Nachdem das Betreten des Waldes in § 59 Abs. 2 BNatSchG eine gesetzliche Sonderregelung erfahren hat, bezieht sich das Recht zum Betreten der freien Landschaft auf den Bereich der freien Natur, der nicht als Wald bezeichnet wird. Darunter wird von den Gerichten ihrer Wortbedeutung entsprechend die freie Landschaft als ein tendenziell weitläufiges Areal verstanden, das außerhalb geschlossener Siedlungsgebiete in klassischer Weise "auf dem Land" liegt, also die Flächen außerhalb des Waldes und der bebauten Ortslagen erfasst.[1]

 
Achtung

Sonderfall "Ortsrandlage"

Beim Sonderfall "Ortsrandlage" kommt es nach Meinung des OVG Berlin nicht darauf an, ob die Fläche, um deren Erholungsnutzung es geht, in einem zusammenhängend bebauten Ortsteil im Sinne von § 34 Baugesetzbuch (BauGB) liegt, weil diese bauplanungsrechtliche Abgrenzung zum Außenbereich des § 35 BauGB für den die Erholung in der freien Landschaft betreffenden naturschutzrechtlichen Zusammenhang nicht maßgebend ist. Für das naturschutzrechtliche Betretungsrecht ist nach Auffassung des Gerichts nicht entscheidend, ob und in welcher Weise eine am Ortsrand gelegene Fläche bebaut werden darf, sondern vielmehr, ob diese Fläche einem (baulich) genutzten Bereich zuzurechnen ist.

Die Grenze zwischen den bebauten Ortslagen und der freien Landschaft ist nach Meinung des Gerichts erst dort zu ziehen, wo eine Beeinträchtigung des privaten Wohnbereichs etwa in Form einer Gartenfläche in einer für Erholungssuchende erkennbaren Weise ausgeschlossen ist. Das hat zur Folge, dass die erkennbar private Wohnnutzung eines Grundstücksteils am Ortsrandbereich das naturschutzrechtliche Betretungsrecht ausschließt.[2]

Die freie Landschaft steht den Erholungssuchenden nicht schrankenlos zur Verfügung, sondern darf nach § 59 Abs. 1 BNatSchG nur auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen betreten werden.

[1] So OVG Frankfurt (Oder), Beschluss v. 14.10.2004, 3 a B 255/110, NuR 2005 S. 110; OVG Berlin, Urteil v. 2.4.2009, 11 B 7.08, NuR 2009 S. 417.
[2] So OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 2.4.2009, 11 B 7.08, NuR 2009 S. 417; vgl. auch OVG Münster, Urteil v. 20.12.1990, 20 A 2218/89, NuR 1993 S. 240.

1.3.1 Straßen und Wege

Bei den Straßen und Wegen im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes wie des Waldgesetzes handelt es sich um Privatstraßen und Privatwege, wie etwa Wirtschaftswege, Holzabfuhrwege oder Privatstraßen zur Erschließung von Grundstücken. Dazu zählt auch ein Trampelpfad entlang einem Seeufer, bei dem sich über einen längeren Zeitraum in der Vergangenheit eine Nutzung zu Erholungszwecken herausgebildet hat.[1]

Die dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen und Wege unterliegen bereits Kraft öffentlich-rechtlichem Widmungsakt nach den Straßen- und Wegegesetzen des Bundes und der Länder dem Gemeingebrauch und können unter Beachtung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften von jedermann begangen und befahren werden.

[1] Vgl. OVG Frankfurt (Oder), Beschluss v. 14.10.2004, 3 a B 255/03, NuR 2005 S. 110; siehe auch VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 23.11.2021, 5 S 3374/19.

1.3.2 Ungenutzte Grundflächen

Unter ungenutzten Grundflächen sind auf Dauer oder vorübergehend nicht genutzte Flächen zu verstehen.

 
Praxis-Beispiel

Ungenutzte Grundflächen

Auf Dauer ungenutzt sind etwa Feldraine, Heide-, Moor-, Öd-, Brach- oder Felsflächen. Vorübergehend ungenutzt sind landwirtschaftliche Nutzflächen außerhalb der Nutzzeit, wie etwa ein Stoppelfeld nach der Getreideernte.

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