Rz. 16

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Das Ermessen ist nicht nur dem Zweck der Ermächtigung entsprechend auszuüben; es sind auch die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 5 AO). Das Ermessen ist deshalb nie frei (willkürlich), sondern stets "pflichtgemäß" auszuüben (BVerfG 18, 353 [363]; 49, 89 [147]). Dabei sind die Grundsätze der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (> Gleichheitssatz), der Verhältnismäßigkeit der Mittel, der Erforderlichkeit, der Zumutbarkeit, der > Billigkeit und von > Treu und Glauben sowie das Willkürverbot und das Übermaßverbot zu beachten (AEAO zu § 5).

 

Rz. 17

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass bei der Ausübung des Ermessens das gewählte Mittel geeignet und erforderlich sein muss, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Geeignet ist ein Mittel, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg zumindest gefördert werden kann. Erforderlich ist ein Mittel, wenn es kein anderes, gleich wirksames, aber weniger fühlbar einschränkendes Mittel gibt (vgl BFH 276, 555 = BFH/NV 2022, 1266, dazu zB Hilbert, NWB 2022, 2945 und Schwindt/Blesius, DStR 2023, 1459). Außerdem darf ein an sich geeignetes und erforderliches Mittel zur Durchsetzung von Allgemeininteressen nicht angewandt werden, wenn die davon ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen schwerer wiegen als die durchzusetzenden Interessen (BFH 239, 19 = BStBl 2014 II, 220 mwN).

 

Beispiel 1:

Der ArbN A beantragt in seiner ESt-Erklärung den Abzug von 23 Fachbüchern im Wert von rund 5 000 EUR als > Werbungskosten. Zur Begründung trägt er vor, er benötige die Fachbücher, weil er überwiegend in > Tele[heim]arbeit zu Hause arbeite und die Fachbücher im Betrieb nicht mit nach Hause nehmen dürfe. Der zuständige Bearbeiter im FA hat Zweifel an dieser Darstellung und beauftragt die Steuerfahndung damit, den Sachverhalt durch Inaugenscheinnahme vor Ort aufzuklären.

Diese Handlungsweise verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zwar ist das eingesetzte Mittel geeignet, den Sachverhalt aufzuklären. Es ist jedoch nicht erforderlich, weil es andere Mittel gibt, die gleich wirksam und für den Stpfl weniger belastend sind.

 

Rz. 18

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Die FinVerw kann ihr Ermessen durch selbstbindende Verwaltungsanweisungen einschränken. Derartige Weisungen eines Landes (hier: Einengung des Prüfungszeitraums bei einer > Außenprüfung) bewirken keine Selbstbindung der Behörden eines anderen Landes (BFH 144, 9 = BStBl 1986 II, 36). Auch das angewiesene FA ist nicht verpflichtet, einer allgemeinen Weisung ohne eigenes Ermessen zu folgen (BFH 212, 8 = BStBl 2006 II, 399). Entscheidungen, mit denen die FinBeh Anträge auf Fristverlängerung für die Abgabe einer > Steuererklärung ablehnt, sind Ermessensentscheidungen, die vom Gericht regelmäßig daraufhin zu überprüfen sind, ob einerseits die hierzu ergangene Richtlinie der Verwaltung und andererseits die darauf gestützte Ablehnung im Einzelfall sachgerechter Ermessensausübung entsprechen (BFH 213, 268 = BStBl 2006 II, 642).

 

Rz. 19

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Zur Ausübung des Ermessens im Rahmen einer LSt-Außenprüfung, besonders zur Begrenzung des Umfangs der Prüfung, > Außenprüfung Rz 15 ff und BFH/NV 1990, 347, § 2 Abs 1 und Abs 3 und § 4 Abs 1 BpO. Die Finanzbehörde muss den entscheidungserheblichen Sachverhalt grundsätzlich selbst erschöpfend ermitteln (BFH/NV 1989, 274; 1992, 787; > Ermittlungspflicht des Finanzamts). Kein Ermessensfehler liegt aber vor, wenn die Behörde von einem unrichtigen Sachverhalt ausgeht, weil sie auf einen unzutreffenden Sachvortrag des Antragstellers vertraut hat (BFH/NV 1991, 509). Eine Behörde handelt auch nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie zB eine Existenzgefährdung verneint, weil der Stpfl es unterlässt, seine wirtschaftliche Situation substantiiert darzulegen (EFG 1991, 10). Zur Ausübung des Ermessens bei > Haftung für Lohnsteuer Rz 100 ff sowie H 42d.1 – Ermessensausübung – LStH.

 

Rz. 20–24

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Randziffern einstweilen frei.

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