Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesellschafterbeschluß als Wirksamkeitsvoraussetzung für Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist der Gesellschafter einer GmbH zugleich deren Arbeitnehmer, so kann in seinem Arbeitsvertrag mit der GmbH wirksam vereinbart werden, daß zu seiner fristgerechten Kündigung die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich ist.

Eine solche Regelung stellt keine unzulässige Beschränkung der Vertretungsbefugnis des GmbH-Geschäftsführers dar.

 

Normenkette

GmbHG § 37 Abs. 2; BGB § 626 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 11.08.1993; Aktenzeichen 5 Sa 138/93)

ArbG Flensburg (Teilurteil vom 17.02.1993; Aktenzeichen 1 Ca 634/92)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 11. August 1993 – 5 Sa 138/93 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Beklagte ist Komplementär-GmbH der F… Fabrik GmbH und Co., Kommanditgesellschaft (im folgenden KG). Der Kläger ist der Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten und am Stammkapital der Beklagten mit 50 % sowie an den Kommanditanteilen der KG mit einem Drittel beteiligt. Bis zum 12. Juni 1979 war der Kläger Mitgeschäftsführer der Beklagten; nach seiner Abberufung als Geschäftsführer wurde er als Prokurist weiterbeschäftigt. In dem Gesellschaftsvertrag über die beklagte Komplementär-GmbH vom 6. Oktober 1978 heißt es in § 8 unter

  • Die Geschäftsführung bedarf der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung zu folgenden Geschäften:
  • Einstellung und Entlassung von Beschäftigten mit Gesamtjahresbezügen über 40.000,00 DM oder mit einer Vertragsdauer von mehr als zwei Jahren (mit Ausnahme von Auszubildenden) sowie jede Veränderung derartiger Verträge, insbesondere auch der Vergütung oder Vertragsdauer.

Für das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der Anstellungsvertrag vom 1. Oktober 1980 maßgeblich, in dem es u.a. heißt:

  • “§ 1

    Herr B… ist im Rahmen des Gesellschafter-Vertrages als Geschäftsführer/Vertrieb beschäftigt. Er verpflichtet sich, den Geschäftsführer/Verwaltung bei Bedarf zu vertreten.

  • § 8

    Alle weiteren Punkte regelt der Gesellschafts-Vertrag vom 06.10.1978, ebenso die Kündigung.”

Vor und nach seiner Abberufung als Mitgeschäftsführer der Beklagten leitete der Kläger weitgehend selbständig den Vertrieb des Unternehmens, während die Geschäftsführerin der Beklagten für den innerbetrieblichen und personellen Bereich einschließlich der Produktion, die einem Produktionsleiter unterstand, zuständig war. Ende März 1983 schlossen der Kläger und die Geschäftsführerin der Beklagten die Ehe; diese besteht de facto zumindest seit Mai 1992 nicht mehr.

Mit Schreiben vom 2. Juni 1992 forderte die Beklagte den Kläger u.a. auf, seine Reisekostenabrechnungen nach den gültigen “F… Reisekosten-Richtlinien-Stand 01/91” zu erstellen. Als der Kläger die Reisekostenabrechnung für den Monat Juni 1992 vorlegte, beanstandete die Beklagte diese mit Schreiben vom 14. Juli 1992. In dem Schreiben heißt es u.a.:

“Sehr geehrter Herr B…,

als Anlage reichen wir die am 13.07.92 abgegebene Reisekosten-Abrechnung 06/92 zurück.

Die Abrechnung entspricht nicht der Weisung vom 02.06.92.

Außerdem dürfen wird Sie bitten, bis zum 31.07.92 folgende Erläuterungen uns schriftlich zukommenzulassen:

Sollte sich herausstellen, daß die von Ihnen eingereichte Spesen-Abrechnung manipuliert ist, behalten wir uns arbeitsvertragliche Konsequenzen vor.”

