Die Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahren (§§ 58 ff., 70 ff. FamFG) stellen gegenüber dem Anordnungsverfahren eigenständige Angelegenheiten dar (§ 17 Nr. 1 RVG) dar. Die Gebühren der Nrn. 6300, 6301 VV entstehen daher stets erneut, was auch durch die Anm. zu Nr. 6300 VV klargestellt wird. Handelt es sich um ein Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahren wegen der Aufhebung oder Verlängerung der Maßnahme, fallen hierfür Gebühren nach Nrn. 6302, 6303 VV an.

Mit der Beschwerde oder Rechtsbeschwerde muss jedoch eine die Vorinstanz abschließende Sachentscheidung, d.h. eine Endentscheidung i.S.d. § 38 FamFG, angefochten werden. Die bloße Anfechtung von Neben- oder Zwischenentscheidungen löst keinen neuen Rechtszug aus,[14] sodass solche Tätigkeiten mit der in der jeweiligen Instanz verdienten Verfahrensgebühr der Nrn. 6300 bzw. 6302 VV abgegolten sein sollen.[15]

Es sind keine höheren Betragsrahmensätze als für das erstinstanzliche Verfahren vorgesehen. Eine erhöhte Schwierigkeit kann daher nur bei der Bestimmung des konkreten Gebührensatzes nach § 14 Abs. 1 RVG berücksichtigt werden. Wegen der besonders schwierigen Rechtsmaterie kann dabei auch die Höchstgebühr in Betracht kommen, z.B. in Abschiebehaftsachen.[16] Zumindest ist der Ansatz einer Mittelgebühr in Abschiebehaftsachen nicht unbillig.[17]

Die Gebühr entsteht mit der ersten Tätigkeit im Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahren, sodass regelmäßig auf die Einlegung des Rechtsmittels abzustellen ist.[18]

 

Beispiel 4

Der Anwalt wird in einer Unterbringungssache tätig. Es findet ein gerichtlicher Anhörungstermin statt. Gegen die Anordnung der Unterbringung wird Beschwerde eingelegt. Es findet erneut ein gerichtlicher Termin statt.

Es ist folgende Vergütung (Mittelgebühren) entstanden:

 
I. Anordnungsverfahren  
1. Verfahrensgebühr, Nr. 6300 VV 280,50 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 6301 VV 280,50 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 110,39 EUR
  (19 % aus 581,00 EUR)  
  Gesamt 691,39 EUR
 
II. Beschwerdeverfahren  
1. Verfahrensgebühr, Nr. 6300 VV 280,50 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 6301 VV 280,50 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 110,39 EUR
  (19 % aus 581,00 EUR)  
  Gesamt 691,39 EUR
  Gesamt I.+II. 1.382,78 EUR
 

Beispiel 5

Der Anwalt wird in einer Unterbringungssache tätig. Es findet ein gerichtlicher Anhörungstermin statt. Gegen die Anordnung der Unterbringung wird Beschwerde eingelegt. Es findet erneut ein gerichtlicher Termin statt. Gegen die Beschwerdeentscheidung wird Rechtsbeschwerde eingelegt, wo ebenfalls ein gerichtlicher Termin stattfindet.

Es ist folgende Vergütung (Mittelgebühren) entstanden:

 
I. Anordnungsverfahren  
1. Verfahrensgebühr, Nr. 6300 VV 280,50 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 6301 VV 280,50 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 110,39 EUR
  (19 % aus 581,00 EUR)  
  Gesamt 691,39 EUR
 
II. Beschwerdeverfahren  
1. Verfahrensgebühr, Nr. 6300 VV 280,50 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 6301 VV 280,50 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 110,39 EUR
  (19 % aus 581,00 EUR)  
  Gesamt 691,39 EUR
 
III. Rechtsbeschwerdeverfahren  
1. Verfahrensgebühr, Nr. 6300 VV 280,50 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 6301 VV 280,50 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 110,39 EUR
  (19 % aus 581,00 EUR)  
  Gesamt 691,39 EUR
  Gesamt I.–III. 2.074,17 EUR
 

Beispiel 6

Der Anwalt wird in einem Verfahren wegen der Verlängerung der Unterbringung tätig. Es findet ein gerichtlicher Anhörungstermin statt. Gegen die Entscheidung über die Verlängerung der Maßnahme wird Beschwerde eingelegt. Auch hier wird ein gerichtlicher Termin durchgeführt.

Es ist folgende Vergütung (Mittelgebühren) entstanden:

 
I. Verlängerungsverfahren  
1. Verfahrensgebühr, Nr. 6302 VV 176,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 6303 VV 176,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 70,68 EUR
  (19 % aus 372,00 EUR)  
  Gesamt 442,68 EUR
 
II. Beschwerde wegen der Anordnung  
1. Verfahrensgebühr, Nr. 6302 VV 176,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 6303 VV 176,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 70,68 EUR
  (19 % aus 372,00 EUR)  
  Gesamt 442,68 EUR
  Gesamt I.+II. 885,36 EUR
[14] OLG Düsseldorf JurBüro 1985, 729.
[15] Gerold/Schmidt, a.a.O., VV 6300–6303 Rn 3; AnwK-RVG/Thiel, a.a.O., VV 6300–6303 Rn 42.
[16] LG Saarbrücken JurBüro 2013, 472; LG Mainz AGS 2015, 391.
[17] LG Saarbrücken RVGreport 2013, 198.
[18] Gerold/Schmidt, a.a.O., VV 6300–6303 Rn 3.

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