Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BSG Urteil vom 22.04.1965 - 10 RV 42/65

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen
 

Leitsatz (redaktionell)

Unterbleibt die in SGG § 112 Abs 1 vorgeschriebene Darstellung des Sachverhalts, so stellt das einen wesentlichen Verfahrensmangel iS der SGG §§ 150 Nr 2, 162 Abs 1 Nr 2 dar.

 

Orientierungssatz

Das Unterbleiben der Darstellung des Sachverhalts in der mündlichen Verhandlung ist ein wesentlicher Mangel des Verfahrens.

 

Normenkette

SGG § 112 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1953-09-03, § 150 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03, § 162 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 3. Dezember 1964 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger begehrt Einkommensausgleich gemäß § 17 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Das Versorgungsamt lehnte den Antrag ab. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) hat die zugelassene Berufung durch Urteil vom 3. Dezember 1964 als unbegründet zurückgewiesen, ohne die Revision zuzulassen. In der Niederschrift über die Sitzung des LSG ist der Vordruck über die Darstellung des Sachverhalts durchstrichen; in ihr ist zuerst vermerkt, daß und mit welchem Ergebnis der Beigeladene B befragt worden ist, und daß dann der Kläger und der Vertreter des Beklagten das Wort erhalten und Anträge zur Sache gestellt haben.

Der Kläger hat gegen das ihm am 28. Dezember 1964 zugestellte Urteil des LSG mit Schriftsatz vom 13. Januar 1965, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 14. Januar 1965, Revision eingelegt und sie gleichzeitig begründet. Er beantragt,

die Sache unter Aufhebung des Berufungsgerichts vom 3. Dezember 1964 zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht zurückzuverweisen,

und die Kostenentscheidung dem abschließenden Urteil vorzubehalten.

In der Revisionsbegründung, auf die Bezug genommen wird, rügt der Kläger als wesentliche Verfahrensmängel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Verstöße gegen die §§ 103, 106 und 128 SGG, vor allem aber gegen § 112 Abs. 1 SGG. Er meint, diese Vorschrift habe das LSG dadurch verletzt, daß es ohne vorherige Darstellung des Sachverhalts durch den Berichterstatter in eine Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses eingetreten sei. Als Beweis dafür diene das Protokoll über die mündliche Verhandlung des LSG vom 3. Dezember 1964, in dem die Worte "Nach Darstellung des Sachverhalts durch den Berichterstatter erhielten ..." gestrichen sind.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

sie als unbegründet zurückzuweisen.

Er erklärt, er könne zu der vom Kläger gerügten Verletzung des § 112 Abs. 1 SGG ohne Einsicht in das Protokoll nicht Stellung nehmen und stelle anheim, die angebotenen Beweise zu erheben.

Die Revision ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Da das LSG die Revision nicht gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen und auch nicht über die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs unter Anwendung der Kausalitätsnorm im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG zu entscheiden gehabt hat, ist die Revision nur statthaft, wenn mit Erfolg ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG gerügt wird (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG; BSG 1, 150). Der Kläger hat als wesentliche Verfahrensmängel Verstöße gegen verschiedene Vorschriften des SGG gerügt. Für die Statthaftigkeit der Revision genügt es, wenn eine dieser Verfahrensrügen durchgreift; auf weitere Verfahrensrügen braucht dann nicht mehr eingegangen zu werden (vgl. BSG in SozR SGG § 162 Nr. 122). Der Kläger rügt vornehmlich, daß in der Sitzung des LSG vom 3. Dezember 1964 die Darstellung des Sachverhalts durch den Berichterstatter unterblieben und dadurch § 112 Abs. 1 SGG verletzt sei, was einen wesentlichen Verfahrensmangel bedeute. Diese Rüge ist auch gerechtfertigt.

