RVG VV Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141; StPO § 170 Abs. 2

Leitsatz

  1. Stellt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO erkennbar mit dem Ziel der endgültigen Erledigung ein, wird die Hauptverhandlung infolge dieses Verfahrensablaufs (zunächst) entbehrlich, was für den Anfall der Befriedungsgebühr gem. Nr. 4141 VV ausreichend ist.
  2. Wenn anschließend das Verfahren auf Beschwerde des Anzeigenerstatters hin wieder aufgenommen und Anklage erhoben wird, hat dies auf die bereits entstandene Zusatzgebühr keinen Einfluss.

AG Erding, Beschl. v. 31.5.2016 – 7 Ds 310 Js 18243/14

1 Aus den Gründen

Die zulässige Erinnerung erweist sich als begründet. Es ist zusätzlich eine Gebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV angefallen und zu erstatten. Die Vorschrift setzt voraus, dass durch die anwaltliche Mitwirkung eine Hauptverhandlung entbehrlich wird, weil das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Denn eine nicht nur vorläufige Einstellung ist gegeben, wenn die Staatsanwaltschaft oder das Gericht subjektiv von einer endgültigen Einstellung ausgegangen sind, sie also das Ziel einer endgültigen Einstellung hatten (vgl. Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl., 2014, Nr. 4141 VV Rn 20). Die Einstellung der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgte erkennbar mit dem Ziel der endgültigen Erledigung. Die Hauptverhandlung wurde infolge dieses Verfahrensablaufes (zunächst) entbehrlich, was für den Anfall der Zusätzlichen Gebühr ausreichend ist (vgl. Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl., 2006, Nr. 4141 VV, Rn 438). Dass anschließend das Verfahren auf Beschwerde des Anzeigenerstatters hin wieder aufgenommen und Anklage erhoben wurde, hat entgegen der Auffassung des Bezirksrevisors auf die bereits entstandene Zusatzgebühr keinen Einfluss. Das Gesetz spricht ausdrücklich von einer "nicht nur vorläufigen Einstellung". Eine faktisch endgültige Einstellung ohne Wiederaufnahme ist nicht erforderlich. Die Einstellung muss also nur aus Sicht der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts endgültig gewollt sein. Ob die Einstellung letztlich endgültig bleibt, oder – wie vorliegend – eine Wiederaufnahme erfolgt, ist unerheblich (vgl. Schneider, NZV 2014, 151 unter IV und Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl., 2014, Nr. 4141 VV Rn 25, 26). Daher gehören nach einhelliger Literaturauffassung, der sich das Gericht anschließt, auch solche Einstellungen zum Anwendungsbereich der Nr. 4141 VV, die eine nachträgliche Wiederaufnahme bzw. Fortsetzung des Verfahrens mit einer Hauptverhandlung ermöglichen. Dies folgt auch aus der Wertung aus § 15 Abs. 4 RVG, wonach eine spätere, andere Erledigungen auf bereits entstandene Gebühren keinen Einfluss haben.

2 Anmerkung

Die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV setzt keine endgültige Einstellung voraus, sondern nur eine nicht nur vorläufige Einstellung. Dazu gehört auch eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO.[1] Wird die Sache dann wieder aufgenommen und wird im gerichtlichen Verfahren die Sache wiederum eingestellt, die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, im Verfahren nach § 411 StPO entschieden oder der Einspruch gegen den Strafbefehl zurückgenommen, entsteht eine weiter Terminsgebühr, da es sich bei dem erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren nach § 17 Nr. 10a) RVG um eine neue Angelegenheit handelt und die Gebüh ren in jeder Angelegenheit neu anfallen können (arg. 3 § 15 Abs. 2 RVG).

 

Beispiel

Das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten wird mangels Tatverdacht nach § 170 Abs. 2 StPO auf Betreiben des Verteidigers eingestellt. Auf die Beschwerde des Anzeigenerstatters werden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Es wird Anklage erhoben. Außerhalb der Hauptverhandlung erreicht der Verteidiger eine Einstellung nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldbuße, die auch geleistet wird, so dass das Verfahren endgültig eingestellt wird.

Zunächst hat der Anwalt im vorbereitenden Verfahren die zusätzliche Gebühr verdient, da die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO keine vorläufige Einstellung ist. Dass das Verfahren später wieder aufgenommen worden ist, ist unerheblich.

Im gerichtlichen Verfahren ist die zusätzliche Gebühr durch die Einstellung nach § 153a StPO erneut ausgelöst worden. Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 RVG steht jetzt dem erneuten Anfall dieser Gebühr nicht entgegen, da es sich bei vorbereitendem Verfahren und gerichtlichem Verfahren um zwei verschiedene Angelegenheiten handelt, wie jetzt in § 17 Nr. 10 RVG klargestellt worden ist.

Zu rechnen ist wie folgt:

 
I. Vorbereitendes Verfahren    
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   165,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV   140,00 EUR
3. Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4106 VV   140,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 465,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   88,35 EUR
Gesamt   553,35 EUR
II. Verfahren vor dem Amtsgericht    
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   140,00 EUR
2. Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4106 VV   140,00 EUR
3. Postentgeltpauschale...

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