Leitsatz (amtlich)

In Fällen der Beratungshilfe sind angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 58 Abs. 1 RVG Zahlungen des erstattungspflichtigen Gegners ohne Einschränkung auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen.

 

Normenkette

RVG §§ 9, 58-59; VVRVG Nr. 2500

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 04.11.2010; Aktenzeichen 54 T 44/10)

AG Hannover (Aktenzeichen 813 II 17/10)

AG Hannover (Aktenzeichen 811 II 1319/20)

 

Tenor

Die am 24.11.2010 beim OLG Celle eingegangene weitere Beschwerde der Antragstellerin vom 22.11.2010 gegen den Beschluss der 54. Zivilkammer des LG Hannover vom 4.11.2010 wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin vertrat die Interessen der Frau J. M. in einem Widerspruchsverfahren gegen einen nach dem zweiten Buch des SGB erlassenen Bescheid des JobCenters L. über die Übernahme von Heiz und Betriebskosten. Mit Widerspruchsbescheid vom 3.12.2009 übernahm das JobCenter die Heiz und Betriebskosten teilweise und zahlte an die Antragstellerin und Beschwerdeführerin 5/10 der Wahlanwaltsgebühren (= 154,70 EUR). Nachdem das AG Hannover nachträglich Beratungshilfe für das Widerspruchsverfahren bewilligt hatte, beantragte die Beschwerdeführerin die Festsetzung der vollen gesetzlichen Vergütung für die geleistete Beratungshilfe nach § 44 RVG aus der Landeskasse i.H.v. insgesamt 99,96 EUR. Diesen Antrag wies das AG mit Schreiben vom 25.5.2010 (Bl. 24 d.A.) unter Hinweis darauf zurück, dass die Zahlung des JobCenters in vollem Umfang anzurechnen sei. Die hiergegen eingelegte Erinnerung wies das AG mit Beschluss vom 18.6.2010 zurück und ließ die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zu. Das LG hat die Beschwerde der Antragstellerin mit Beschluss vom 4.11.2010 ebenfalls zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen.

II. Die infolge Zulassung durch das LG gem. § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG i.V.m. § 56 Abs. 2, 55 RVG zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

In Rechtsprechung und Rechtsliteratur ist umstritten, ob in Fällen der Beratungshilfe Zahlungen des erstattungspflichtigen Gegners ohne Einschränkung auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen sind (so OLG Bamberg, Beschl. v. 16.1.2009 - 4 W 171/08, zitiert nach JURIS Rz. 4) oder aber eine Anrechnung in der Weise zu erfolgen hat, dass Zahlungen zuerst auf die Differenz zwischen der Vergütung nach Nr. 2500 ff. VVRVG und einer Vergütung nach Teil 1 und 2 des VVRVG, also auf den Teil anzurechnen sind, für den ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht (so LG Saarbrücken AGS 2009, 290 f. und ihm folgend OLG Saarbrücken, Beschl. v. 24.7.2009 - 5 W 148/09. vgl. ferner Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 58 Rz. 1).

Der Senat schließt sich der zuerst genannten Auffassung an. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung in § 58 Abs. 1 RVG ist eindeutig. Danach werden Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach § 9 RVG von Seiten des kostenerstattungspflichtigen Gegner seines Mandanten erhalten hat, auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung ohne Einschränkung angerechnet. Etwas anderes gilt gem. § 58 Abs. 2 RVG nur in den Fällen, in denen sich die Gebühren des Rechtsanwalts nach Teil 3 des VVRVG bestimmen. Hier erfolgt eine Anrechnung in der Weise, dass Zahlungen des Gegners zunächst auf die Vergütung anzurechnen sind, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht. § 58 Abs. 2 RVG betrifft also nicht Vergütungsansprüche, die sich ausschließlich auf Teil 1 und 2 des VVRVG stützen. Hierzu gehört aber die Gebühren für eine Beratungshilfe gem. Nr. 2500 ff. VVRVG. Angesichts dieser eindeutigen Differenzierung verbietet es sich, die Vorschrift des § 58 Abs. 2 RVG auch auf Fälle des § 58 Abs. 1 RVG zu erstrecken. Ebenfalls nicht einschlägig ist § 59 RVG, denn diese Vorschrift erfasst - worauf die Bezirksrevisorin beim AG Hannover in ihrer Stellungnahme vom 15.6.2010 zutreffend hingewiesen hat - nur den Fall, dass die Landeskasse die Anwaltsvergütung gezahlt hat und damit ein Erstattungsanspruch ggü. dem erstattungspflichtigen Gegner auf die Landeskasse übergegangen ist.

Auch eine analoge Anwendung von § 58 Abs. 2 oder § 59 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 RVG scheidet aus. Zu Recht haben sowohl das AG Hannover im Beschluss vom 18.6.2010 als auch die Bezirksrevisorin in einer weiteren Stellungnahme vom 26.4.2010 darauf hingewiesen, dass an der hierfür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehlt. Ausweislich der Motive zum RVG hat der Gesetzgeber in § 58 Abs. 1 RVG die Regelung aus § 9 Satz 4 BerHG und in § 58 Abs. 2 die Regelung aus § 129 BRAGO übernommen (BT-Drucks. 15/1971, 203). Die nach altem Recht bestehenden unterschiedlichen Anrechnungsvoraussetzungen sind vom Gesetzgeber also bewusst unverändert übernommen worden. Im Übrigen weist das OLG Bamberg in dem oben zitierten Beschluss zu Recht darauf hin, dass die Beratungshilfe dem Rechtsanwalt einer mittellosen Partei nur eine Mindes...

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