Mit Schreiben vom 28. Juli 1992 kündigte die Beklagte, ohne daß bis dahin eine Stellungnahme des Klägers eingegangen wäre, das Arbeitsverhältnis fristlos zum 31. Juli 1992. Als Kündigungsgrund gab sie an, die Reisekostenabrechnungen des Klägers für die Monate Januar, Februar, März und Juni 1992 enthielten in erheblichem Umfang unrichtige Angaben und der Kläger habe für abgerechnete Spesen zu Unrecht Geld erhalten, mithin Spesenbetrug begangen.

Der Kläger hat behauptet, alle in den beanstandeten Spesenabrechnungen aufgeführten Aufwendungen habe ihm die Beklagte nach der bisher geübten Handhabung erstatten müssen. Wenn in einem gewissen Umfang private Ausgaben der Eheleute in seinen Reisekosten untergebracht worden seien, so sei dies im Einverständnis mit der Geschäftsführerin der Beklagten geschehen, die ihrerseits unstreitig in ganz erheblichem Umfang private Unkosten als Geschäftsausgaben abgerechnet habe. Jedenfalls hätte ihn die Beklagte vor Ausspruch einer Kündigung abmahnen müssen, wenn sie die bisherige großzügige Praxis der Spesenabrechnung habe ändern wollen. Davon abgesehen sei die Kündigung aber schon deshalb unwirksam, weil die nach dem Anstellungsvertrag und dem Gesellschafts-Vertrag erforderliche vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung im Zeitpunkt der Kündigung nicht vorgelegen habe. Schließlich habe die Beklagte auch länger als zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung Kenntnis von sämtlichen beanstandeten Spesenabrechnungen gehabt und hätte die Kündigung nicht aussprechen dürfen, ohne die von ihr selbst mit Schreiben vom 14. Juli 1992 bis zum 31. Juli 1992 gesetzte Erklärungsfrist abzuwarten.

Der Kläger hat – soweit der Rechtsstreit Gegenstand des Revisionsverfahrens ist – beantragt

festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis fortbesteht und nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 28. Juli 1992 beendet worden ist.

Die Beklagte hat zur Stützung ihres Klageabweisungsantrags behauptet, der Kläger habe Tankbelege, die er mit der Abrechnung für Juni 1992 eingereicht habe, selbst erstellt und auch sonst in zahlreichen Punkten zu Unrecht Spesen geltend gemacht und bezahlt erhalten. Die Geschäftsführerin habe nie ihr Einverständnis dazu erteilt, private Unkosten in den Reisekostenabrechnungen unterzubringen. Die Spesenabrechnungen des Klägers habe die Geschäftsführerin bis zu der Abrechnung Juni 1992 ohne jede Kontrolle unterzeichnet. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, die Geschäftsführerin habe selbst private Aufwendungen als Betriebsausgaben deklariert. Von dieser Praxis habe der Kläger in vollem Umfang Kenntnis gehabt und diese Abwälzung der Kosten der Haushaltsführung auf die KG sogar angeregt, da er nicht bereit gewesen sei, mehr als 2.000,00 DM monatlich zur Haushaltsführung beizutragen. Angesichts der schweren Verfehlungen des Klägers sei es ihr nicht zumutbar gewesen, den Kläger vor Ausspruch der fristlosen Kündigung abzumahnen. Die Geschäftsführerin habe die Kündigung auch ohne vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung aussprechen dürfen, ihre gesetzliche Vertretungsmacht sei unbeschränkbar. Jedenfalls habe aber die Gesellschafterversammlung am 12. Februar 1993 den Ausspruch der fristlosen Kündigung durch die Geschäftsführerin wirksam unter dem Tagesordnungspunkt “Sonstiges” nachträglich genehmigt, weil der Kläger unzulässigerweise mit abgestimmt habe.

