“. Das wurde ihr in der bestehenden kleineren Kanzlei klar, in die sie mit Kaufoption eingetreten war, die sie aber nach einigen Monaten wieder verließ. „Obwohl dort tolle Leute waren, gab es für Prozesse, wie ich sie mir vorstelle, keine Chance“, sagt sie heute.

Dass alles anschließend so schnell ging, nötige ihr gelegentlich durchaus Respekt ab, so die Beraterin. Denn schon nach vergleichsweise kurzer Zeit trage sie inzwischen die Verantwortung dafür, dass bis zum Monatsende genug reinkommt, um neun Gehälter zu bezahlen – was so ziemlich das Gegenteil von einem sicheren Job in der Großkanzlei ist. Dabei habe sie von Anfang an von allen Seiten Unterstützung für ihren mutigen Schritt erhalten, nicht so verwunderlich sei das, schließlich kenne sie nach all den Jahren überwiegend Steuerberater und Rechtsanwälte. Auch ihr Mann, selbst noch in der selben Großkanzlei tätig, trug das Unterfangen von Anfang an mit.

„Wichtigstes Jahresziel: Urlaub“

Sie verhehlt nicht, dass das in der Anfangszeit finanziellen Druck raus genommen habe, betont aber gleichzeitig, dass sie von Anfang an kostendeckend gearbeitet habe. Auch verschweigt sie nicht, dass dafür einiger Einsatz notwendig gewesen sei, jeden Tag von spätestens acht bis 19 Jahr, plus mindestens ein Tag am Wochenende, „da habe ich dann die Corona-Hilfen durchgeploppt“, so Karstens. Deshalb ist das wesentliche Jahresziel für 2022 eigentlich ebenso klar, folgerichtig und konsequent wie der gesamte Rest: Urlaub machen, und zwar für zwei Wochen am Stück.

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