1 Bestimmung des Tendenzbetriebs

Von einem Tendenzunternehmen kann nur gesprochen werden, wenn es sich um ein Unternehmen handelt, das geistig-ideelle Vorstellungen verwirklichen will, und zwar Vorstellungen, wie sie in § 118 BetrVG genannt sind. Hinsichtlich des Tendenzcharakters eines Unternehmens spielt der Umstand keine entscheidende Rolle, ob gleichzeitig mit der Verfolgung geistig-ideeller Vorstellungen ein Gewinnstreben verbunden ist. Zur Wahrung des Tendenzschutzes führt das zur Beschränkung von Beteiligungsrechten des Betriebsrats.

Unter Betrieb im Sinne des § 118 BetrVG ist das Unternehmen zu verstehen. Dies bedeutet, dass die Tendenzbezogenheit bei einem Unternehmen mit mehreren Betrieben für jeden einzelnen Betrieb gesondert zu prüfen ist. Wirkt sich in einem Tendenzunternehmen die Tendenz auf einen bestimmten Betrieb nicht aus, so sind insoweit die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nicht eingeschränkt. Der Annahme eines Tendenzunternehmens steht es nicht entgegen, dass die von ihm verfolgte Zielsetzung auf verschiedenen der in der Gesetzesbestimmung genannten Gebieten liegt.[1]

 
Praxis-Beispiel

Tendenzbetriebe

Buchverlage[2], Geschäftsstellen und Sekretariate von politischen Parteien, Betriebe der Presse, des Rundfunks, des Fernsehens, der Nachrichtenagenturen, von wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Vereinigungen, Verwaltungen der Gewerkschaften, Arbeitgebervereinigungen, Deutsches Rotes Kreuz, Arbeiterwohlfahrt, Privatschulen aller Art (die Bestimmung der Schule muss darauf gerichtet sein, die Persönlichkeitsentfaltung der Schüler und ihre Entwicklung zu fördern[3]), Internate, Bibliotheken, Museen, Forschungsinstitute, wissenschaftliche Buch- und Zeitschriftenverlage, Theater, Filmherstellungsbetriebe, Konzertagenturen.

Wissenschaft i. S. des § 118 BetrVG ist alles, "was nach Inhalt und Form als ernsthafter und planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist".[4] Ein rechtlich selbstständiges Unternehmen, dessen Zweck allein die Herstellung von Druckerzeugnissen ist, kann sich – jedenfalls in aller Regel – auch dann nicht auf den Tendenzschutz des § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG berufen, wenn ihm überwiegend der Druck einer einzigen Tageszeitung obliegt.[5]

2 Anzuwendendes Recht

Auf Tendenzbetriebe finden die Vorschriften der §§ 106 bis 110 BetrVG (Wirtschaftsausschuss) keine Anwendung.

Die §§ 111, 112 und 113 BetrVG sind nur insoweit anzuwenden, als sie den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile für die Arbeitnehmer infolge von Betriebsänderungen regeln. Dies bedeutet: § 111 BetrVG mit der Unterrichtung und Beratung über eine Betriebsänderung ist im Hinblick auf die Vermeidung wesentlicher Nachteile für die Arbeitnehmer anzuwenden. § 112 BetrVG gilt nur für den Abschluss eines Sozialplans[1], nicht für einen Interessenausgleich. § 113 Abs. 3 BetrVG gilt mit der Maßgabe, dass anstelle der Verhandlung über den Interessenausgleich die über den damit in innerem Zusammenhang stehenden Sozialplan tritt. Der Unternehmer soll den Betriebsrat auch eines Tendenzbetriebs nicht vor vollendete Tatsachen stellen. Der Sozialplan kann außerdem noch gemäß § 112 BetrVG, § 112a BetrVG durchgesetzt werden.

Die sonstigen Bestimmungen des BetrVG sind nur insoweit anzuwenden, als nicht die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebes dem entgegensteht. Bei gesetzlichen Beteiligungsrechten des Betriebsrats ist dies nur dann der Fall, wenn durch die Ausübung der Beteiligungsrechte die geistig-ideelle Zielsetzung des Tendenzträgers ernstlich beeinträchtigt werden kann.[2] Der Tendenzschutz ist aber nur dann erforderlich und geboten, wenn und soweit die Tendenz selbst verwirklicht wird, also die Freiheitsrechte selbst und unmittelbar verwirklicht werden. Der Tendenzschutz greift daher nur dort ein, wo die Verwirklichung der geistig-ideellen Zielsetzungen des Unternehmens durch Maßnahmen des Betriebsrats so beeinflusst werden kann, dass Grundrechte verletzt werden.

In personellen Angelegenheiten – das sind Einstellungen, Versetzungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen, Kündigungen – sind die Beteiligungsrechte des Betriebsrats eingeschränkt, wenn durch die Maßnahme ein Tendenzträger (z. B. ein Redakteur – u. U. auch Anzeigenredakteure[3], Lektoren in Buchverlagen, hauptamtliche Funktionäre der Gewerkschaften oder der politischen Parteien, Lehrer an privaten und tendenzgeschützten Schulen) betroffen ist und es sich zudem um eine tendenzbezogene Maßnahme handelt (z. B. Kündigung eines Redakteurs wegen Abweichung von der Tendenz der Zeitung, nicht aber wegen dauernder Arbeitsversäumnis oder wegen Betriebseinschränkung). Hier entfallen die Zustimmungsverweigerungs- und Widerspruchsrechte; dagegen bleiben auch bei tendenzbezogenen Maßnahmen gegenüber Tendenzträgern Informations-, Anhörungs- und Beratungsrechte bestehen.[4] Di...

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