Das Arbeitsgericht hat unter Klageabweisung im übrigen festgestellt, das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis sei durch die Kündigung der Beklagten nicht mit sofortiger Wirkung beendet worden, sondern ende fristgemäß erst zum 31. Dezember 1994. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, und auf die Anschlußberufung des Klägers festgestellt, das Dienstverhältnis ende auch nicht zum 31. Dezember 1994. Den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur der Feststellungsantrag des Klägers, nicht jedoch der Hilfsantrag der Beklagten auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Sowohl der Revisionsantrag als auch die Revisionsbegründung lassen erkennen, daß die Beklagte die Revision auf die Feststellung der Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der Kündigung beschränkt hat und den Auflösungsantrag in der Revisionsinstanz nicht weiterverfolgen will.

II. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die fristlose Kündigung der Beklagten sei schon deshalb rechtsunwirksam, weil im Zeitpunkt der Kündigung die nach der Satzung der Beklagten erforderliche vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung zu dieser Kündigung nicht vorgelegen habe. Eine unbeschränkbare Vertretungsmacht der Geschäftsführerin sei nur im Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten, nicht jedoch für den Rechtsverkehr zwischen der Gesellschaft und einem einzelnen Gesellschafter anzunehmen. Ob die Gesellschafterversammlung am 12. Februar 1993 der Kündigung zugestimmt habe, sei unerheblich, ein zustimmender Gesellschafterbeschluß habe jedenfalls keine Rückwirkung entfalten können. Der Kläger habe sich auch nach dem Arbeitsvertrag auf die im Gesellschaftsvertrag enthaltene Kündigungsbeschränkung der Beklagten gegenüber berufen können.

Abgesehen davon habe die Beklagte auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Von den geltend gemachten Kündigungsgründen habe sie bis 13. Juli 1992 Kenntnis gehabt, trotzdem das Kündigungsschreiben aber erst am 28. Juli 1992 abgefaßt. Die Kündigung sei des weiteren wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nichtig, da die Beklagte nicht den Ablauf der dem Kläger bis zum 31. Juli 1992 gesetzten Äußerungsfrist abgewartet habe. Schließlich sei mit dem erstinstanzlichen Urteil davon auszugehen, daß dem Kläger vor Ausspruch der fristlosen Kündigung eine Abmahnung hätte erteilt werden müssen.

Auch als fristgemäße Kündigung zum 31. Dezember 1994 könne die Kündigung nicht aufrechterhalten werden.

III. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die außerordentliche Kündigung der Beklagten sei bereits wegen Versäumung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam.

1. Nach § 626 Abs. 2 BGB beginnt die zweiwöchige Ausschlußfrist, innerhalb derer die außerordentliche Kündigung erfolgen muß, mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt. Für den Fristbeginn kommt es auf die sichere und möglichst vollständige positive Kenntnis des Kündigungssachverhalts an; selbst grob fahrlässige Unkenntnis genügt nicht. Zur Aufklärung des Sachverhalts kann der Kündigungsberechtigte die ihm nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführen, insbesondere dem Kündigungsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Durch derartige Maßnahmen kann die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB aber nicht länger als unbedingt nötig herausgeschoben werden. Ihr Beginn ist nur so lange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile tatsächlich Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAGE 24, 99, 104 f. = AP Nr. 2 zu § 626 BGB Ausschlußfrist, zu 3 der Gründe; BAGE 24, 341, 347 = AP Nr. 3 zu § 626 BGB Ausschlußfrist, zu II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 12. Februar 1973 – 2 AZR 116/72 – AP Nr. 6 zu § 626 BGB Ausschlußfrist, zu 2 der Gründe; BAG Urteil vom 10. Juni 1988 – 2 AZR 25/88 – AP Nr. 27 zu § 626 BGB Ausschlußfrist, zu III 2b und c der Gründe; BAG Urteil vom 31. März 1993 – 2 AZR 492/92 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Hält der Arbeitgeber einen bestimmten Kenntnisstand für ausreichend, eine fristlose Kündigung wegen Verdachts einer strafbaren Handlung oder wegen begangener Straftat auszusprechen, so muß er nach § 626 Abs. 2 BGB binnen zwei Wochen kündigen, nachdem er diesen Kenntnisstand erlangt hat (Senatsurteil vom 29. Juli 1993 – 2 AZR 90/93 – EzA § 626 BGB Ausschlußfrist Nr. 4). Darlegungs- und beweispflichtig für die Einhaltung der Ausschlußfrist ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (seit BAGE 24, 383, 393 ff. = AP Nr. 4 zu § 626 BGB Ausschlußfrist, zu II 2 der Gründe) der Arbeitgeber.

