Schon seit ca. 35 Jahren hat sich im Bereich der Rechtspraxis und der Rechtswissenschaft ein erhebliches Bemühen um eine außergerichtliche und konsensuale Streitbeilegung entwickelt (grundlegend im Verhältnis zum staatlichen Prozess Prütting JZ 1985, 261). Zunächst standen dabei Schlichtungs- und Gütestellen im Mittelpunkt der Entwicklungen. Ab 1995 hat sich der Gedanke der Mediation ausgebreitet und eine bemerkenswerte Entwicklung vollzogen, seit dieser Name – als Eindeutschung des englischen Begriffs mediation“ – Anfang der 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts aus den USA zu uns kam. Vor allem der Habilitationsschrift von Stephan Breidenbach (Mediation, 1995, S. 1 ff., 114 ff.) ist es sehr wesentlich zu verdanken, dass die Ideen der Mediation im deutschsprachigen Raum Fuß gefasst haben. Eine weitere Initialzündung war der erste große Kongress zum Thema Mediation für Juristen – Konfliktbeilegung ohne gerichtliche Entscheidung“, den das Kölner Institut für Anwaltsrecht unter der Federführung von Martin Henssler in Zusammenarbeit mit Stephan Breidenbach im Jahre 1996 veranstaltet hat (vgl. Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, 1997). Die damalige Teilnehmerzahl von weit über 300 Personen aus allen Bereichen von Praxis und Theorie ließ erstmals erkennen, dass die Idee der Mediation einen Nerv der Zeit getroffen hatte. Allerdings war auch damals schon versucht worden, Zusammenhänge und Problempunkte zwischen Staatlichem Verfahrensrecht und Mediation“ näher darzulegen und kritisch zu beleuchten (Prütting, in: Breidenbach/Henssler, a.a.O., S. 57; Prütting ZKM 2006, 100).

Seither hat es eine stürmische Entwicklung des Mediationsgedankens gegeben: So ist in allen Rechtsbereichen die Anwendung mediativer Elemente und Techniken erprobt und diskutiert worden. Es haben sich unter dem Dach des Deutschen Forums für Mediation (DFfM) verschiedene Verbände, Arbeitsgemeinschaften und sonstige Zusammenschlüsse organisiert, darunter die Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familienmediation (BAFM), der Bundesverband Mediation (BM) und der Bundesverband Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt (BMWA), ferner die Arbeitsgemeinschaft Mediation im DAV und die Centrale für Mediation. Auf dem Juristentag in Erfurt war im September 2008 Mediation ein zentrales Thema. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat das Hamburger Max-Planck-Institut mit einem groß angelegten rechtsvergleichenden Gutachten zur Mediation beauftragt, das im Jahre 2008 vorgelegt wurde (Hopt/Steffek, Mediation, 2008).

Mit der Richtlinie 2008/52/EG haben Parlament und Rat der EU bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen beschlossen; die Richtlinie ist am 13.6.2008 in Kraft getreten. Mit ihr wurde erstmals grenzüberschreitend den Mitgliedstaaten aufgegeben, Teilbereiche der Mediation an einigen zentralen Schnittstellen zwischen Gerichtsbarkeit und Mediationsverfahren zu regeln. In Umsetzung dieser Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber am 21.7.2012 das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung (BGBl I, S. 1577) erlassen, das am 26.7.2012 in Kraft getreten ist, und dessen Art. 1 das neue Mediationsgesetz ist. Ferner enthält das Gesetz in Art. 2–8 Regelungen zu den einzelnen Verfahrensgesetzen, insbesondere zur ZPO.

 

Hinweis:

Die bisherigen Entwicklungen und die vielfältigen aktuellen Diskussionen haben gezeigt, dass die Mediation in der deutschen Rechtspraxis und der Rechtskultur angekommen ist. Heute sind Mediation und viele andere Formen konsensualer Streitbeilegung feste Bestandteile der mitteleuropäischen Rechtskultur.

Die Einsicht hat sich durchgesetzt, dass eine wirksame Streiterledigung nicht nur durch autoritative Streitentscheidung erfolgen muss, sondern dass eine autonom verhandelte Lösung der Parteien, die mit Unterstützung eines Dritten erzielt wird, ebenso effektiv und zukunftsweisend sein kann. Selbst das BVerfG hat im Jahre 2007 die Feststellung getroffen, ein zunächst streitiges Problem durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, sei auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung (BVerfG, Beschl. v. 14.2.2007, ZKM 2007, 128).

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