Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlungen eines Grundstückseigentümers zur Verhinderung der Wiedereintragung eines Vorbehaltsnießbrauchs - Prozeßkosten als Folgekosten

 

Leitsatz (amtlich)

Zahlungen eines Grundstückseigentümers, die dazu dienen, die Wiedereintragung eines bereits gelöschten Vorbehaltsnießbrauchs zu verhindern, stellen --wie Aufwendungen zur Ablösung eines Vorbehaltsnießbrauchs-- nachträgliche Anschaffungskosten dar. Dies gilt entgegen dem BMF-Schreiben vom 15.November 1984 (BStBl I 1984, 561 --sog. Nießbrauchserlaß, Tz.25, 46--) auch dann, wenn das Grundstück an den ablösenden Eigentümer unentgeltlich übertragen oder das Nutzungsrecht --im Rahmen einer Erbauseinandersetzung-- unentgeltlich eingeräumt worden ist (Anschluß an BFH-Urteil vom 28.November 1991 XI R 2/87, BFHE 166, 263, BStBl II 1992, 381).

 

Orientierungssatz

Prozeßkosten teilen als Folgekosten die einkommensteuerrechtliche Qualifikation derjenigen Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren (vgl. BFH-Urteil vom 1.12.1987 IX R 134/83).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 2; HGB § 255 Abs. 1; EStG § 7 Abs. 4, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7

 

Verfahrensgang

FG München (Entscheidung vom 14.05.1990; Aktenzeichen 13 K 4244/89)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute.

Der Kläger war zu 1/4 Erbe seines im Jahre 1974 verstorbenen Vaters. Neben ihm waren an der zunächst ungeteilten Erbengemeinschaft sein Bruder ebenfalls zu 1/4 und seine Mutter zu 1/2 beteiligt. Zur Erbmasse zählte u.a. ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück, das ursprünglich zu je 1/2 im Eigentum der Eltern des Klägers gestanden hatte. Mit notariell beurkundetem Auseinandersetzungsvertrag vom 19.März 1980 erhielt der Kläger das Alleineigentum an dem mit dem Einfamilienhaus bebauten Grundstück. Er räumte seiner Mutter im Zuge der Auseinandersetzung u.a. das ausschließliche Nutzungsrecht an diesem Grundstück ein. Dieses Recht wurde als Nießbrauch im Grundbuch eingetragen. Die Mutter des Klägers bewohnte das Einfamilienhaus bis zum 14.Februar 1985 selbst.

Am 30.Januar 1985 bewilligte die Mutter des Klägers die Löschung des Nießbrauchs; diese wurde am 8.Februar 1985 im Grundbuch vollzogen.

Nachdem der Pfleger der Mutter Klage auf Wiedereintragung des Nießbrauchs im Grundbuch mit der Begründung erhoben hatte, die Mutter des Klägers sei im Zeitpunkt der Löschungsbewilligung geschäftsunfähig gewesen, schlossen die Parteien am 30.September 1987 einen Vergleich, in dem der Kläger sich verpflichtete, an seine Mutter "aus den Einnahmen aus der Vermietung seines Wohnanwesens" für die Vergangenheit einen Betrag in Höhe von 22 400 DM und ab Oktober 1987 jeweils 800 DM pro Monat zu zahlen. Der Betrag von 22 400 DM wurde in zwei gleichen Raten von 11 200 DM am 1.Dezember 1987 und 1.März 1988 gezahlt. Zudem wandte der Kläger im Zusammenhang mit dem betreffenden Rechtsstreit im Jahre 1987 noch Prozeßkosten in Höhe von rd. 15 192 DM auf.

In ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Jahr 1987 kürzten der Kläger und seine Ehefrau zunächst die Mieteinnahmen aus dem Hausgrundstück um die an die Mutter des Klägers vorgenommenen Zahlungen in Höhe von 800 DM monatlich, mithin um insgesamt 9 600 DM. Im anschließenden Einspruchsverfahren machten sie zusätzlich als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Prozeßkosten in Höhe von 15 192 DM sowie die Zahlung an die Mutter aufgrund des Vergleichs in Höhe von 11 200 DM geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen unter Hinweis auf § 12 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab.