2. Durch die am 28. Juli 1992 gefertigte und dem Kläger entsprechend später zugegangene Kündigung hat die Beklagte – wie das Landesarbeitsgericht zu recht festgestellt hat – die zweiwöchige Ausschlußfrist nicht eingehalten, denn sie hat nicht vorgetragen, sie habe erst nach dem 13. Juli 1992 unter Berücksichtigung der erforderlichen und tatsächlich durchgeführten Ermittlungen von dem Kündigungssachverhalt Kenntnis erlangt.

a) Die Spesenabrechnung für den Monat Juni 1992 hat der Kläger der Geschäftsführerin der Beklagten nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts am 13. Juli 1992 übergeben. Die Spesenabrechnungen für die vorangegangenen Monate haben der Beklagten schon länger vorgelegen. Damit hatte die Geschäftsführerin der Beklagten bereits am 13. Juli 1992 Kenntnis über die wesentlichen Fakten, auf die sie den Verdacht bzw. den Vorwurf des Spesenbetrugs stützte. Die darlegungspflichtige Beklagte hat keine konkreten Tatsachen vorgetragen, von denen ihre Geschäftsführerin erst nach dem 13. Juli 1992 Kenntnis erlangt hätte. Zu Unrecht rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht habe nicht beachtet, daß die Spesenabrechnung für den Monat Juni erst habe geprüft werden müssen. Es fehlt jede konkrete Angabe dazu, ob und ggf. wann eine solche Prüfung stattgefunden hat, ob und ggf. wie lange die Beklagte weitere Ermittlungen angestellt hat und ob diese der Beklagten Kenntnis von weiteren Teilen des Kündigungssachverhalts verschafft haben. Dies hätte die Beklagte aber vortragen müssen, um die Einhaltung der Ausschlußfrist schlüssig darzulegen.

b) Auch durch die dem Kläger gesetzte Frist zur Stellungnahme ist der Beginn der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gehemmt worden. Die Beklagte hatte zwar, gerade weil neben einer Kündigung wegen vollendeten Spesenbetrugs auch eine Verdachtskündigung in Betracht kam, die Möglichkeit, den Kläger zu den Kündigungsgründen anzuhören und damit den Beginn der Ausschlußfrist hinauszuschieben. Von dieser Möglichkeit hat sie jedoch im Ergebnis nicht Gebrauch gemacht. Ursprünglich geplante Ermittlungsmaßnahmen, die der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung überhaupt nicht durchführt, sind nicht geeignet, den Lauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu hemmen. Wenn sich die Beklagte nach Absendung des Schreibens vom 14. Juli 1992 entschloß, ohne Anhörung des Klägers zu kündigen, so mußte sie dies innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB tun.

c) Zu Recht hat auch das Landesarbeitsgericht auf die Kenntnis der Geschäftsführerin der Beklagten abgestellt, die die Kündigung tatsächlich ausgesprochen hat. Die Beklagte selbst geht von deren Kündigungsberechtigung aus. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, wie die Bezugnahme in dem Anstellungsvertrag des Klägers auf den Gesellschaftsvertrag im Hinblick auf die Modalitäten einer Kündigung zu verstehen ist. Da neben dem Kläger und der Geschäftsführerin der Beklagten keine weiteren Gesellschafter vorhanden waren, konnte es unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt nur auf die Kenntnis der Geschäftsführerin der Beklagten von den Kündigungsgründen ankommen.

IV. Als fristgerechte Kündigung ist die Kündigung der Beklagten jedenfalls deshalb unwirksam, weil die Gesellschafterversammlung ihr nicht zugestimmt hat.

