Rz. 10

Um eine grobe Pflichtverletzung annehmen zu können, muss der Pflichtenverstoß objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein.[1]

 

Rz. 11

Es muss sich um einen Verstoß gegen gesetzliche Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz handeln, auch soweit die Pflichten durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung näher definiert sind.[2] Es muss sich um Pflichtverstöße des Arbeitnehmers als Betriebsratsmitglied handeln. Pflichtverletzungen in anderem Zusammenhang, zum Beispiel Verletzungen arbeitsvertraglicher Pflichten genügen daher nicht. Allerdings ist vorstellbar, dass die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten mit der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten einhergeht und deswegen sowohl individualrechtliche wie betriebsverfassungsrechtliche Sanktionen in Betracht kommen.[3]

 

Rz. 12

Die Qualität des Pflichtverstoßes setzt im Regelfall schuldhaftes Verhalten voraus. Es genügt eine einmalige grobe Pflichtverletzung.[4] Dabei führt die Begehung mehrerer leichterer Pflichtverstöße in aller Regel nicht zur Annahme eines groben Verstoßes. Etwas anderes mag sich allenfalls bei beharrlicher Fortsetzung mittelschweren Fehlverhaltens ergeben. Die Frage ist allerdings umstritten.

 

Rz. 13

Beispiele für grobe Pflichtverstöße sind:

  • Verletzung der Geheimhaltungspflicht nach § 79 BetrVG[5],
  • falsche Angaben freigestellter Betriebsratsmitglieder über auswärtige Tätigkeiten während der Arbeitszeit[6],
  • schwerwiegende Verstöße gegen die Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit, Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats[7],
  • Aufruf zu wildem Streik als Betriebsratsmitglied[8],
  • parteipolitische Agitation in der Eigenschaft als Betriebsratsmitglied[9],
  • unzulässige Verquickung von Betriebsratstätigkeit mit Gewerkschaftswerbung durch Drohung mit rechtswidriger Differenzierung nach Gewerkschaftszugehörigkeit[10],
  • grobe Verunglimpfung des Arbeitgebers[11]; Drohung mit der Einschaltung des Gewerbeaufsichtsamts ohne zugrunde liegenden Beschluss des Betriebsrats[12],
  • Entgegennahme von Vorteilen im Hinblick auf eine Beeinflussung der Amtsführung[13],
  • sexuelle Belästigung einer Arbeitnehmerin unter Inaussichtstellen einer positiven Einflussnahme auf die Entscheidung über die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis[14],
  • Tätlichkeiten oder grobe Beleidigungen gegenüber anderen Betriebsratsmitgliedern während einer Betriebsratssitzung und Ähnliches mehr.[15]
 

Rz. 14

Grobe Pflichtverletzungen liegen nicht vor bei Streitigkeiten aufgrund unterschiedlicher Standpunkte oder aufgrund von Pflichtverletzungen, die nicht als Betriebsratsmitglied begangen werden.

 

Rz. 15

Ein Ausschlussantrag des Arbeitgebers ist nur begründet, wenn die betreffende Amtspflichtverletzung das Verhältnis zu ihm betrifft. Dies ist nicht der Fall, soweit lediglich das Verhältnis innerhalb des Betriebsrats oder zur Belegschaft betroffen ist. Ein Ausschlussantrag des Betriebsrats soll voraussetzen, dass das ordnungsgemäße Funktionieren des Betriebsrats unmöglich gemacht oder ernstlich gefährdet wird.[16]

Ein Ausschlussantrag ist darüber hinaus unzulässig, wenn das Betriebsratmitglied inzwischen wiedergewählt ist. Verstöße können dann nicht mehr geahndet werden.[17] Das gilt selbst dann, wenn die Pflichtverletzung aus der vorangegangenen Amtszeit noch Auswirkungen auf die neue Amtszeit hat.[18]

[1] Vgl. BAG, Beschluss v. 2.11.1955, 1 ABR 30/54, st. Rsp.
[2] Vgl. hierzu Fitting, § 23 BetrVG Rz. 15 m. w. N.
[3] Vgl. dazu LAG Hamm, Beschluss v. 23.4.2008, 10 TaBV 117/07 – unberechtigte Erstellung einer Reisekostenabrechnung.
[4] Vgl. BAG, Beschluss v. 4.5.1955, 1 ABR 4/53, NJW 1955, 1126.
[7] Vgl. BAG, Beschluss v. 5.9.1967, 1 ABR 1/67, NJW 1968, 73.
[8] LAG Hamm, Urteil v. 23.9.1955, 4 Sa 269/55, BB 1956, 41.
[10] Vgl. hierzu LAG Köln, Beschluss v. 15.12.2000, 11 TaBV 63/00, NZA-RR 2001, 371.
[12] ArbG München, Beschluss v. 25.9.2006, 22 BV 219/06, AuA 2007, 58.
[13] LAG München, Beschluss v. 15.11.1977, 5 TaBV 34/77, DB 1978, 895.

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