StVG § 7 § 17 § 18; StVO § 12; Zeichen 286

Leitsatz

1. Parkt ein Fahrzeugführer unerlaubt im eingeschränkten Halteverbot und verlässt er das Fahrzeug für unbestimmte Zeit, so handelt er schuldhaft und muss sich bei einer Kollision mit dem so abgestellten Pkw ein Mitverschulden gem. § 17 Abs. 1 S. 2 StVG, § 254 BGB anrechnen lassen.

2. Verursacht ein Motorradfahrer an einem im eingeschränkten Halteverbot verkehrswidrig parkenden Fahrzeug bei der Vorbeifahrt einen Streifschaden, so haftet der Motorradfahrer nur zu 75 %, der das Fahrzeug verkehrswidrig parkende Fahrzeugführer aus eigenem Verschulden und der Betriebsgefahr zu 25 %.

(Leitsätze des Einsenders)

AG Frankfurt am Main, Urt. v. 8.5.2015 – 32 C 4486/14 (22)

Sachverhalt

Der Fahrer des Kfz des Kl. stellte dessen Fahrzeug im eingeschränkten Halteverbot, das nach dem angebrachten Zeichen 286 für die Zeit von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr galt, ab. In Fahrtrichtung des Fahrzeuges des Kl. standen den Verkehrsteilnehmern zwei Fahrspuren zur Verfügung. Ein Fahrschüler befuhr mit dem bei der Bekl. haftpflichtversicherten Motorrad die Straße und streifte das abgestellte Fahrzeug des Kl. Die Bekl. zahlte unter Anrechnung der Betriebsgefahr 75 % des Schadens des Kl. Mit der Klage macht der Kl. den rechnerisch noch offenstehenden Schadensersatzbetrag geltend. Er meint, dass seine etwaige Mithaftung zurücktreten müsse, da aufgrund der örtlichen Verhältnisse der Motorradfahrer ausreichenden Platz zur Vorbeifahrt an dem Fahrzeug des Kl. gehabt habe. Die Bekl. meint, den Kl. treffe die Mitverantwortung an dem Unfall, da der Pkw verkehrswidrig geparkt gewesen sei.

Das AG wies die Klage zurück.

2 Aus den Gründen:

" … Die zulässige Klage ist unbegründet."

Der Kl. hat gegen die Bekl. keinen Anspruch auf weiteren Schadensersatz gem. §§ 7, 17, 18 StVG, § 115 VVG, § 398 BGB. Der nach den vorgenannten Vorschriften bestehende Anspruch des Kl. wurde seitens der Bekl. mit der vorgerichtlichen Zahlung i.H.v. 1.937,93 EUR erfüllt (§ 362 BGB). Denn unter Berücksichtigung sämtlicher gem. § 17 Abs. 1, 2 StVG relevanter Umstände des Verkehrsunfalls, insb. der Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs und des Parkverbotsverstoßes des Führers des Klägerfahrzeugs haften die Bekl. dem Kl. jedenfalls nicht zu mehr als 75 % für den entstandenen Schaden.

Dem Kl. ist eine Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs anzurechnen. Ein vorübergehendes Abstellen des Fahrzeugs unterbricht den Betrieb des Fahrzeugs i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG nicht (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, § 7 StVO Rn 10 m.w.N.). Das eingeschränkte Halteverbot mit Zeichen 286 erlaubt das Halten am Fahrbahnrand auf der Fahrbahn zum Ein- und Aussteigen oder zum Be- und Entladen. Soweit kurze Fahrunterbrechungen außerhalb des Wirkungsbereichs des Zeichens 286 mehr als 3 Minuten dauern oder mit einem Verlassen des Fahrzeugs verbunden sind, sind sie als Parken anzusehen (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, § 12 StVO Rn 35),

Vorliegend ist unstreitig, dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeuges dieses im Bereich des Zeichens 286 abgestellt und aus nicht verkehrsbedingten Gründen für eine gewisse Dauer verlassen hat, so dass nicht mehr von einem Halten, sondern von einem unerlaubten Parken des Fahrzeugs auszugehen ist.

Durch das vorschriftswidrige Abstellen des Fahrzeugs an einer nicht für das Parken, sondern für den fließenden Verkehr vorgesehenen Stelle, wird das Fahrzeug zum Hindernis für den fließenden Verkehr, mit welchem Kraftfahrzeugführer an dieser Stelle nicht zu rechnen brauchen. Es entstand dadurch eine für den Kraftfahrzeugverkehr typische Gefahrensituation. Das Parken an einer Stelle, an der das Parken untersagt ist, stellt ein schuldhaftes Verhalten des Fahrzeugführers dar, welches sich der Kl. gem. § 7 Abs. 1 S. 2 StVG, § 254 BGB zurechnen lassen muss.

Die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs und das Verschulden des Fahrzeugführers treten nicht vollständig hinter einem etwaigen Verschulden der Beklagtenseite und der Betriebsgefahr des Motorrades zurück. Eine Haftungsquote der Beklagtenseite von mehr als 75 % hält das Gericht deshalb nicht für angemessen.

Es war daher wie erkannt zu entscheiden.“

Mitgeteilt von RA Andreas Krämer, Frankfurt am Main

3 Anmerkung:

1. Das verkehrsbehindernde Parken vor Grundstücksausfahrten oder Baustellenzufahrten sowie im Schienenbereich – auf schmalen Fahrbahnen auch ihnen gegenüber – kann zu Vermögensschäden durch den notwendigen Einsatz von Ersatzfahrzeugen zur Wahrnehmung von Terminen führen, wobei neben der darin liegenden Verletzung des Eigentums auch § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO als verletztes Schutzgesetz in Betracht kommt (vgl. Dörner, DAR 1979, 11; OLG Nürnberg NJW 1974, 1145; OLG Karlsruhe NJW 1977, 1926; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 12 StVO Rn 29 und 37; Grüneberg, NJW 1992, 945, 946).

2. Das verbotene Abstellen eines Kfz im Halte- oder Parkverbot kann vorwiegend bei Streifkollisionen mit abbiegenden Fahrzeugen – aber auch bei Sichtbehinderung auf die bevorrechtigte Straße, in die eingebogen werden soll, oder bei Verdeckung von Verkehrsschilder...

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