1. In § 8 des Anstellungsvertrages haben die Parteien ausdrücklich vereinbart, hinsichtlich der Kündigung des Klägers sollten die Regelungen des Gesellschaftsvertrages der Parteien gelten. Dies haben die Vorinstanzen, ohne daß die Beklagte insoweit eine Revisionsrüge erhoben hätte, zutreffend dahingehend ausgelegt, daß damit § 8 des Gesellschaftsvertrages anwendbar ist. Danach bedarf die Entlassung eines Angestellten mit einem Gehalt, wie es der Kläger bezog, der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien dahingehend ausgelegt hat, ein Verstoß gegen § 8 des Arbeitsvertrages solle zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Derartige im Gesetz, in Gesellschaftsverträgen und Satzungen vorgesehene “Zustimmungen” anderer Organe haben zwar häufig nicht die Bedeutung von Wirksamkeitsvoraussetzungen, sondern nur von Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis ohne Außenwirkung (MünchKomm-Thiele, BGB, 2. Aufl., vor § 182 Rz 17). Im vorliegenden Fall haben die Parteien aber gerade nicht lediglich eine allgemeine Bestimmung im Gesellschaftsvertrag für die Behandlung derartiger Geschäfte im allgemeinen Geschäftsverkehr getroffen, sondern zusätzlich im Einzelarbeitsvertrag des Klägers ausdrücklich die Kündigung des Klägers angesprochen und insoweit auf den Gesellschaftsvertrag bezug genommen. Dies spricht für die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, daß die Vertragsparteien nicht lediglich auf die insoweit eingeschränkten Befugnisse der Geschäftsführerin hinweisen, sondern zum Schutz des Klägers als Gesellschafter-Prokuristen eine unmittelbare Kündigungsbeschränkung vereinbaren wollten.

2. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend angenommen, daß eine solche einzelvertragliche Kündigungsregelung zumindest bei einer fristgerechten Kündigung unbedenklich ist. Ebenso wie die Arbeitsvertragsparteien die ordentliche Kündigung überhaupt ausschließen können, können sie die Kündigungsmöglichkeiten dadurch beschränken, daß das an sich vertretungsberechtigte Gesellschaftsorgan zum Ausspruch der Kündigung der vorherigen Zustimmung eines anderen Gesellschaftsorgans bedarf. Hier handelt es sich nicht darum, die Kündigung durch Rechtsgeschäft mit der Rechtsfolge der §§ 182 ff. BGB von der Zustimmung eines Dritten abhängig zu machen, was möglicherweise unzulässig wäre. Es geht nicht um die Zustimmung eines Dritten zu einem fremden Geschäft, sondern um die Regelung der Zuständigkeit zum Ausspruch der Kündigung innerhalb einer Gesellschaft (vgl. zu den Zustimmungsbefugnissen im Gesellschaftsrecht grundlegend Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, S. 46 ff.). Solche Klauseln, wie sie die Parteien vereinbart haben, dienen dem Schutz des Gesellschafters, der wie der Kläger nicht als Geschäftsführer an der Vertretung der Gesellschaft beteiligt ist. Wenn die Geschäftsführerin der Beklagten und der Kläger zu je 50 % an der Beklagten beteiligt sind und der Kläger seine Stellung als Mit-Geschäftsführer aufgab und zu der Beklagten in ein Arbeitsverhältnis eintrat, so sollte die entsprechende Vertragsklausel den Kläger ersichtlich gegen ein eigenmächtiges Vorgehen der Geschäftsführerin absichern. Kündigungsrechtliche Bedenken gegen eine solche Vertragsklausel sind nicht erkennbar. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem vergleichbaren Fall (Urteil vom 20. Oktober 1960 – 2 AZR 554/59 – BAGE 10, 122 = AP Nr. 1 zu § 164 HGB) bei einer Kommanditgesellschaft sogar erheblich weitergehend die Wirksamkeit einer Kündigungsbeschränkung anerkannt, die die – fristlose – Kündigung des Ehemanns der Kommanditistin der KG von der Zustimmung dieser Kommanditistin abhängig machte.

