Rz. 21

Nach § 2 Abs. 3 können Personen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber mindestens 30, auf Antrag von der Agentur für Arbeit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung nicht in der Lage sind, einen geeigneten Arbeitsplatz zu behalten. Anhaltspunkte hierfür können

  • häufige behinderungsbedingte Fehlzeiten,
  • eine nicht nur vorübergehende verminderte Belastbarkeit wegen der gesundheitlich bedingten Behinderung,
  • Abmahnungen oder Abfindungsangebote im Zusammenhang mit der behinderungsbedingt verminderten Leistungsfähigkeit,
  • nicht nur vorübergehende notwendige Hilfeleistungen von Arbeitskollegen zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung oder
  • eine nicht nur vorübergehende behinderungsbedingte berufliche Immobilität

sein.

Daneben werden auch diejenigen Menschen von der Möglichkeit der Gleichstellung erfasst, die konkret einen (neuen) Arbeitsplatz erlangen wollen, bei denen aber eine der oben erwähnten Anhaltspunkte droht.

Mit § 2 Abs. 3 reagiert der Gesetzgeber auf die beschäftigungspolitischen Nachteile derjenigen behinderten Menschen, die den umfangreichen Schutz des Schwerbehindertenrechts nicht erlangt haben, aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wegen ihrer Behinderung nicht mehr gegenüber anderen Arbeitnehmern konkurrenzfähig sind.

 

Rz. 21a

Mit einer Gleichstellung erlangt der Betroffene grundsätzlich den gleichen "Status" wie schwerbehinderte Menschen. Diese Gleichstellung bezieht sich allerdings nur auf

  • den besonderen Kündigungsschutz,
  • die besondere Einstellungs-/Beschäftigungsanreize für Arbeitgeber durch Lohnkostenzuschüsse sowie Berücksichtigung bei der Beschäftigungspflicht,
  • Hilfen zur Arbeitsplatzausstattung und
  • Betreuung durch spezielle Fachdienste.

Ausgenommen von der Gleichstellung sind u. a. folgende "Vergünstigungen":

  • der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen (§ 208 Abs. 1) und
  • die besondere Altersrente für schwerbehinderte Menschen (§ 37 SGB VI).

Eine Gleichstellung kommt nur für das Erlangen oder das Erhalten eines geeigneten Arbeitsplatzes i. S. v. § 156 in Betracht; also z. B. nicht für Menschen, die im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 Abs. 3 Nr. 4 einen Arbeitsplatz haben.

Während der GdB vom Versorgungsamt bzw. den in den jeweiligen Bundesländern zuständigen Stellen festgestellt wird, ist für die Erteilung der Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen die örtliche Agentur für Arbeit zuständig. Über die Gleichstellung entscheidet die Agentur allein.

Dabei ist die Agentur für Arbeit hinsichtlich des Grades der Behinderung an die Feststellungen des Versorgungsamtes gebunden und führt keine eigenen medizinischen Untersuchungen durch.

Ohne eine Entscheidung des Versorgungsamtes über einen GdB von mindestens 30 und unter 50 kann die Agentur keine Gleichstellung aussprechen. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitsplatz wegen der Behinderungen in erheblichem Maße gefährdet ist.

 

Rz. 21b

Die Gleichstellung erfolgt bei Erfüllung der Voraussetzungen i. d. R. rückwirkend vom Tage des Eingangs des Antrags bei der Agentur. Damit beginnt grundsätzlich auch der besondere Kündigungsschutz nach den §§ 168 ff. von diesem Tag an. Zum Wirksamwerden dieses Kündigungsschutzes hat allerdings das BAG mit Urteil v. 1.3.2007 (2 AZR 217/06) klargestellt, dass dieser nur dann greift, wenn der Arbeitnehmer einen Gleichstellungsantrag mindestens 3 Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt hat.

Die Wettbewerbsnachteile, die durch die Gleichstellung des behinderten Menschen festgestellt werden sollen, müssen in jedem Fall auf die gesundheitsbedingte Behinderung zurückzuführen sein. Allein allgemeine betriebliche Veränderungen (Produktionsänderungen, Teilstilllegungen, Betriebseinstellungen, Auftragsmangel, Rationalisierungsmaßnahmen, etc.), von denen Nichtbehinderte gleichermaßen betroffen sind, können eine Gleichstellung ebenso wenig begründen, wie fortgeschrittenes Alter, mangelnde Qualifikation oder eine allgemein ungünstige/schwierige Arbeitsmarktsituation.

 

Rz. 21c

Bei Anträgen auf Gleichstellung fragt die Agentur für Arbeit mit Zustimmung des Antragstellers vor einer Entscheidung i. d. R. den Arbeitgeber, die Schwerbehindertenvertretung und/oder den Betriebs-/Personalrat, ob – und ggf. weshalb – der Arbeitsplatz des behinderten Menschen gefährdet ist. Dieses ist deshalb erforderlich, um konkrete Anhaltspunkte über die Arbeitsplatzsituation zu erfahren und abzuklären, ob die Schwierigkeiten des Antragstellers an diesem Arbeitsplatz maßgeblich auf die Auswirkungen der gesundheitlichen Einschränkungen zurückzuführen sind und der Arbeitsplatz tatsächlich gefährdet ist.

Entscheidet die Agentur, dass die Voraussetzungen für eine Gleichstellung nicht vorliegen, kann der Antragsteller hiergegen Widerspruch einlegen. Über den Widerspruch hat der Widerspruchsausschuss bei der Arbeitsagentur zu entscheiden.

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