Rz. 133

Das auch dem Ausbildungsunterhaltsanspruch zugrundeliegenden Gegenseitigkeitsprinzip bestimmt für die Eltern als Anspruchsschuldner aber auch für das (minderjährige) Kind gegenseitige Leistungspflichten.

Auf der einen Seite schulden die Eltern dem Kind die Finanzierung einer der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen entsprechenden Ausbildung.

 

Rz. 134

Das Kind trägt das Risiko, eine Anstellung im erlernten Beruf zu finden.[175]

 

Rz. 135

 

Praxistipp

Findet das Kind nach Abschluss der Ausbildung keine Anstellung, sind die Eltern nichtsdestotrotz nicht zur Finanzierung einer möglicherweise sinnvollen Weiter- oder Zweitausbildung verpflichtet.[176]

 

Rz. 136

Etwas Anderes kann nur unter besonderen, außergewöhnlichen Umständen gelten, wenn dem Kind eine angemessene Ausbildung versagt worden ist, weil die Eltern es in einen Beruf entgegen der Begabung gedrängt haben[177] oder wenn die Begabung und Neigung des Kindes gänzlich falsch eingeschätzt worden ist und sich dieser Umstand erst nach Abschluss der Ausbildung herausstellt.[178]

Bei Vorliegen solcher Umstände sind die Eltern – ausnahmsweise – ihrer Verpflichtung zur Finanzierung einer angemessenen Ausbildung gemäß § 1610 Abs. 2 noch nicht nachgekommen.[179]

 

Rz. 137

 

Praxistipp

Nach Abschluss der Berufsausbildung wird eine Weiterbildungsmaßnahme des Kindes von den Eltern nur geschuldet, wenn und soweit ein solcher Inhalt des ursprünglichen Ausbildungsgangs ist.[180]

 

Rz. 138

Dem stehen die Leistungspflichten des Kindes gegenüber.

 

Rz. 139

Der Unterhaltsschuldner verfügt über Auskunfts- und Kontrollrechte. Das unterhaltsberechtigte Kind ist im Rahmen des Auskunftsanspruchs verpflichtet, Auskunft über den Fortgang der Ausbildung zu erteilen und den Unterhaltsschuldner über die erbrachten Leistungen zu informieren.[181] Darüber hinaus steht dem Unterhaltsschuldner ein Belegvorlageanspruch hinsichtlich der Leistungsnachweise (Zeugnisse) zu.

 

Rz. 140

 

Praxistipp

Verweigert sich das Kind hartnäckig dem Auskunfts- und/oder Belegvorlageanspruch des Unterhaltsschuldners steht diesem ein Zurückbehaltungsrecht bis Informationsfluss bzw. Belegvorlage zu.[182] In extremen Fällen erlischt der Ausbildungsunterhaltsanspruch dem Grunde nach,[183] sodass sich dem Schuldner die Möglichkeit des Abänderungsantrags eröffnet.

 

Rz. 141

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass das hartnäckige Fehlverhalten des Unterhaltsgläubigers am Sachverhalt konkret festgestellt werden muss.

 

Rz. 142

Aus dem gegenseitigen – auch für minderjährige Kinder geltenden – Rücksichtnahmegebot des § 1618a, nach dem Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schulden, folgt, dass das Kind gegebenenfalls seine Eltern über eine Änderung im Rahmen seiner Ausbildung unverzüglich informiert und sich mit ihnen berät.[184] Dies gilt sowohl für Ausbildungsziel als auch -ort. Unterlässt es das Kind, den/die Unterhaltsschuldner in seine Pläne einzubeziehen, kann der Wegfall des Anspruchs dem Grunde nach die Folge sein. An dieser Stelle ist genau zu prüfen, ob nicht ein zu berücksichtigender sachlicher Grund für den Wechsel im Rahmen der Ausbildung gegeben ist.[185]

 

Rz. 143

 

Praxistipp

Ein Wechsel im Rahmen der Ausbildung ist immer auch am Kriterium der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der bzw. des Unterhaltsschuldners zu messen.

[175] OLG Hamm FamRZ 1990, 904; OLG Dresden OLG-NL 1994, 247.
[176] OLG Saarbrücken OLGR 1998, 164.
[177] BGH FamRZ 1991, 322 = FuR 2000, 92.
[178] BGH FamRZ 2001, 1601 = FuR 2001, 529.
[179] BGH FamRZ 2000, 420 = FuR 2000, 92 m.w.N.; OLG Koblenz FamRZ 2001, 852.
[180] OLG Hamm ZFE 2004, 378 (Ls.).
[181] BGH FamRZ 1987, 470; OLG Hamm FamRZ 1995, 1007.
[182] OLG Hamm FamRZ 1996, 49.
[183] OLG Hamm ZFE 2004, 378 (Ls.).
[184] BGH FamRZ 2001, 757 = FuR 2001, 322.
[185] OLG Zweibrücken FamRZ 1995, 1006.

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