Rz. 59

Die Regelung des Abs. 3 sieht vor, dass rechtswidrige begünstigende VA mit Dauerwirkung, die nach § 45 nicht zurückgenommen werden können, bei Änderungen zugunsten des Betroffenen nur in dem Umfang an der Verbesserung teilnehmen, wie sich dies ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergeben würde. Die Bestimmung greift die frühere Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 15.12.1977, 11 RA 2/77, BSGE 45 S. 236) und Regelungen in Rentenanpassungsgesetzen auf. Die Vorschrift beschränkt den aus Vertrauensschutzgründen nicht mehr rückgängig zu machenden rechtswidrigen VA auf diesen rechtswidrigen Status und Inhalt und schränkt Begünstigungen nach Abs. 1 und 2, die für rechtmäßige Entscheidungen eintreten würden, betragsmäßig ein. Der rechtswidrige VA wird also nicht wie ein rechtmäßiger behandelt und automatisch (z. B. bei Rentenanpassungen) oder im Einzelfall bei Änderungen der Verhältnisse angepasst. Die Höhe der nach begünstigenden Veränderungen zu beanspruchenden Leistung wird vielmehr nach der materiell richtigen Rechtslage bestimmt. Nach Sinn und Zweck der Aussparungsregel soll verhindert werden, dass die zu hohe Leistung, die durch irgendeinen Fehler entstanden ist, durch irgendeine Veränderung zugunsten des Betroffenen immer noch höher wird, das bestehende Unrecht also weiter anwächst (BSG, Urteil v. 2.12.2010, B 9 V 1/10 R). Das BSG nimmt vor diesem Hintergrund eine eher weite Auslegung vor und beschränkt den Anwendungsbereich nicht nur auf Geldleistungen, wie die Verwendung des Begriffes "Betrag" nahelegen könnte, sondern dehnt ihn auch auf Sachleistungen wie z. B. eine Tinnitustherapie aus (BSG, Urteil v. 20.3.2007, B 2 U 38/05 R). Ein Ermessen steht der Behörde bei der Aussparung nicht zu.

 

Rz. 60

Nachdem das BSG (Urteil v. 16.3.1989, 4/11a RA 70/87, BSGE 65 S. 12) entschieden hatte, dass Abs. 3 nicht in dem Fall gilt, wenn einem an sich rechtmäßigen Bescheid ein rechtswidrig begünstigender Bescheid über eine Grundlage der Entscheidung (Versicherungszeiten) zugrunde gelegen hat, wurde durch Art. 7 RÜG v. 24.6.1993 (BGBl. I S. 1038) dem Abs. 3 der Satz 2 angefügt, wonach die Abschmelzung auch in dem Fall anzuwenden ist, dass der Berechnung ein rechtswidriger Grundlagenbescheid zugrunde liegt. Die Aussparungsregel greift auch ein, wenn der zur Rechtswidrigkeit führende Fehler des ursprünglichen Bescheides die Grundlage der Leistungsbewilligung betrifft. So hat das BSG entschieden, dass die Abschmelzung bei einer Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit auch dann zu erfolgen hat, wenn eine Gesundheitsstörung in der Vergangenheit zu Unrecht als Folge einer Berufskrankheit anerkannt worden ist (BSG, Urteil v. 20.3.07, B 2 U 38/05 R).

 

Rz. 61

Die Vorschrift ist nicht nur auf Geldleistungen beschränkt, sondern kann auch andere Feststellungen betreffen, wie die Bildung eines Gesamt-GdB oder einer Gesamt-MdE aus mehreren Einzelleiden. Ein Feststellungsbescheid im Schwerbehindertenrecht, der rechtswidrig einen zu hohen GdB festgestellt hat, kann insbesondere, wenn etwa eine Rücknahme nach § 45 nicht mehr möglich ist, nach § 48 Abs. 3 abgeschmolzen werden. Wird diese Möglichkeit der Abschmelzung nicht wahrgenommen, kann die unterbliebene Abschmelzung nicht bei einer zukünftigen Änderung der Verhältnisse nachgeholt werden (BSG, Urteil v. 19.9.2000, B 9 SB 3/00 R, vgl. zur Abschmelzung im Schwerbehindertenrecht auch ausführlich Löbner, Behindertenrecht 2016 S. 100, unter ausführlicher Auseinandersetzung mit dem Urteil des BSG v. 11.8.2015, B 9 SB 2/15 R, das eine Herabsetzung des GdB gemäß § 48 nach Ablauf der Heilungsbewährung auch noch viele Jahre später als zulässig erachtet). Die Abschmelzung setzt eine ausdrückliche behördliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides voraus, mit dem der zu hohe GdB festgestellt wurde. Diese Feststellung muss die Behörde selbst treffen, wobei die Entscheidung auch in der Begründung des Bescheides enthalten sein kann (BSG, Urteil v. 17.4.2013, B 9 SB 6/12 R). Dabei kann eine Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der zu hohen GdB-Festsetzung nach Auffassung des BSG (a. a. O.) von der Behörde auch dann vorgenommen worden sein, wenn diese insoweit gar keine bewusste Entscheidung getroffen hat und die Auffassung vertritt, eine solche Entscheidung sei auch nicht notwendig. Dies erscheint zunächst befremdlich, erklärt sich aber daraus, dass die Auslegung eines VA nach dem Empfängerhorizont vorzunehmen ist. Enthält also ein Abschmelzungsbescheid nach § 48 Abs. 3 in seiner Begründung auch die Aussage, die vorherige GdB-Festsetzung sei zu hoch gewesen, kann dies ausreichen, um aus der Sicht des Empfängers eine Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Bescheides im o. g. Sinn anzunehmen.

Betrifft ein Bescheid mehrere trennbare einzelne Leistungen, ist das Aussparen nur bei der rechtswidrig begünstigenden Leistung vorzunehmen.

 

Rz. 62

Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift ist ein VA mit Dauerwirkung, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann (vgl. Komm. zu § 45). Da...

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