A. Konkurrenz

I. Allgemeines

 

Rz. 1

 

Hinweis

Das Konkurrenzverhältnis der Verkehrsstraftatbestände zueinander wird der besseren Übersicht wegen bei den jeweiligen Straftatbeständen in Teil 3 behandelt.

 

Rz. 2

Die Frage, ob Tateinheit (§ 19 OWiG) oder Tatmehrheit (§ 20 OWiG) vorliegt, ist nicht nur für die Anzahl der einzutragenden Punkte, sondern auch für die Bußgeldhöhe von Bedeutung. Bei einem tateinheitlich begangenen Verstoß werden Punkte und Geldbußen nicht addiert, sondern nur nach dem am höchsten bewerteten Teilakt verhängt, § 19 Abs. 2 OWiG (OLG Köln VRS 78, 61).

Dagegen werden im Falle von Tatmehrheit nicht nur die für jeden einzelnen Verstoß vorgesehenen Punkte in Flensburg eingetragen, sondern nach dem für das Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Kumulationsprinzip werden auch die Geldbußen gesondert festgesetzt und addiert und nicht - wie im Strafrecht - zusammengezogen (OLG Koblenz zfs 2007, 213; OLG Hamm NZV 2010, 159).

 

Achtung: Nur ein Fahrverbot trotz Tatmehrheit

Wenn auch für tatmehrheitlich begangene Taten grundsätzlich mehrere Fahrverbote zu verhängen sind, ist dann nur ein einziges Fahrverbot zulässig, wenn die Verstöße in einer gemeinsamen Gerichtsverhandlung abgehandelt werden (BGH, Urt. v. 16.12.2015 - 4 StR 227/15).

II. Tateinheit

1. Verstöße gegen verschiedene Vorschriften

 

Rz. 3

Die Tatsache, dass der Täter mehrere unterschiedliche Verstöße begangen hat, schließt die Annahme von Tateinheit (im materiellen oder auch prozessualen Sinne) nicht aus. Das gilt auch für Straftaten: Zwar vermögen ein einheitliches Motiv, eine Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen oder eine Mittel-Zweck-Verknüpfung eine Tateinheit nicht zu begründen, mehrere strafbare Gesetzesverletzungen stehen aber zueinander in Tateinheit, wenn die jeweiligen Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest identisch sind (BGH NStZ-RR 2013, 320; BGH bei Cierniak, DAR 2014, 678).

Das gilt auch, wenn zwischen Verstößen eine so enge räumliche und zeitliche Nähe besteht, dass von einem einheitlichen Sachverhalt auszugehen ist, z.B. wenn ein Kraftfahrer unmittelbar im Anschluss an einen Verstoß gegen das Überholverbot eine Geschwindigkeitsüberschreitung oder andere Übertretungen begeht (OLG Naumburg NJW 1995, 444; Thüringer OLG VRS 108, 270; OLG Celle NZV 2012, 196).

a) Beispiele für Tateinheit

 

Rz. 4

Zwei auf der Autobahn im Abstand von einer Minute (OLG Köln DAR 2004, 720; OLG Hamm zfs 2009, 651) bzw. zwei Minuten (OLG Brandenburg zfs 2016, 592; OLG Köln DAR 2018, 695) begangene Geschwindigkeitsüberschreitungen.
Geschwindigkeitsüberschreitung und eine zwei Minuten zuvor begangene Abstandsunterschreitung (KG NZV 2002, 240; OLG Zweibrücken DAR 2003, 281).
Überschreitung der außerorts durch Zeichen 274 StVO angeordneten Höchstgeschwindigkeit und nach deren Aufhebung auch die Missachtung der allgemein zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h (OLG Stuttgart NZV 1997, 243).
Rotlichtmissachtung und ein hierzu in einem zeitlichen Zusammenhang stehender Überholverstoß (OLG Celle DAR 2011, 407).
Qualifizierter Rotlichtverstoß und mehrere Geschwindigkeitsüberschreitungen (Thüringer OLG VRS 108, 270).
 

Rz. 5

 

Achtung: Dauerdelikte

Besonders häufig unterlaufen Fehler, wenn ein Dauerdelikt wie z.B. eine Alkohol- oder Drogenfahrt, ein Verstoß gegen die Gurtanlegepflicht oder das Verbot, während der Fahrt ein Handy zu benutzen, mit im Spiel ist. Hier wird häufig der Zusammenhang mit anderen auf der Fahrt begangenen Verstößen zunächst gar nicht erkannt. Tatsächlich besteht jedoch zwischen einer Alkoholfahrt und den dabei begangenen weiteren Ordnungswidrigkeiten Tateinheit (OLG Saarbrücken VRS 110, 362; OLG Jena NStZ-RR 2006, 319). Das Gleiche gilt sogar für eine Alkoholfahrt und den gleichzeitigen Drogenbesitz, wenn die Fahrt dem Transport der Drogen (BGH NZV 2010, 39; BGH bei Cierniak, DAR 2014, 678) bzw. deren Beschaffung zum Handeltreiben (BGH NZV 2012, 250) diente.

b) Weitere Beispiele

 

Rz. 6

Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes und Geschwindigkeitsüberschreitung (OLG Rostock VRS 107, 461; OLG Stuttgart DAR 2007, 405),
Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes und Nichtbefolgen von Weisungen des Polizeibeamten (LG Frankfurt DAR 2003, 41),
Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes und sämtliche auf der Fahrt gleichzeitig begangenen weiteren Verstöße (OLG Hamm DAR 2006, 338; OLG Rostock VRS 107, 461),
Handybenutzung und Geschwindigkeitsüberschreitung (AG Homburg zfs 2007, 437; OLG Jena DAR 2010, 31) bzw. im Zusammenhang mit der Handybenutzung begangene Beleidigung (KG Berlin, Urt. v. 12.10.18 - 3 Ws (B) 250/18),
Missbrauch von Nebelschlussleuchten und Geschwindigkeitsüberschreitung (OLG Hamm VRS 51, 63).

Schließlich können auch Verstöße gegen Halterpflichten bzw. Beladungsvorschriften weitere Verstöße zu einer Tateinheit verbinden:

Verstoß des Halters nach § 29 Abs. 3 S. 1 StVO und Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über das einzuhaltende Gewicht (BayObLG NZV 1997, 190),
Inbetriebnahme unter Verstoß gegen die Beladungsvorschriften und mehrere während der Fahrt begangene Geschwindigkeitsüberschreitungen (OLG Düsseldorf NZV 1...

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