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BVerfG Beschluss vom 06.12.2021 - 1 BvR 1380/20

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnung der Auslagenerstattung nach Erledigterklärung (§ 34a Abs 3 BVerfGG) sowie Gegenstandswertfestsetzung im Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

Normenkette

BVerfGG § 34a Abs. 3; RVG § 14 Abs. 1, § 37 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 22.09.2020; Aktenzeichen 27 O 196/20)

BVerfG (Einstweilige Anordnung vom 17.06.2020; Aktenzeichen 1 BvR 1380/20)

BVerfG (Beschluss vom 17.06.2020; Aktenzeichen 1 BvR 1380/20)

LG Berlin (Beschluss vom 12.05.2020; Aktenzeichen 27 O 196/20)

 

Tenor

1. Das Land Berlin hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde zu erstatten.

2. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 25.000 Euro (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro), für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde auf 5.000 Euro (in Worten: fünftausend Euro) festgesetzt.

 

Gründe

Rz. 1

1. Im vorliegenden Verfahren hat die Kammer am 17. Juni 2020 im Wege der einstweiligen Anordnung die Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin vom 12. Mai 2020, mit dem der Beschwerdeführerin die Wiederholung bestimmter Äußerungen untersagt worden war, ausgesetzt (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Juni 2020 - 1 BvR 1380/20 -).

Rz. 2

Mit Schriftsatz vom 13. August 2021 ließ die Beschwerdeführerin mitteilen, dass das Landgericht nach Erlass der einstweiligen Anordnung die Widerspruchsverhandlung durchgeführt und die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 22. September 2020 bestätigt habe. Sie habe entschieden, den Streit in dem fachgerichtlichen Verfahren nicht weiter zu führen. Vor diesem Hintergrund erklärte die Beschwerdeführerin das Verfassungsbeschwerdeverfahren für erledigt und beantragte, dem Land Berlin die Erstattung der notwendigen Auslagen aufzuerlegen sowie den Gegenstandswert für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie für das Verfassungsbeschwerdeverfahren festzusetzen.

Rz. 3

2. Nach der Erledigungserklärung der Beschwerdeführerin ist gemäß § 34a Absatz 3 BVerfGG nach Billigkeit über die Auslagenerstattung zu entscheiden. Eine Auslagenerstattung entspricht der Billigkeit, soweit ausnahmsweise die Erfolgsaussichten im Verfassungsbeschwerdeverfahren unterstellt werden können, weil die verfassungsrechtliche Lage insoweit schon geklärt ist (vgl. BVerfGE 133, 37 ≪38 Rn. 2≫; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 25. August 2020 - 1 BvR 2309/19 -, Rn. 3 und vom 7. Juli 2021 - 1 BvR 249/21 -, juris, Rn. 3).

Rz. 4

Nach diesem Maßstab entspricht im vorliegenden Fall die vollständige Auslagenerstattung der Billigkeit. Eine Klärung der verfassungsrechtlichen Lage, aufgrund derer ein Obsiegen der Beschwerdeführerin im Verfassungsbeschwerdeverfahren unterstellt werden kann, ist hinsichtlich des mit Beschluss der Kammer vom 17. Juni 2020 außer Vollzug gesetzten Beschlusses des Landgerichts gegeben. Denn die Kammer hat ihren Beschluss gerade mit Blick auf die insoweit offenkundigen Erfolgsaussichten der gleichzeitig eingelegten Verfassungsbeschwerde erlassen.

Rz. 5

3. Die Festsetzung des Gegenstandswerts hat gesondert für die Verfahren der einstweiligen Anordnung und der Verfassungsbeschwerde zu erfolgen, wobei jeweils mindestens 5.000 Euro anzusetzen sind. Dabei ist der Gegenstandswert des Verfassungsbeschwerdeverfahrens grundsätzlich höher als derjenige der einstweiligen Anordnung zu bemessen. Anders liegt es jedoch, wenn das Verfahren der einstweiligen Anordnung die Hauptsache im Wesentlichen ersetzt und vorweggenommen hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 25. August 2020 - 1 BvR 2309/19 -, Rn. 3 mit Verweis auf Barczak, in: ders., BVerfGG, § 32 Rn. 81 sowie Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juli 2021 - 1 BvR 249/21 -, juris, Rn. 5).

Rz. 6

Um einen solchen Fall handelt es sich hier, da die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin aufgrund des offensichtlichen Verstoßes gegen die prozessuale Waffengleichheit im einstweiligen Verfügungsverfahren außer Wirksamkeit gesetzt wurde. Bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung hatte die Kammer die in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren zu klärenden Tatsachen- und Rechtsfragen verfassungsgerichtlich zu beurteilen. Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist somit im Wesentlichen an die Stelle des Verfassungsbeschwerdeverfahrens getreten, so dass sich sein Gegenstandswert dem Wert einer stattgebenden Kammerentscheidung im Verfassungsbeschwerdeverfahren annähert. Im Gegenzug war das nach Rücknahme des Verfügungsantrags für erledigt erklärte Verfassungsbeschwerdeverfahren nur mit dem Mindestwert von 5.000 Euro zu veranschlagen.

Rz. 7

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14988137

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