Mit seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 577 veröffentlichten Urteil hat das Finanzgericht (FG) der Klage stattgegeben: Die Zahlungen des Klägers an seine Mutter seien als Werbungskosten zu qualifizieren, da er diese zur Erzielung von Einkünften erbracht habe. Die Zahlungen hätten der Verhinderung der Wiedereintragung des bereits gelöschten Nießbrauchs der Mutter gedient, durch den der Kläger vom Bezug der Mieteinnahmen ausgeschlossen worden wäre. Mithin habe er die Zahlungen geleistet, um die bereits erzielten Mieteinnahmen zu erhalten und in Zukunft weiterhin Mieteinnahmen zu erzielen.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von § 9 Abs.1 und § 12 Nr.2 EStG. Leistungen für den Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht seien steuerlich so zu behandeln, als ob diese von Anfang an anstelle des Nießbrauchs gewährt worden seien. Bei einem unentgeltlichen Vorbehaltsnießbrauch bedeute dies, daß die Leistungen für den Verzicht auf das Nießbrauchsrecht, wie die Einräumung des Nießbrauchs selbst, als Zuwendungen i.S. von § 12 Nr.2 EStG zu beurteilen seien.

Das FA beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).

Die angefochtene Entscheidung verletzt § 9 Abs.1 Satz 1 EStG, indem sie die streitigen Aufwendungen des Klägers als sofort abziehbare Werbungskosten berücksichtigt.

1. Nach § 9 Abs.1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bilden Werbungskosten grundsätzlich alle Aufwendungen, bei denen objektiv ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung besteht und die subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (Senatsurteil vom 4.Juni 1991 IX R 30/89, BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761). Der erforderliche Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist dann nicht gegeben, wenn die Aufwendungen nicht durch Einkunftserzielung veranlaßt sind, sondern maßgebend auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen beruhen (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4.Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 unter C II 2 bb m.w.N.); in letzterem Fall greift das Abzugsverbot des § 12 Nr.1 EStG ein.

2. Zutreffend ist das FG zunächst davon ausgegangen, daß die Zahlungen des Klägers an seine Mutter nicht allein deshalb steuerrechtlich unbeachtlich sind, weil sie der Abgeltung eines teilweise vorbehaltenen, teilweise zugewendeten Nießbrauchs gedient haben.

a) Soweit der Mutter des Klägers nach dem Auseinandersetzungsvertrag zunächst ein Nutzungsrecht an dem Hausgrundstück zustand, handelte es sich in bezug auf ihren ursprünglichen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück um einen Vorbehaltsnießbrauch. Ein solches vorbehaltenes Nutzungsrecht stellt kein Entgelt für die Übertragung des betreffenden Grundstücks (-anteils) dar (BFH-Urteil vom 10.April 1991 XI R 7, 8/84, BFHE 164, 343, BStBl II 1991, 791 unter Hinweis auf den Beschluß des Großen Senats vom 5.Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847). Gleichwohl sind Zahlungen des Grundstückseigentümers zur Abgeltung eines Vorbehaltsnießbrauchs grundsätzlich nicht als Zuwendungen i.S. des § 12 Nr.2 EStG zu qualifizieren, und zwar unabhängig davon, ob das Grundstück entgeltlich oder unentgeltlich erworben worden ist.

Entgegen Tz.46, 25 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 15.November 1984 (IV B 1 - S - 2253 - 139/84, BStBl I 1984, 561 --Nießbrauchserlaß--) sind Zahlungen zur Ablösung eines (dinglichen) Nutzungsrechts nicht bereits deshalb Zuwendungen i.S. des § 12 Nr.2 EStG, weil das Grundstück an den ablösenden Eigentümer unentgeltlich übertragen worden ist. Zu Unrecht wird von der Finanzverwaltung und in der Literatur (Seithel, Einkommensteuerrechtliche Behandlung des Nießbrauchs und andere Nutzungsrechte bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen, 3.Aufl., 1985, S.37 f.; Mittelbach/Richter, Nießbrauch, 8.Aufl., Köln 1986, S.159 ff.) steuerrechtlich in der Weise ein Zusammenhang zwischen der nicht steuerbaren Übertragung des Grundstücks einerseits und der späteren Ablösung eines vorbehaltenen oder unentgeltlich zugewendeten Nutzungsrechtes andererseits hergestellt, daß in Anwendung des sogenannten Surrogationsprinzips der Ablösevorgang steuerlich der ursprünglichen Bestellung des Nutzungsrechtes gleichgestellt wird, die ihrerseits als Auflage einer nicht steuerbaren Schenkung betrachtet wird. Diese Beurteilung der Ablösezahlung als nachgeschobene Auflage der ursprünglichen Schenkung ist nicht nur mit der Rechtsprechung des BFH unvereinbar, wonach der Übernehmer von vornherein das um das Nutzungsrecht (des Übergebers oder eines Dritten) geminderte Vermögen erhält (Urteil in BFHE 164, 343, BStBl II 1991, 791 m.w.N.). Sie läßt auch die Eigenständigkeit des Abfindungsvorganges gegenüber der ursprünglichen Grundstücksübertragung unberücksichtigt, obwohl es sich regelmäßig um zwei getrennte, auf selbständigen Willensentscheidungen der Beteiligten beruhende Rechtsgeschäfte handeln wird (vgl. Brandenberg, Nießbrauch an Privatgrundstücken, Betriebsgrundstücken und Kapitalvermögen, 2.Aufl., Herne/Berlin 1985, S.124 f.; Meyer, Der Betrieb --DB-- 1984, 2214, 2265, 2269).

