Rz. 61

Der Gesamtschuldnerausgleich zwischen den Ehegatten wird vom Zugewinnausgleich keinesfalls verdrängt, er ist vielmehr eine Art "Vorstufe" vor der Durchführung des Zugewinnausgleichs.[86] Dies ist auch unabhängig davon, ob die gemeinsame Schuld bei der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens schon von einem der Ehegatten getilgt worden ist oder nicht.

Aus diesem Grunde können die beiden diesbezüglichen Verfahren theoretisch sogar parallel laufen. Damit dadurch keine widersprüchlichen Entscheidungen getroffen werden, ist es erforderlich, bis zum Abschluss des einen Verfahrens das andere auszusetzen.

 

Rz. 62

Die Ausgleichs- und Erstattungsansprüche gehören zu den gegenseitigen Ansprüchen und sind, sofern sie zum Stichtag für den Zugewinnausgleich bereits entstanden sind und einer der Ehegatten die Gesamtschuld bereits getilgt hat, beim Gläubiger als Aktiv- und beim Schuldner als Passivposten in die Zugewinnausgleichsbilanz einzustellen. Ist die Gesamtschuld zum Stichtag noch nicht getilgt, so muss im Endvermögen beider Ehegatten die volle noch bestehende Gesamtschuld als Passivposten eingestellt werden.[87] Der jeweilige Ausgleichsanspruch gegen den anderen Ehegatten ist bei beiden als Aktivposten einzustellen, da er schon vor der Tilgung in Form eines Befreiungsanspruchs besteht. Ist jedoch der interne Ausgleichsanspruch für den einen Ehegatten mangels Liquidität des anderen wertlos, so ist er als wirtschaftlich wertloser Anspruch nicht zu berücksichtigen.[88]

Geht ein Ehegatte vor Eheschließung zur Finanzierung des Erwerbs einer Immobilie durch den anderen Ehegatten neben diesem eine gesamtschuldnerische Darlehensverpflichtung ein, so ist bei Bewertung der Verbindlichkeit auch im Anfangsvermögen im Zweifel davon auszugehen, dass diese im Innenverhältnis allein vom Eigentümer des Grundstücks zu tragen ist. Im Anfangs- und Endvermögen des Eigentümers sind in diesem Fall zum jeweiligen Stichtag einheitlich der Grundstückswert als Aktivposten und die volle noch offene Darlehensvaluta als Passivposten einzustellen.[89]

 

Rz. 63

Zu beachten ist, dass der im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs ausgleichspflichtige Ehegatte kein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich des im Scheidungsverbund geltend gemachten Zugewinnausgleichs hat, weil dieser Gegenanspruch noch nicht entstanden und fällig (fällig ist die Forderung erst mit Rechtskraft der Ehescheidung) ist.[90]

 

Rz. 64

Darüber hinaus ist wichtig, dass eine doppelte Berücksichtigung der Gesamtschuld beim Zugewinnausgleich und beim Unterhalt nicht stattfinden darf. Die einzelnen Themenkomplexe dürfen daher keinesfalls gesondert betrachtet werden, es muss vielmehr eine Gesamtschau der Auswirkungen der Schulden in allen Bereichen vorgenommen werden, damit gerechte Ergebnisse gefunden werden.[91]

[86] OLG Düsseldorf, Urteil v. 14.8.1998, 7 U 222/96, FamRZ 1999, 228, 230.
[87] Wever, FamRZ 2011, 413, 418.
[88] Wever, FamRZ 2011, 413, 418.
[90] OLG Düsseldorf, Urteil v. 14.8.1998, 7 U 222/96, FamRZ 1999, 228, 230.
[91] Vgl. im Einzelnen die wirtschaftlichen Auswirkungen bei Wever, Vermögensauseinandersetzung außerhalb des Güterrechts, 8. Aufl., 2023, Bielefeld, Rn. 455 ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge