Leitsatz

Eine vorrübergehende Vermietung eines 80 m2 großen Sondereigentums an 11 Asylbewerber ist kein störender Gebrauch.

 

Normenkette

§§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG

 

Das Problem

Wohnungseigentümer B vermietet ohne eine Beschränkung der Personenzahl sein 80 m2 großes Sondereigentum an das Landratsamt Traunstein. Dieses bringt dort 11 Asylbewerber unter. Es gibt 2 getrennte Schlafräume mit 12 m² bzw. 18 m², ein Bad, einen offenen Wohnbereich mit Küche nebst Gäste-WC. Gegen diesen Gebrauch geht Wohnungseigentümer K gegen B vor. Er verlangt, dass B sein Sondereigentum nicht mehr als 4 familiär nicht miteinander verbundenen bzw. insgesamt nicht mehr als 6 Personen überlässt. Weiterhin soll B gegenüber dem Landratsamt Traunstein erklären, dass sein Sondereigentum nur zu Wohnzwecken genutzt und mit maximal 4 familiär nicht miteinander verbundenen oder insgesamt mit nicht mehr als 6 Personen belegt werden darf.

 

Die Entscheidung

  1. K habe keinen Anspruch gegen B auf Unterlassung. Es sei zulässig, ein Wohnungseigentum mehreren Asylbewerbern zu vermieten. Etwas könne zwar gelten, wenn Beeinträchtigungen vorliegen oder aufgrund bestimmter Tatsachen für die Zukunft zu befürchten seien, die mehr stören als bei einer "normalen" Vermietung (Hinweis auf BayObLG v. 28.11.1991, 2Z BR 7/94, NJW 1994 S. 1662). So liege es aber nicht. K mache keine Tatsachen glaubhaft, wonach Beeinträchtigungen bereits vorliegen noch diese zu befürchten seien. K mutmaße lediglich, die starke Belegung des Sondereigentums könne dazu führen, dass die Gemeinschaftsflächen gegenüber einer normalen Wohnnutzung zum Beispiel durch Raucher stärker genutzt würden, womöglich auch Personen ihre Notdurft im Freien, auf Gemeinschaftsflächen, verrichten könnten, wenn die Toilette besetzt sei. Derartige bloße Mutmaßungen seien keine Tatsachen.
  2. Die Anzahl der Asylanten könne zwar einen Unterlassungsanspruch begründen. Die Belegung eines Sondereigentums mit Asylanten halte sich aber im zulässigen Rahmen. Zwar sei bereits entschieden worden, es sei ein Richtwert von 2 Personen je Zimmer einzuhalten und für jede mindestens 6 Jahre alte Person müsse eine Wohnfläche von mindestens 10 m² vorhanden sei (BayObLG v. 28.11.1991, 2Z BR 7/94, NJW 1994 S. 1662). Diese Rechtsprechung könne derzeit jedoch nicht mehr herangezogen werden, da die aktuelle Wohnraumsituation dies nicht mehr zulasse.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Auch in Salzburg wurde gegen einen Wohnungseigentümer auf Unterlassung geklagt. In der dortigen Wohnungseigentumsanlage gab es 2 Wohnungseigentumsrechte. K betrieb ein Restaurant. B führte in seinen Räumen zunächst einen Beherbergungsbetrieb, dann verpachtete er sie eine Zeit lang für einen Gastronomiebetrieb und zur Zimmervermietung. In einem Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag wurde als Widmung "Geschäft" angeführt. Am 1. Dezember 2015 vermietete B seine Räume an einen Mieter, der bekundete, darin 40 Asylwerber unterzubringen. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Für eine die Vermietung zur Aufnahme von Flüchtlingen hätte eine "Widmungsänderung" beschlossen werden müssen. Es läge weder ein Geschäft vor noch ein Hotel- und Beherbergungsbetrieb samt Restaurant.
  2. In Deutschland wäre es wohl nicht anders. Überlässt ein Wohnungseigentümer sein Wohnungs- bzw. Sondereigentum (= seine "Eigentumswohnung") auf Zeit Asylanten, Flüchtlingen oder diesen gleichstehenden Personen, wohnen diese dort (AG Laufen v. 4.2.2016, 2 C 565/15 WEG; Elzer/Riecke in PWW, WEG, 11. Aufl. 2016, § 15 Rn. 6; siehe auch § 48 AsylVfG). In einem Teileigentum darf man aber nicht wohnen.

Was ist für den Verwalter wichtig?

  1. Wird nicht ein Wohnungseigentum der Wohnungseigentumsanlage, sondern eine Mietwohnung im Nachbarhaus (oder das ganze Nachbarhaus) für die Zwecke der Unterbringung von Asylanten, Flüchtlingen oder diesen gleichstehenden Personen genutzt und gebraucht, kann ein Wohnungseigentümer nach herrschender Meinung aus eigenem Recht nur als Sondereigentümer Nachbarrechte geltend machen (VG München v. 22.6.2015, M 8 K 14.4864). Dies ist der Fall, wenn eine konkrete Beeinträchtigung seines Sondereigentums im Raum steht (VGH München v. 12.7.2012, 2 B 12.1211, ZWE 2013 S. 100). Etwa die Verletzung von Sondereigentumsrechten durch Nichteinhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen kommt nur dann in Betracht, wenn die fragliche Wand des Bauvorhabens den Fenstern gegenüberliegt, die zur Wohnung des Sondereigentümers gehören (VGH München v. 22.3.2010, 15 CS 10.352 und VGH München v. 21.1.2009, 9 CS 08.1330).
  2. Wohnungseigentümer sollen im Verwaltungsprozess nicht als Standschafter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auftreten können (VGH München v. 24.7.2014, 15 CS 14.949). Ein Verwalter ist im Aktivprozess zu einer Prozessführung namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hingegen nur berechtigt, wenn die Wohnungseigentümer ihn durch Vereinbarung oder Beschluss mit Stimmenmehrheit dazu ermächtigt haben (OVG Münster v. 18.9.2014, 7 A 824/14, ZWE 2015 S. 59).
 

Link zur Entscheidung

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