2. Ebenfalls zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Wirksamkeit des § 8 des Arbeitsvertrages auch nicht an § 37 Abs. 2 GmbHG scheitert. Danach hat eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis, insbesondere das Erfordernis der Zustimmung anderer Gesellschaftsorgane für einzelne Geschäfte nur gegen dritte Personen keine rechtliche Wirkung. Der Grundsatz der unbeschränkbaren Vertretungsmacht eines vertretungsberechtigten Gesellschafters gilt nicht für den Rechtsverkehr zwischen der Gesellschaft und einem einzelnen Gesellschafter. Wie der Bundesgerichtshof (BGHZ 38, 26, 33) zu §§ 125, 126 HGB, allerdings unter ausdrücklichem Hinweis auf §§ 35, 37 GmbHG dargelegt hat, dienen die zwingenden gesetzlichen Vorschriften über die rechtsgeschäftliche und organschaftliche Vertretungsbefugnis bei Personalhandelsgesellschaften und entsprechend bei juristischen Personen den Bedürfnissen des Handelsverkehr, der klare Rechtsverhältnisse erfordert. Es ist nicht möglich, daß ein Dritter, der Rechtsgeschäfte mit einem organschaftlichen Vertreter abschließt, in jedem einzelnen Fall über dessen Vertretungsbefugnis Erkundigungen einzieht. Im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem einzelnen Gesellschafter ist ein solcher Schutz nicht erforderlich. Für die Gestaltung der Vertretungsverhältnisse bei Rechtsgeschäften mit ihrer Gesellschaft kann den Gesellschaftern unbedenklich Dispositionsfreiheit gelassen werden, ohne gegen den gesetzlichen Grundgedanken, den Schutz des Geschäftsverkehrs zu verstoßen. Insoweit können die Gesellschafter die Vertretungsverhältnisse bei ihrer Gesellschaft in der von ihnen für richtig gehaltenen Weise regeln. Diese vom Bundesgerichtshof zur offenen Handelsgesellschaft entwickelten Rechtsgrundsätze müssen auch für die GmbH gelten (ebenso Scholz/Schneider, GmbHG, 8. Aufl., § 35 Rz 25 ff.; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, 2. Aufl., § 37 Rz 51; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 13. Aufl., § 35 Rz 15; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 15. Aufl., § 37 Rz 23, 29). Zumindest wenn sich die Beschränkung der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt und wie im vorliegenden Fall im Zusammenhang mit dem Anstellungsvertrag gerade dem Schutz des Gesellschafters dient, mit dem die Gesellschaft in vertragliche Beziehungen tritt, gilt die Beschränkung des § 37 Abs. 2 GmbHG nicht im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und diesem Gesellschafter. Würde man der Revision folgen und aus § 37 Abs. 2 GmbHG die Unwirksamkeit der Kündigung herleiten, so würde die Beklagte aus dem eigenen Verstoß ihrer Geschäftsführerin gegen die entsprechende Klausel des Gesellschaftsvertrages rechtliche Vorteile erlangen. Dies würde den Schutzzweck des § 37 Abs. 2 GmbHG in sein Gegenteil verkehren.

3. Zu Unrecht macht die Revision geltend, nach dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit dem Gesellschaftsvertrag sei auch eine nachträgliche Genehmigung der Kündigung durch die Gesellschafterversammlung möglich gewesen und diese sei in der Gesellschafterversammlung vom 12. Februar 1993 erteilt worden. Der Arbeitsvertrag macht durch die Verweisung auf den Gesellschaftsvertrag die Kündigung ausdrücklich von der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung abhängig. Damit ist die Kündigung unwirksam, wenn nicht vorher die Zustimmung der Gesellschafterversammlung vorliegt.

 

Unterschriften

Bitter, Bröhl, Schliemann, Dr. Fischer, Dr. Wolter

 

Fundstellen

Haufe-Index 856643

BB 1994, 1643

NJW 1994, 3117

NZA 1994, 934

ZIP 1994, 1290

GmbHR 1994, 629

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