Nach § 112 Abs. 1 SGG eröffnet und leitet der Vorsitzende die mündliche Verhandlung. Sie beginnt nach Aufruf der Sache mit der Darstellung des Sachverhalts. Diese Vorschrift ist vom LSG in der Sitzung vom 3. Dezember 1964 nicht beachtet worden. Ausweislich der Sitzungsniederschrift, gegen deren Richtigkeit und Vollständigkeit keine Einwendungen erhoben worden sind, sind in dem dafür verwendeten Formblatt die vorgedruckten Worte "Nach Darstellung des Sachverhalts durch den Berichterstatter erhielten ..." handschriftlich gestrichen worden. Der im Formblatt auf die gestrichenen Worte folgende Text ist dann handschriftlich geändert und durch Einfügung des Wortes "erhielten" ergänzt worden. In dieser Hinsicht enthält die Niederschrift nunmehr nur noch folgenden Wortlaut: "Die Beteiligten erhielten das Wort. Das Sach- und Streitverhältnis wurde mit ihnen erörtert." Darauf folgen die Sachanträge und schließlich die Feststellung über den Schluß der mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden. Dieser Ablauf des Verfahrens verstößt gegen § 112 Abs. 1 SGG und begründet einen wesentlichen Verfahrensmangel. Die Darstellung des Sachverhalts ist das Kernstück und ein wesentlicher Bestandteil der mündlichen Verhandlung (vgl. Teutsch, KOV 1954, 83). Sie bildet die Grundlage und ergibt zusammen mit den sich anschließenden Erklärungen der Beteiligten und den Erörterungen mit dem Gericht überhaupt erst die mündliche Verhandlung, deren Zweck es ist, durch umfassende Klärung und Erörterung des Streitstoffes die Voraussetzungen einer einwandfreien Urteilsfindung zu schaffen. Die Darstellung des Sachverhalts soll einerseits die Unterrichtung der Beteiligten über die für die Beurteilung bedeutsamen Umstände und damit die Erörterung des Streitstoffes in dem für die Entscheidung erheblichen Umfang sicherstellen sowie den Beteiligten Gelegenheit bieten, die in dieser Hinsicht wesentlichen Tatsachen zu erkennen und, soweit erforderlich, zu ergänzen oder richtigzustellen. Sie soll andererseits die Richter - die mit der Sache bisher nicht unmittelbar befaßten Berufsrichter ebenso wie die ehrenamtlichen Beisitzer - mit dem Gegenstand des Rechtsstreits und der Verhandlung so vollständig vertraut machen, daß sie wissen, worauf es bei der dann zu treffenden Entscheidung ankommt, und daß sie der Verhandlung folgen sowie unter Umständen auch Fragen stellen können (§ 112 Abs. 4 SGG), um damit in der Lage zu sein, den geltend gemachten Anspruch auch sachgerecht beurteilen zu können. Dies ist vor allem den ehrenamtlichen Beisitzern aber nicht möglich, wenn sie die für die Entscheidung wesentliche Umstände erst während der Beratung erfahren. Unterbleibt die im Gesetz vorgeschriebene Darstellung des Sachverhalts, so fehlt eine wesentliche Voraussetzung für eine verfahrensrechtlich einwandfreie mündliche Verhandlung. Eine so unvollständige Verhandlung kann nicht als ordnungsmäßige Grundlage der zu treffenden Entscheidung betrachtet werden, zumal das Gericht sich seine Überzeugung unmittelbar aus der mündlichen Verhandlung bilden soll. Die Vorschrift des § 112 Abs. 1 SGG enthält eine aus rechtsstaatlichen Gründen im öffentlichen Interesse zwingend gebotene Regelung. Deren Nichtbeachtung durch Unterlassung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Darstellung des Sachverhalts begründet einen wesentlichen Verfahrensmangel.

