Grundlage jeder Forderungsvollstreckung ist die Information. Neben der Vermögensauskunft nach § 802c und § 802d ZPO sowie den Drittauskünften nach § 802l ZPO können auch verschiedene Register Auskunft über Vermögen des Schuldners geben. Dazu gehört die Einsicht in das Grundbuch. Der Zugriff auf Grundvermögen, so zeigt die Praxis, ermöglicht in vielen Fällen eine Befriedigung der Forderung oder jedenfalls eine gütliche Einigung, weil der Zugriff auf Grundvermögen von Schuldnern auch als existentielles Druckmoment empfunden wird.

 

Hinweis

Dabei darf nicht nur nach dem Schuldner gesucht werden, sondern es müssen auch die ihm nahestehenden Personen betrachtet werden, d.h. Ehegatte, Eltern, Kinder und Geschwister. Genau an diese erfolgt regelmäßig die Übertragung von Grundbesitz, um ihn der Vollstreckung zu entziehen.

Auskunftsnorm § 12 GBO

Grundlage der Grundbucheinsicht ist § 12 GBO. Danach ist jedem die Einsicht in das Grundbuch und die in diesem in Bezug genommenen Urkunden zu gestatten, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Dabei richtet sich der Umfang der Einsichtnahme danach, wie weit das berechtigte Interesse reicht und dargelegt wurde, weshalb die Einsichtnahme auf einzelne Bestandteile des Grundbuchs, einzelne Abteilungen oder Aktenstücke beschränkt werden kann (Hügel/Wilsch, GBO, 3. Aufl., § 12 Rn 10).

Wann liegt ein berechtigtes Interesse vor?

Wann ein berechtigtes Interesse vorliegt, ist immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Entscheidungen. Aktuell hat sich das OLG München (14.6.2018 – 34 Wx 188/18) intensiv mit der Frage auseinandergesetzt und die Voraussetzungen zusammengefasst.

Ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch i.S.v. § 12 Abs. 1 GBO, und zwar auch in Form der Gewährung eines Grundbuchauszugs, ist gegeben, wenn zur Überzeugung des Entscheidungsorgans ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan wird (BGH ZfIR 2015, 17/19; Meikel/Böttcher, GBO, 11. Aufl., § 12 Rn 6 m.w.N.). Dieses muss sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse zwar nicht auf ein bereits bestehendes Recht am Grundstück oder ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen dem Eingetragenen und dem die Einsicht Begehrenden stützen, sondern kann auch mit einem beispielsweise wirtschaftlichen Interesse begründet werden (OLG Oldenburg Rpfleger 2014, 131; Schreiner, Rpfleger 1980, 51 f.).

Weniger als ein rechtliches, mehr als ein beliebiges Interesse

Dabei genügt allerdings nicht jedes beliebige Interesse. Vielmehr muss die Kenntnis vom Grundbuchstand bei verständiger Würdigung des Einzelfalls und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge für das künftige Handeln des Antragstellers und seine Entschließungen aus sachlichen Gründen erheblich erscheinen (vgl. BayObLG Rpfleger 1998, 338; KG NJW-RR 2004, 1316/1317). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die in ihrem informationellen Selbstbestimmungsrecht betroffenen eingetragenen Berechtigten am Verfahren nach § 12 GBO nicht beteiligt werden. Weder werden sie vor der Gewährung von Grundbucheinsicht angehört, noch steht ihnen ein Beschwerderecht gegen die Gewährung von Einsicht zu (BGHZ 80, 126/128 f.). Am Ende muss das berechtigte Interesse nicht nur behauptet, sondern begründet werden, so dass dem Rechtspfleger eine eigenständige Prüfung möglich wird.

 

Hinweis

Im Einzelfall kann eine Glaubhaftmachung des Interesses oder ein Nachweis verlangt werden (Demharter, Grundbuchordnung, 31. Aufl. 2018, § 12 Rn 13; Böhringer, DNotZ 2014, 16/18), etwa durch Vorlage von Verträgen oder Urkunden (OLG Oldenburg Rpfleger 2014, 131; Schreiner, Rpfleger 1980, 51/52), aber auch von Nachweisen über eine Forderung oder einen Vollstreckungstitel.

An Anfechtungsrechte denken

Ein berechtigtes (wirtschaftliches) Einsichtsinteresse kann bestehen, wenn es um Ansprüche gegen einen vormals eingetragenen Berechtigten geht (OLG München MDR 2017, 30; OLG Oldenburg FGPrax 2014, 18; Hügel/Wilsch, § 12 Rn 60 und 92). Überträgt der Schuldner seinen Grundbesitz oder einen Anteil daran auf eine nahestehende Person, so kann dieser Vorgang nach § 3 Abs. 1, Abs. 2 oder § 4 AnfG zu einem Anspruch auf Vollstreckung in das Grundstück gegen den Dritten zur Befriedigung der Forderung gegen den Schuldner führen, vgl. §§ 11, 9 AnfG.

Auf diese Entscheidungen können Sie sich berufen

Die Rechtsprechung hat im Zusammenhang mit dem Forderungseinzug schon mehrfach ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht angenommen:

Der Gläubiger einer Wohnungseigentumsgemeinschaft kann ein berechtigtes Interesse an der Erteilung vollständiger Grundbuchauszüge der einzelnen Wohnungseigentümer haben. Einen Vollstreckungstitel muss er hierzu noch nicht erlangt haben (KG Berlin NJW-RR 2016, 390).
Bauhandwerker sind berechtigt, zur Sicherung ihrer Forderungen aus dem Bauvertrag Einsicht in das betreffende Grundstück des Bestellers zu nehmen. Eine Einsichtnahme über das Bestandsverzeichnis und Abteilung I hinaus kann unter Abwägung der Interessen im Einzelfall auch dann in Betracht ko...

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