Soweit keine Anhaltspunkte für eine mißbräuchliche Gestaltung bestehen, die im Streitfall nicht ersichtlich sind, sieht der Senat keinen Anlaß, die Steuerwirksamkeit der Ablösezahlung zu verneinen.

b) In bezug auf den ursprünglich zur Erbmasse zählenden Grundstücksanteil war der Mutter des Klägers das Nutzungsrecht im Rahmen der Erbauseinandersetzung und damit unentgeltlich eingeräumt worden (vgl. BFH-Urteil vom 28.November 1991 XI R 2/87, BFHE 166, 263, BStBl II 1992, 381). Gleichwohl sind die Aufwendungen des Klägers, die der Abgeltung des Nutzungsrechts seiner Mutter insoweit gedient haben, nicht steuerrechtlich unbeachtlich (vgl. BFH-Urteil in BFHE 166, 263, BStBl II 1992, 381).

3. Allerdings stellt sich für die zutreffende steuerrechtliche Qualifikation der Ablösezahlungen (noch) die Frage der Abgrenzung von sofort abziehbaren Werbungskosten einerseits und --nachträglichen-- Anschaffungskosten für das bebaute Grundstück andererseits.

Im Gegensatz zur Auffassung des FG können die Aufwendungen des Klägers nicht nur als ("Abwehr-")Kosten zur Verhinderung der Wiedereintragung des Nießbrauchs der Mutter angesehen werden. Vielmehr dienten sie der im Wege des Vergleichs vom Kläger übernommenen Abgeltung des seiner Mutter ursprünglich zustehenden Nießbrauchs. Auch wenn die Zahlungsverpflichtung des Klägers nach der Höhe der Mieteinnahmen bemessen worden ist, stellte sie damit nicht lediglich eine "Auskehr" der der Mutter des Klägers entgangenen Mieteinnahmen dar, sondern galt der Beseitigung der Beschränkung der Eigentümerbefugnisse des Klägers und dem Erwerb seiner freien Verfügungsbefugnis i.S. von § 903 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Mithin handelt es sich um Anschaffungskosten i.S. von § 255 Abs.1 des Handelsgesetzbuches.

4. Da die Prozeßkosten als Folgekosten die einkommensteuerrechtliche Qualifikation derjenigen Aufwendungen teilen, die Gegenstand des Prozesses waren (Senatsurteil vom 1.Dezember 1987 IX R 134/83, BFHE 152, 237, BStBl II 1988, 431), sind auch die vom Kläger im Streitjahr getragenen Prozeßkosten als Anschaffungskosten des Hausgrundstücks anzusehen.

5. Von den danach insgesamt als Anschaffungskosten des Hausgrundstücks zu beurteilenden Aufwendungen des Klägers im Streitjahr in Höhe von 26 392 DM sind nach § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 EStG Absetzungen für Abnutzung auf die auf das Einfamilienhaus entfallenden Anschaffungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Dies macht eine Aufteilung der Anschaffungskosten auf den Bodenwert- und den Gebäudewertanteil nach dem Verhältnis der Verkehrswerte notwendig (vgl. Senatsentscheidung vom 15.Januar 1985 IX R 81/83, BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252).

Da das FG --aus seiner Sicht zu Recht-- für einen entsprechenden Aufteilungsmaßstab keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, ist der Senat an einer abschließenden Entscheidung gehindert. Die Sache geht zur Feststellung der betreffenden Werte an das FG zurück.

6. Der Kläger hat --ferner-- geltend gemacht, er sei aufgrund des gerichtlichen Vergleichs zu laufenden Zahlungen an seine Mutter ab Oktober des Streitjahres in Höhe von 800 DM monatlich verpflichtet gewesen. Das FG hat --aus seiner Sicht zu Recht-- hierzu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Diese wird es nachzuholen haben, um zu entscheiden, ob entsprechende Zahlungen als dauernde Last gemäß § 10 Abs.1 Nr.1 a EStG Berücksichtigung finden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64356

BFH/NV 1993, 18

BStBl II 1993, 486

BFHE 169, 317

BFHE 1993, 317

BB 1993, 987

BB 1993, 987-988 (LT)

DB 1993, 307-308 (LT)

DStR 1993, 197 (KT)

DStZ 1993, 153 (KT)

StE 1993, 62 (K)

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