BGB § 1603 Abs. 2 § 3 Satz 2

Leitsatz

1. Die im Rahmen eines Wechselmodells von einem Elternteil geleistete Kinderbetreuung kann nicht zur Befreiung von seiner Barunterhaltspflicht führen. (Rn 17)

2. Im Fall des Wechselmodells haben beide Elternteile für den Barunterhalt einzustehen. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst außerdem die infolge des Wechselmodells entstehenden Mehrkosten (vor allem Wohn- und Fahrtkosten). (Rn 18)

3. Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits durch Erziehung und Pflege erfüllt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Dabei kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung zwar eine Indizwirkung zu, ohne dass sich allerdings die Beurteilung allein hierauf zu beschränken braucht (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 12.3.2014 – XII ZB 234/13, FamRZ 2014, 917). (Rn 20)

BGH, Beschl. v. 5.11.2014 – XII ZB 599/13 (OLG Bremen, AG Bremen-Blumenthal)

1 Gründe:

[1] I. Die Antragstellerin macht als Trägerin der Unterhaltsvorschusskasse Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht gegen den Antragsgegner geltend.

[2] Der Antragsgegner ist der Vater der minderjährigen Kinder F. (geb. im November 2004) und J. (geb. im November 2006). Seine Ehe mit der Mutter ist inzwischen geschieden. Die Antragstellerin erbringt für die Kinder seit Januar 2011 Unterhaltsvorschussleistungen.

[3] Der 1968 geborene Antragsgegner ist Diplom-Ökonom und war in der Vergangenheit mit verschiedenen Unternehmen, unter anderem als Wirtschaftsberater und Versicherungsmakler, selbstständig. Über das Vermögen mehrerer Unternehmen wurden von 2009 bis 2011 wie auch anschließend über das Privatvermögen des Antragsgegners Insolvenzverfahren eröffnet. Der Antragsgegner übte zuletzt eine Erwerbstätigkeit in einem Call-Center im Umfang von 30 Wochenstunden und mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1.150 EUR aus. Zurzeit ist er arbeitslos. Nach einer von den Eltern getroffenen Vereinbarung betreut der Antragsgegner die Kinder an sechs von 14 Tagen. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen eines Wechselmodells erfüllt sind.

[4] Die Antragstellerin hat für die Kinder beginnend ab Juli 2011 den Mindestunterhalt geltend gemacht, jeweils abzüglich des vollen Kindergelds, das die Mutter bezieht. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner antragsgemäß zum Unterhalt verpflichtet. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht den monatlichen Unterhalt für die Zeit von Juli 2011 bis Oktober 2012 auf 97 EUR für F. und 72 EUR für J. festgesetzt, für November und Dezember 2012 auf je 85 EUR und für die Zeit ab Januar 2013 auf je 60 EUR.

[5] Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner – zugelassenen – Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Abweisung der Unterhaltsanträge erstrebt.

[6] II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

[7] 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der Antragsgegner allerdings für den Mindestunterhalt der Kinder nicht hinreichend leistungsfähig. Die vom Antragsgegner erhobenen Einwände, er sei wegen des nach seinem Vortrag praktizierten Wechselmodells überhaupt nicht barunterhaltspflichtig und im Übrigen jedenfalls vollständig leistungsunfähig, seien aber nicht begründet.

[8] Ein Wechselmodell liege nur bei einer (fast) hälftigen Teilung der Kindesbetreuung vor, während der zeitlichen Komponente nur indizielle Bedeutung dafür zukomme, ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trage. Für die restriktive Annahme eines Wechselmodells sprächen auch verfahrensökonomische Erwägungen. Die Annahme eines Wechselmodells habe nämlich zur Folge, dass kein Elternteil das Kind mehr im Sinn von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB in Obhut habe und zur Geltendmachung des Kindesunterhalts ein Pfleger bestellt werden müsste. Auch der Bezug von Unterhaltsvorschussleistungen sei dann nicht möglich, außerdem seien Schwierigkeiten bei der Bezugsberechtigung für das Kindergeld zu erwarten. Hinzu kämen Ungewissheiten und Unklarheiten bei der Berechnung des Kindesunterhalts, weil nun beide Eltern barunterhaltspflichtig seien, ein Mehrbedarf wegen des mit dem Wechselmodell verbundenen erhöhten Aufwands hinzugerechnet werden müsse und der Barunterhalt sich wegen der als Naturalleistung erbrachten Betreuung mindere. Die großzügige Annahme eines Wechselmodells könne zu einem Rückgang der Bereitschaft zur Einräumung weitreichender Umgangskontakte führen. Dagegen könne ein Mehraufwand, der dem Kindesvater aufgrund des erhöhten Betreuungsaufwands anfalle, auch bei enger Auslegung des Wechselmodellbegriffs berücksichtigt werden. Das ermögliche eine großzügigere unterhaltsrechtliche Berücksichtigung von Mehrkosten, welche allerdings konkret geltend zu machen seien.

[9] Im vorliegenden Fall sei ein Wechselmodell nicht gegeben. Dabei sei nicht auf die vom Antragsgegner aufgestellte stunden- bzw. minutengenaue Berechnung der Betreuungsanteile abzustellen. Dadurch werde eine Exaktheit s...

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