Die Rüge des Klägers ist daher gerechtfertigt und seine Revision schon aus diesem Grunde statthaft gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG, ohne daß auf die weiter geltend gemachten Verfahrensrügen eingegangen zu werden braucht. Die sonach zulässige Revision ist auch begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf dem gerügten wesentlichen Verfahrensmangel. Es ist möglich, daß das LSG bei einer verfahrensrechtlich einwandfrei durchgeführten Verhandlung eine andere Entscheidung getroffen hätte. Das Urteil des LSG mußte daher mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben werden. Gleichzeitig war die Sache zur erneuten Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Dem Senat erschien dies tunlich zur Herbeiführung einer verfahrensrechtlich einwandfreien Verhandlung durch das LSG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380357

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • Jahresabrechnung / 1.4 Wann ist die Jahresabrechnung vorzulegen?
    7
  • § 22 Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) / I. Tathandlung: Körperliche Misshandlung und/oder Gesundheitsbeschädigung
    2
  • AGS 7/2016, Keine Mutwilligkeit, wenn Rechtswahrnehmung ... / 2 Aus den Gründen
    2
  • AGS 7/2017, Verfahrenswert eines Freistellungsanspruchs ... / 2 Aus den Gründen
    2
  • FF 01/2013, Illoyale Vermögensminderung und Zugewinnausg ... / Aus den Gründen:
    2
  • FoVo 06/2024, Die Rechte des miterbenden Schuldners in der Insolvenz
    2
  • zfs 03/2009, Problemfelder zum Punktesystem aus Sicht de ... / 2. Bindung an die rechtskräftige Entscheidung
    2
  • § 12 Erbengemeinschaft / 8. Prozesskostenhilferecht
    1
  • § 12 Produkthaftpflichtversicherung / (4) Sonstige Voraussetzungen
    1
  • § 12 Produkthaftpflichtversicherung / VIII. Zeitliche Begrenzung (Ziff. 7)
    1
  • § 16 Der Pflichtteil im Steuerrecht / 7. Besteuerung des Pflichtteils
    1
  • § 2 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) / 2. Auf das Ausscheiden des Gesellschafters anwendbare Vorschriften
    1
  • § 2 Pflichten aus dem Anwaltsvertrag / bb) Rechtswahlklauseln
    1
  • § 2 Urheberrecht / 5. Schutz des Sendeunternehmens
    1
  • § 22 Handelsregister und Erbfolge / 1. Rechtsübergang in Erbengemeinschaft
    1
  • § 25 Mitbestimmungs- und Arbeitsrecht / 3. Grundsätze für Sozialplanabfindungen
    1
  • § 3 Testamentsgestaltung / ee) Behinderungen
    1
  • § 3 Trennung der Eheleute / 2. Verbindlichkeiten nach der Trennung und Scheidung
    1
  • § 41 Gebühren des Anwalts in Strafsachen
    1
  • § 5 Einstweiliger Rechtsschutz nach dem FamFG / II. Zuständigkeit
    1
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop
Produktempfehlung


Zum Thema Recht
Die digitale Fachbibliothek: Deutsches Anwalt Office Premium
Deutsches Anwalt Office Premium
Bild: Haufe Shop

Neben 150 Fachbüchern, Zeitschriften und einer Entscheidungsdatenbank bietet diese Fachbibliothek nützliche Umsetzungshilfen für die tägliche Fallbearbeitung sowie ein umfassendes Fortbildungsangebot.


Sozialgerichtsgesetz / § 112 [Mündliche Verhandlung]
Sozialgerichtsgesetz / § 112 [Mündliche Verhandlung]

  (1) 1Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung. 2Sie beginnt nach Aufruf der Sache mit der Darstellung des Sachverhalts.  (2) 1Sodann erhalten die Beteiligten das Wort. 2Der Vorsitzende hat das Sach- und Streitverhältnis mit den ...

4 Wochen testen


Newsletter Recht
Newsletter Recht - Wirtschaftsrecht

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Wirtschaftsrecht frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Gewerblicher Rechtsschutz
  • Vertriebsrecht
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
Haufe Fachmagazine
Themensuche
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
Zum Recht Archiv
Haufe Group
Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Advolux Haufe Onlinetraining rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt
Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
Haufe Shop Recht
Anwaltssoftware Anwaltliches Fachwissen Software Gesellschafts- & Wirtschaftsrecht Lösungen Alle Recht Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren