Leitsatz

Die unwirksame Zustellung des Mahnbescheids hindert den Eintritt der Verjährungshemmung nicht, wenn der Anspruchsinhaber für die wirksame Zustellung alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, der Anspruchsgegner in unverjährter Zeit von dem Erlass des Mahnbescheids und seinem Inhalt Kenntnis erlangt und die Wirksamkeit der Zustellung ebenfalls in unverjährter Zeit in einem Rechtsstreit geprüft wird.

(amtlicher Leitsatz des BGH)

 

Normenkette

BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3

 

Kommentar

Der Gläubiger hat gegen den Schuldner eine Forderung, die am 31.12.2006 verjährt. Diese Forderung macht er mit einem Mahnbescheid geltend, der dem Schuldner am 18.4.2006 durch Einwurf in den Briefkasten zugestellt wird. Der Schuldner war allerdings bereits im November 2005 umgezogen; er hatte sich zwar ordnungsgemäß umgemeldet, sein Namensschild am Briefkasten aber nicht entfernt. Der Vollstreckungsbescheid wird in derselben Weise zugestellt.

Im Juli 2006 erfährt der Schuldner vom Gerichtsvollzieher, dass gegen ihn ein Vollstreckungsbescheid vorliegt. Der Schuldner hat daraufhin Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Einspruchsfrist beantragt. Diese wurde ihm am 11.7.2007 gewährt. In der Folgezeit hat das Landgericht den Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Klageabweisung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Anspruch mittlerweile verjährt sei. Der Mahnbescheid sei nicht wirksam zugestellt worden; die Anspruchsbegründung sei erst nach Eintritt der Verjährung erfolgt.

Der BGH ist anderer Ansicht: Die Verjährung wird unter anderem durch "die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren" gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Dies gilt allerdings nur, wenn die Zustellung wirksam ist. Beim Einwurf eines Mahnbescheids in den Briefkasten setzt eine formell wirksame Zustellung nach § 180 ZPO voraus, dass der Briefkasten zur Wohnung des Zustellungsadressaten gehört (BGH, Urteil v. 14.9.2004, XI ZR 248/03, WuM 2004 S. 676). Daran fehlt es, wenn der Adressat die Wohnung aufgegeben hat.

Nach Ansicht des BGH tritt die Hemmung der Verjährung auch im Fall einer formell unwirksamen Zustellung ein, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:

  • Der Anspruchsinhaber hat für die wirksame Zustellung alles aus seiner Sicht Erforderliche getan.
  • Der Anspruchsgegner hat in unverjährter Zeit von dem Erlass des Mahnbescheids und seinem Inhalt Kenntnis erlangt.
  • Die Wirksamkeit der Zustellung wurde in unverjährter Zeit in einem Rechtsstreit geprüft.

Diese Voraussetzungen waren gegeben.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 26.2.2010, V ZR 98/09, GE 2010 S. 616

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