Im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens (Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgelds gemäß § 888 ZPO) hatte das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. zu den Anforderungen an den persönlichen Austausch zwischen dem Notar und dem bzw. den Erben bei der Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu entscheiden. Die zutreffende Entscheidung des Senats hat über die aktuelle Pandemie hinaus Bedeutung. Sie enthält zwei – rechtlich zutreffende – Aussagen, die dem Notar die Gestaltung des Verfahrens zur Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses erleichtern und so zur Rechtsklarheit beitragen.

1. Es muss bei der Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses in aller Regel eine persönliche Belehrung und Befragung des bzw. der Erben durch den Notar erfolgen.

Der Notar verwirklicht bei der Errichtung eines Nachlassverzeichnisses die Erbrechtsgarantie des Grundgesetzes des Art. 14 GG (BVerfG, Beschl. v. 25.4.2016, 1 BvR 2423/14 –, juris). Das notarielle Nachlassverzeichnis muss daher eine höhere Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft über den Nachlass bieten als die privatschriftliche Auskunft des Erben. Nur dann wird die Erbrechtsgarantie wirksam gewährleistet. Die Ermittlung des Nachlasses durch eine amtliche, objektive Stelle soll dem Schutz des pflichtteilsberechtigten Nichterben vor Verkürzung seines Anspruchs dienen (BGH, Urt. v. 20.5.2020 – IV ZR 193/19, juris, NJW 2020, 2187 m. Anm. Schönenberg-Wessel; BGH, Beschl. v. 13.9.2018 – I ZB 103/17, juris; OLG Koblenz, Beschl. v. 18.3.2014 – 2 W 495/13, juris; Schönenberg-Wessel, Nachlassverzeichnis-HdB, § 1 Rn 3).

Die besondere Qualität des notariellen Nachlassverzeichnisses ergibt sich aus dem unmittelbaren Dialog zwischen dem bzw. den Erben und dem Notar und den damit verbundenen Aufklärungen und Belehrungen durch den Notar. Der Notar soll den Erben in einem persönlichen Austausch eindringlich und unmittelbar über seine Wahrheitspflicht belehren (vgl. Schönenberg-Wessel, Nachlassverzeichnis-HdB, § 31 Rn 1). Der Notar wird von der persönlichen Befragung und Belehrung der bzw. des Erben nur dann absehen können, wenn der bzw. die Erben insbesondere aufgrund ihres Alters oder ihrer gesundheitlichen Situation nicht mehr in der Lage sind die notwendigen Auskünfte zu erteilen (BGH, Beschl. v. 13.9.2018 – I ZB 103/17, juris). Äußere Faktoren, wie etwa die aktuelle Corona Pandemie sind dagegen nicht geeignet, um von dem persönlichen Austausch abzusehen.

2. Der unmittelbare Austausch zwischen dem bzw. den Erben und dem Notar muss nicht notwendigerweise durch einen Besprechungstermin in den Räumen des Notars erfolgen.

Der Senat weist zurecht daraufhin, dass auch eine schriftliche oder fernmündliche Korrespondenz geeignet sein können, um den Sinn und Zweck der persönlichen Anhörung durch den Notar zu erfüllen. Der Senat lässt in seiner Aufzählung (vermutlich unbeabsichtigt) außer Acht, dass auch die Anhörung bzw. Befragung des Erben mittels Videokonferenz hätte erfolgen können. Der Notar hat in diesem Fall darauf zu achten, dass er eine Videokonferenzsoftware verwendet, die sowohl den Anforderungen an die Dienstordnung als auch die DSGVO gerecht wird (z.B. https://bravis.eu/bravislaw/). Der große Vorteil einer sicheren Videokonferenz besteht darin, dass es zu einem unmittelbaren und persönlichen Austausch zwischen dem bzw. den Erben und dem Notar käme, ohne dass die Beteiligten gleichzeitig physisch am selben Ort sein müssten. Der Notar hätte die Möglichkeit den pflichtteilsberechtigten Nichterben zur Videokonferenz einzuladen und so dessen Recht auf Hinzuziehung gemäß § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB Genüge zu tun. Der Videokonferenz wäre in jedem Fall der Vorzug vor der schriftlichen Befragung durch den Notar zu geben, da hierdurch ein tatsächlicher Dialog erfolgen kann.

von Ulf Schönenberg-Wessel, Rechtsanwalt, Notar u. Fachanwalt für Erbrecht, Kiel

ZErb 10/2020, S. 361 - 362

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