OWiG § 77; StPO § 244

Leitsatz

Auch mit dem positiv formulierten Beweisbegehren auf Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens "zum Beweis der Tatsache, dass es sich bei dem Fahrer zur Tatzeit um eine andere Person als den Betr. handelt", wird allenfalls das von der Beweiserhebung erhoffte Beweisziel "unter Beweis" gestellt. Dies genügt regelmäßig nicht den für einen förmlichen Beweisantrag notwendigen Anforderungen an eine hinreichend bestimmte Beweisbehauptung.

BayObLG München, Beschl. v. 28.5.2019 – 201 ObOWi 758/19

Sachverhalt

Das BayObLG hat den Antrag des Betr., gegen das Urteil des AG die Rechtsbeschwerde zuzulassen, als unbegründet verworfen.

2 Aus den Gründen:

"I. Mit dem angefochtenen Urteil ist gegen den Betr. eine Geldbuße von 70 EUR festgesetzt worden. Nach § 80 Abs. 1 und 2 Nr. 1 OWiG darf daher die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Die zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 30.4.2019 abgegebene Stellungnahme des Verteidigers des Betr. lag dem Senat vor."

Außerhalb der durch das Rechtsmittel veranlassten Sachprüfung bemerkt der Senat ergänzend: Soweit die Verletzung des Beweisantragsrechts bzw. insoweit die Versagung rechtlichen Gehörs beanstandet wird, ist die Rüge unbeschadet ihrer am Maßstab der §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. 344 Abs. 2 S. 2 StPO zu messenden zulässigen Erhebung unbegründet. Denn auch mit dem positiv formulierten Beweisbegehren auf Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens “zum Beweis der Tatsache, dass es sich bei dem Fahrer zur Tatzeit um eine andere Person als den Betr. […] handelt', wird allenfalls das von der Beweiserhebung erhoffte Beweisziel “unter Beweis' gestellt. Dies genügt regelmäßig nicht den für einen förmlichen Beweisantrag notwendigen Anforderungen an eine hinreichend bestimmte Beweisbehauptung. Zwar ergibt sich aus dem Beweisbegehren die Minimalbehauptung, dass mit der Beweiserhebung unter Beweis gestellt werden soll, dass nicht der Betr., sondern eben “eine andere Person' zur Tatzeit verantwortlicher Führer des Tatfahrzeugs gewesen ist. Diesen Schluss hätte und hat indes gerade nicht der beantragte (anthropologische) Sachverständige, sondern allein das Gericht auf der Grundlage der erhobenen Beweise zu ziehen. Es fehlen aber insoweit jegliche Angaben entweder dazu, welche bestimmte (“verwechselungsgeeignete') Person anstelle des Betr. das Fahrzeug zur Tatzeit geführt hat bzw. auf dem Beweisfoto abgebildet ist, oder aber wenigstens dazu, welche bestimmten morphologischen oder sonstigen Merkmale des Erscheinungsbilds, die eine Identität des Betr. mit der auf dem Messfoto abgebildeten Person ausschließen, durch das beantragte Gutachten ermittelt werden sollen (vgl. neben BGH, Beschl. v. 24.1.2017 – 2 StR 509/16 = NStZ 2017, 300 u.a. auch OLG Hamm, Beschl. v. 15.9.2009 – 3 Ss OWi 689/09 und 17.2.2009 – 4 Ss OWi 86/09 [jeweils bei juris] sowie OLG Bamberg, Beschl. v. 17.3.2017 – 3 Ss OWi 264/17 = StraFo 2017, 156).

II. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.“

3 Anmerkung:

Vor einiger Zeit hatte sich bereits das OLG Karlsruhe zum Antrag auf Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens geäußert, wobei es in dessen Entscheidung ohnehin um eine unzureichende Tatsachenbehauptung ("nicht der Fahrer") ging (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.12.2017 – 2 Rb 8 Ss 748/17), was auch das OLG Bamberg in seiner Entscheidung so festgehalten hatte (OLG Bamberg, Beschl. v. 17.3.2017 – 3 Ss OWi 264/17). Nun stellt die jetzige Entscheidung in vorbildlicher Weise und in knappen Worten klar, worauf sich die Tatgerichte bei der Ablehnung solcher Anträge stützen können: Es muss eine konkrete andere Person benannt werden oder wenigstens die konkreten morphologischen Merkmale, die eine Identität des Betr. ausschließen. Im ersten Fall könnte das Gericht auch einfach die benannte Person laden und bräuchte gar kein Gutachten, dessen Belastbarkeit durch die jüngere OLG-Rechtsprechung ohnehin fraglich ist (vgl. OLG Zweibrücken NZV 2018, 177 m. krit. Anm. Sandherr). Im letzteren Fall wäre der Betr. zumindest angehalten, sich konkret zu den Merkmalen zu positionieren, was ohne (privatsachverständige) Hilfe kaum möglich ist, um der Terminologie gerecht zu werden.

RiAG Dr. Benjamin Krenberger

zfs 10/2019, S. 587 - 588

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