Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. objektivierte Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Maßnahme zur Erhaltung der Gesundheit. Infektionsschutz. COVID-19-Impfung. keine arbeitsvertragliche Pflicht. Förderung der Impfung durch den Arbeitgeber: Bescheinigung über eine Impfpriorisierung oder Arbeitszeitgutschrift. Sozialarbeiterin in einem Jugendamt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kommt es zu Impfunregelmäßigkeiten nach einer COVID-19-Impfung, liegt im Regelfall kein Arbeitsunfall vor. Denn Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit gehören grundsätzlich zum unversicherten persönlichen Lebensbereich (vgl BSG vom 31.1.1974 - 2 RU 277/73 = SozR 2200 § 548 Nr 2). Eine COVID-19-Impfung weist nicht schon dann einen sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit auf, weil der Beschäftigte damit (auch) Infektionen und Erkrankungen am Arbeitsplatz vermeiden will.

2. Die Priorisierung nach der CoronaImpfV wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe dient der sachgerechten Zuteilung nur eingeschränkt vorhandener Impfmöglichkeiten und begründet kein unternehmensbezogenes Recht.

3. Nur weil der Unternehmer Impfungen durch Informationen, Bescheinigungen über eine Impfpriorisierung oder Arbeitszeitgutschriften fördert, darf ein Beschäftigter nicht davon ausgehen, er komme mit der Impfung einer vermeintlichen Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis nach.

4. Denkbar ist ein sachlicher Zusammenhang, wenn der Beschäftigte mit der Impfung einer gesetzlichen, an eine bestimmte berufliche Tätigkeit anknüpfenden Impfpflicht nachkommt (für die Pflicht zur COVID-19-Impfung offengelassen).

5. Es kann offengelassen werden, ob eine COVID-19-Impfung geeignet ist, Langzeitfolgen ähnlich einer Enzephalitis (Gehirnentzündung) oder einem Chronic-Fatigue-Syndrom zu verursachen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Arbeitsunfalles wegen Gesundheitsschäden nach einer Impfung gegen das Corona-Virus SARS-CoV 2 (nachfolgend: Covid-19-Virus).

Die am … geborene Klägerin ist als Sozialarbeiterin beim Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) des Sozial- und Jugendamtes der Stadt K. angestellt. Am 27. März 2021 wurde die Klägerin im Kreisimpfzentrum in T. mit dem Impfstoff des Pharmaunternehmens AstraZeneca geimpft. Nach Angaben der Klägerin verspürte sie etwa eine Woche nach der Impfung starke Kopfschmerzen. Am 9. April 2021 stellte sich die Klägerin mit Gedächtnisverlust, Verwirrtheit und Desorientierung in der Notaufnahme des Klinikums K. vor. Sie wurde stationär aufgenommen und bis 23. April 2021 behandelt. Der Entlassungsbericht nennt als Diagnosen einen Verdacht auf eine virale Meningoenzephalitis, differenzialdiagnostisch eine Autoimmunencephalitis im Sinne einer limbischen Encephalitis, differenzialdiagnostisch eine Begleitmeningits nach Sars-CoV-2-lmpfung mit AstraZeneca, weiterhin eine Anpassungsstörung im Rahmen der Hauptdiagnose sowie eine akute Nierenschädigung im Rahmen einer Aciclovir-Therapie. Mit vergleichbaren Diagnosen wurde vom 23. April bis 27. Mai 2021 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in den Kliniken Sch., A., durchgeführt. Die Klägerin ist seitdem arbeitsunfähig krank.

Bereits im Vorfeld der Rehabilitationsmaßnahme hatte sich die Klägerin telefonisch an die Beklagte gewandt und einen Arbeitsunfall geltend gemacht. In ihrer schriftlichen Unfallanzeige vom 23. August 2021 gab die Klägerin an, sie sei berufsbedingt geimpft worden. Als Mitarbeiterin des ASD und somit auch verantwortlich für den Kinderschutz sei sie bei der Covid-19-Impfung priorisiert.

Die Beklagte gewährte zunächst Heilbehandlung und erstattete eine Verdachtsmeldung einer Impfreaktion beim Paul-Ehrlich-Institut.

Der behandelnde Heilpraktiker K. führte in einem Bericht aus, die Klägerin erfülle die Voraussetzungen einer Enzephalomyelitis/eines Chronic-Fatigue-Syndrom. Er könne nicht beurteilen, ob dies durch die Impfung ausgelöst worden sei oder sich die Klägerin in dieser Zeit anderweitig infiziert habe. Es bestehe jedoch eine größere Wahrscheinlichkeit, dass die Beschwerden ursächlich durch die Impfung und einer daraus folgenden Encephalitis ausgelöst worden seien.

Mit Bescheid vom 28. April 2022 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 27. März 2021 als Arbeitsunfall ab. Es lägen keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse auf neurologischem Fachgebiet vor, die einen Zusammenhang der bei der Klägerin bestehenden Enzephalitis mit der Impfung gegen SarsCov-2 hinreichend bestätigten.

Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, es bestünden durchaus wissenschaftliche Erkenntnisse, die einen solchen Zusammenhang wahrscheinlich machten. Im konkreten Fall bestehe ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Impfung und Erkrankung, zumal sie zuvor keinerlei körperliche oder psychische Einschränkungen gehabt habe. Vorgelegt wurde ein Attest de...

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