Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnung von Zwangshaft durch das Sozialgericht. Verweigerung einer Betriebsprüfung durch den Arbeitgeber. uneinbringliches Zwangsgeld. Ermessensentscheidung. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Anordnung von Ersatzzwangshaft, wenn der Arbeitgeber eine Betriebsprüfung nicht zulässt und geforderte Unterlagen nicht vorlegt.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 17. März 2015 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Anordnung von Ersatzzwangshaft.

Die Antragsgegnerin bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und ist Inhaberin eines Einzelhandelsgeschäfts in W.. Nachdem vorherige Bemühungen der Antragstellerin seit dem 20. März 2012 um Durchführung einer Betriebsprüfung bei der Antragsgegnerin erfolglos geblieben waren, legte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 24. Juli 2013 als Termin zur Durchführung einer Betriebsprüfung den 5. September 2013 fest und gab der Antragsgegnerin auf, die Durchführung der Betriebsprüfung zu ermöglichen und zu dulden sowie ihre Geschäftsbücher, Listen und andere Unterlagen, aus denen Angaben über die Beschäftigungsverhältnisse hervorgehen, bis zum 5. September 2013 vorzulegen. Die Antragsgegnerin drohte für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von € 600,00 an.

Nachdem die Antragsgegnerin die Betriebsprüfung weiterhin nicht zugelassen und die geforderten Unterlagen nicht vorgelegt hatte, setzte die Antragstellerin mit Bescheid vom 23. April 2014 ein Zwangsgeld in Höhe von € 600,00 fest. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Antragstellerin gezwungen wäre, Ersatzzwangshaft zu beantragen, wenn das Zwangsgeld uneinbringlich sein sollte. Dieser Bescheid wurde der Antragsgegnerin am 13. Mai 2014 zugestellt. Die Antragsgegnerin zahlte das Zwangsgeld nicht.

Am 10. Juni 2014 gab die Antragsgegnerin auch in Bezug auf ihr Einzelhandelsgeschäft eine Vermögensauskunft im Sinne des § 802c Zivilprozessordnung beim Amtsgericht W. - Obergerichtsvollzieher - ab.

Die Antragstellerin beantragte am 11. Dezember 2014 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) die Anordnung von Ersatzzwangshaft. Die Antragsgegnerin äußerte sich hierzu nicht.

Mit Beschluss vom 17. März 2015 ordnete das SG eine Ersatzzwangshaft von fünf Tagen gegen die Antragsgegnerin an, die diese durch Vorlage von im Beschluss näher bezeichneten Unterlagen abwenden könne. Die Antragsgegnerin habe die zur Betriebsprüfung erforderlichen Unterlagen der Antragstellerin nicht überlassen. Das Zwangsgeld sei uneinbringlich, nachdem die Antragsgegnerin am 10. Juni 2014 die eidesstaatliche Versicherung abgegeben habe. Nachdem sich die Antragsgegnerin nicht geäußert habe, sei auf Grund einer Gesamtschau nach Aktenlage zu entscheiden. Bei der Anordnung der Ersatzzwanghaft handele es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der die Verhältnismäßigkeit zu wahren sei, da es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) gewährleistete Freiheit der Person handele. Für die Durchsetzung des Begehrens der Antragstellerin bestehe ein öffentlich-rechtliches Interesse; die Betriebsprüfung diene der rechtzeitigen und vollständigen Erhebung von Einnahmen, zu denen die Versicherungsträger verpflichtet seien. Die Antragsgegnerin habe hingegen keinen plausiblen Grund für ihre fehlende Mitwirkung dargetan. Über die Festsetzung der Dauer der Ersatzzwangshaft sei nach freiem richterlichen Ermessen zu entscheiden. Eine Ersatzzwangshaft von fünf Tagen sei erforderlich und (zunächst) ausreichend. Am 25. März 2015 erließ das SG gegen die Antragsgegnerin Haftbefehl.

Der Beschluss des SG vom 17. März 2015 wurde der Antragsgegnerin am 19. März 2015 zugestellt. Am 26. März 2015 hat sich die Antragsgegnerin an das SG gewandt und gebeten, die Zwangshaft zurückzuziehen. Grund für ihr Verhalten sei, dass sie seit 2012 in psychologischer Behandlung sei. Sie leide an einer Depression, die mit Antriebslosigkeit und massiven Gedächtnisproblemen verbunden sei. Sie werde bis zum 7. April 2015 ein Attest nachreichen und die angeforderten Unterlagen der Antragstellerin bis zum 30. April 2015 vorlegen.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 17. März 2015 aufzuheben.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin verweist darauf, dass eine ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsprüfung nicht möglich sei. Die Antragsgegnerin habe die notwendigen Unterlagen immer noch nicht vorgelegt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten des Senats und des SG sowie die beigezogenen Akten der Antragstellerin Bezug genommen.

II.

1. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 24. März 2015 ist als Beschwerde gegen die Anordnung der Zwangshaft durch das SG und damit gegen dessen Beschluss vom 17. März 201...

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