Regress des Kfz-Haftpflichtversicherers auch nach Einstellung des Strafverfahrens wegen Unfallflucht?

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Bei Strafverfahren wegen eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort handelt es sich um ein tagtägliches Massenverkehrsdelikt. Die Chancen des Strafverteidigers, ein solches Vergehen für seinen Mandanten zur Einstellung zu bringen, sind recht gut. Angesichts der hohen Anzahl der Verfahren kann die Staatsanwaltschaft, um funktionsfähig zu bleiben, nicht jeden Fall zur Anklage bringen. Oftmals wird nicht bedacht, dass auch bei Verfahrenseinstellungen im Strafprozess ein kostenintensiver "Rattenschwanz" droht. Eines der Nachspiele besteht darin, dass Kfz-Haftpflichtversicherer den Regress wegen der Schadensersatzleistungen betreiben, die sie aufgrund des Verkehrsunfalls an den Geschädigten geleistet haben. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Vorgehensweisen der Versicherer und der zivilrechtlichen Verteidigungsmöglichkeiten hiergegen.

A. Verfahrenseinstellungsarten im Strafverfahren

Zunächst werden nach einem unerlaubten Entfernen vom Unfallort Ermittlungen gegen den Fahrzeugführer eingeleitet. Anfangs steht – wenn überhaupt – nur das etwa vom Zeugen abgelesene amtliche Kennzeichen des unfallflüchtigen Fahrzeugs fest. Die Polizei begibt sich darauf meist unverzüglich zur Halteranschrift und versucht den Fahrzeugführer zum Tatzeitpunkt zu ermitteln. Dort kann meist zumindest ermittelt werden, wer das Fahrzeug regelmäßig benutzt. Der Beschuldigte wird von der zuständigen Polizeiinspektion vorgeladen oder schriftlich zum Tatvorwurf befragt. Hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen abgeschlossen, entscheidet sie über den weiteren Gang des Verfahrens. Steht im Strafverfahren nicht fest, dass sich der Beschuldigte unerlaubt vom Unfallort entfernt hat, wird das Strafverfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Oftmals fehlt es an einer vorsätzlichen Begehungsweise. Dem Beschuldigten ist häufig nicht nachzuweisen, dass er die Kollision akustisch, visuell oder taktil wahrgenommen hat.

Eine weitere Einstellungsform ist die Verfahrensbeendigung gem. § 153 StPO wegen Geringfügigkeit. Voraussetzung für die Einstellung ist, dass die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Nach dieser Vorschrift erfolgen Verfahrenseinstellungen, wenn etwa der angerichtete Schaden verhältnismäßig gering war, keine Vorstrafen vorhanden sind oder eine Schadenswiedergutmachung betrieben wurde.

Praxisrelevant ist die Einstellung des Verfahrens gem. § 153a StPO aus Opportunitätsgrundsätzen gegen Zahlung einer Geldauflage. Bei dieser Verfahrenserledigung gilt weiterhin die Unschuldsvermutung gem. Art. 6 Abs. 2 EMRK. Es wird aus verfahrensökonomischen Erwägungen heraus offen gelassen, ob ein tatbestandsmäßiges Verhalten vorliegt. Voraussetzung ist nur, dass die Zahlung einer Geldauflage geeignet ist, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht.[1] In der Höhe der Geldauflage können sich der Grad der Pflichtverletzung und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten widerspiegeln. Das Strafverfahren wird zunächst vorläufig eingestellt, nach Eingang der Geldauflage erfolgt dann die endgültige Verfahrenseinstellung. Auch nach Anklageerhebung und noch in der strafrechtlichen Hauptverhandlung können die Strafverfahren nach Opportunitätsgrundsätzen eingestellt werden (§§ 153 Abs. 2, 153a Abs. 2 StPO). Beim Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit gem. § 153a Abs. 2 StPO ist nach Anklageerhebung die Zustimmung auch des Angeschuldigten erforderlich.

[1] Fromm/Schmidtke, NZV 2007, 552.

B. Praxis der Rückforderungen der Versicherer

Das Interesse der Kfz-Haftpflichtversicherer (VR), beim Versicherungsnehmer (VN) zu regressieren, ist groß. In der Regel unternehmen sie konsequent den Versuch, den geleisteten Schadensersatz zurückzufordern. Die Versicherer fordern in der Praxis die Strafakte bei der Staatsanwaltschaft an und bejahen Erfolgsaussichten für die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen, jedenfalls bei einer Einstellung des Strafverfahrens gem. § 153 oder § 153a StPO sehen viele Versicherer in der Einwilligung zur Einstellung gegen Geldauflage eine Art "Geständnis". Bei einer strafrechtlichen Verurteilung wegen § 142 StGB sehen sie in einem Regressprozess – zu Unrecht – einen "Selbstläufer".

C. Leistungspflicht gegenüber Dritten

Der Geschädigte hat bei einem erlittenen Sach- oder Personenschaden nach einem Verkehrsunfall einen Schadensersatzanspruch gegen den Fahrzeughalter, Fahrzeugführer und den Kfz-Haftpflichtversicherer des Fahrzeughalters gem. §§ 7, 18 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 VVG, § 823 Abs. 1 BGB. Auch wenn sich dem Verkehrsunfall ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort anschloss und damit eine Obliegenheitsverletzung, besteht im Außenverhältnis eine Leistungspflicht des VR gegenüber dem Dritten gem. § 117 Abs. 1 VVG. Im Innenverhältnis gegenüber dem VN wird der VR von der Leistungspflicht befreit, gleichwohl muss er im Außenverhältnis die Ansprüche des Geschädigten befriedigen. Die Leistu...

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