Für jedes Kind wird immer nur einer Person Kindergeld gewährt (§ 64 Abs. 1 EStG). Doppelzahlungen sollen dadurch vermieden werden. Erheben mehrere Personen Anspruch auf Kindergeld für dasselbe Kind – besteht also eine sog. Anspruchskonkurrenz –, bestimmt § 64 Abs. 2 EStG, wer vorrangig berechtigt ist und damit das Kindergeld erhält. Bei den nachrangigen Berechtigten wird das Kind nur als "Zählkind" berücksichtigt, was zu einem höheren Anspruch auf Kindergeld für andere Kinder führen kann.

Obhutsprinzip bei Haushaltsaufnahme

Vorrangig berechtigt ist, wer das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).

 
Praxis-Beispiel

Lebt ein Kind bei Pflegeeltern, so sind diese vorrangig berechtigt vor den leiblichen Eltern. Der "Stiefvater", der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, hat Vorrang vor dem leiblichen Vater.

Berechtigtenbestimmung

Lebt ein Kind im gemeinsamen Haushalt von Eltern bzw. einem Elternteil und dessen Ehegatten, so bestimmen diese untereinander den Berechtigten (Berechtigtenbestimmung). Gleiches gilt für Pflegeeltern oder Großeltern, die ein Kind in ihren Haushalt aufgenommen haben. Nicht entscheidungserheblich ist, wer das alleinige Sorge- oder Erziehungsrecht innehat.

 
Praxis-Tipp

Nach den Vorschriften im EStG können auch nicht verheiratete Eltern eine Berechtigtenbestimmung treffen, vorausgesetzt die Eltern des nichtehelich geborenen Kindes führen einen gemeinsamen Haushalt.

Bitte beachten Sie, dass eine Berechtigtenbestimmung nur bei Führung eines gemeinsamen Haushalts zulässig ist.

Eltern, die dauerhaft getrennt leben, können – unabhängig vom Familienstand – eine Berechtigtenbestimmung grundsätzlich nicht treffen. Eine Ausnahme ist anzunehmen, wenn ein Kind seinen Lebensmittelpunkt bei beiden getrennt lebenden Eltern hat. Eine annähernd gleichwertige Aufnahme in den Haushalt beider Eltern ist jedoch nur anzunehmen, wenn keinem der Aufenthalte ein eindeutiges Übergewicht zukommt. Die Betreuung des Kindes im Haushalt muss einen zeitlich bedeutsamen Umfang haben, die Aufenthalte des Kindes dürfen nicht nur Besuchs- oder Feriencharakter haben. Liegt eine Aufnahme in den Haushalt beider Eltern vor, bestimmen die Eltern analog § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG den Kindergeldberechtigten untereinander.[1]

Die Berechtigtenbestimmung ist jederzeit widerruflich. Ein Widerruf wirkt allerdings nur für die Zukunft.

Haben die Eltern eines Kindes einen Elternteil als Kindergeldberechtigten bestimmt, so verliert diese Berechtigtenbestimmung i. d. R. ihre Bedeutung, wenn sich die Eltern trennen und das Kind ausschließlich im Haushalt eines der beiden Elternteile lebt. Das Kindergeld ist dann zwingend an den Elternteil zu zahlen, in dessen Haushalt das Kind nunmehr lebt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die ursprüngliche Berechtigtenbestimmung lebt nicht wieder auf, wenn die Eltern und das Kind wegen eines Versöhnungsversuchs wieder in einem gemeinsamen Haushalt leben.[2] in diesem Fall ist eine neue Berechtigtenbestimmung erforderlich. Die ursprüngliche Berechtigtenbestimmung lebt nur ganz ausnahmsweise, wenn das Kind nach der Trennung der Eltern in etwa annähernd gleichwertigem Umfang bei beiden Elternteilen lebt, fort.[3]

Wird eine Berechtigtenbestimmung nicht getroffen, so entscheidet auf Antrag das Familiengericht. Den Antrag kann jede Person oder Einrichtung stellen, die ein berechtigtes Interesse an der Zahlung des Kindergelds hat.

Lebt ein Kind im gemeinsamen Haushalt von Eltern und Großeltern, so wird das Kindergeld vorrangig einem Elternteil gezahlt. Verzichtet der Elternteil schriftlich auf seinen Vorrang, so wird das Kindergeld an einen Großelternteil gezahlt.

 
Praxis-Beispiel

Die in einer Erstausbildung stehende Anna, Mutter eines 2021 geborenen Kindes, führt mit ihren Eltern (= den Großeltern des Kindes) und ihren jüngeren Schwestern Berta und Cäcilie einen gemeinsamen Haushalt. Das Kindergeld für das Neugeborene ist vorrangig der Kindesmutter Anna auszuzahlen. Sie erhält im Falle der Antragstellung 219 EUR.

Bezieht der Großvater – von der Großmutter zum "Kindergeldberechtigten" bestimmt – selbst noch Kindergeld für seine Töchter Anna, Berta und Cäcilie, so ist es vorteilhaft, wenn Anna auf ihren Kindergeldanspruch für das Neugeborene zugunsten des Großvaters verzichtet. Er erhält dann je 219 EUR für seine Töchter Anna und Berta, 225 für Cäcilie sowie 250 EUR für sein Enkelkind, das nunmehr bei ihm als "viertes Kind" berücksichtigt werden kann.

Nicht in den Haushalt aufgenommene Kinder

Ist das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen – führt es z. B. während des Studiums einen eigenen Haushalt –, so erhält derjenige das Kindergeld, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt. Nicht entscheidend ist, wer bei Minderjährigen das Sorgerecht innehat.

Zahlen mehrere Berechtigte dem Kind Unterhalt, so ist derjenige vorrangig, der die höchste Unterhaltsrente zahlt (§ 64 Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG).

Werden gleich hohe Unterhaltsrenten gezahlt oder zahlt keiner der Berechtigten dem Kind Unterhalt, so besti...

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