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BSG Urteil vom 15.12.1955 - 4 RJ 108/54

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Leitsatz (amtlich)

Die unzutreffende Beurteilung von Mängeln im Verfahren der ersten Instanz durch das Berufungsgericht stellt keinen Mangel des Berufungsverfahrens dar.

Ein in einem früheren Rechtszuge unterlaufener Verfahrensmangel kann nur dann das Verfahren weiterer Instanzen gleichermaßen als fehlerhaft erscheinen lassen, wenn der Mangel von Amts wegen in jeder Instanz zu berücksichtigen ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Übernahm ein Versicherungsträger die Invalidenrente, die einem Vertriebenen in seiner Heimat bewilligt worden war, ohne Anerkennung einer Zahlungsverpflichtung widerruflich, so kann er bei Erfolglosigkeit eines Rentenentziehungsversuches die Entscheidung des LSG als zweite Tatsacheninstanz nicht wegen Verfahrensmangels mit dem Hinweise angreifen, es habe nie eine förmliche Rentenbewilligung seitens eines Versicherungsträgers der Bundesrepublik vorgelegen.

2. Selbst wenn die erste Tatsacheninstanz prozessuale Vorgänge unrichtig beurteilt hat, so weist bei Übersehen dieser Tatsache durch die zweite Instanz deren Urteil allenfalls inhaltlich-sachliche, nicht aber Verfahrensmängel auf, es sei denn, es handele sich um einen Mangel, der von Amts wegen und in jeder Instanz zu berücksichtigen ist.

 

Normenkette

SGG § 162 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des ... Landessozialgerichts ... vom 6. Juli 1954 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Die Gebühr für die Berufstätigkeit des Rechtsanwalts ... vor den Bundessozialgericht wird auf ... DM festgesetzt.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Der im Jahre 1916 geborene Kläger hatte seit dem Jahre 1943 von der Landesversicherungsanstalt (LVA.) ... die Invalidenrente für die Folgen seiner Kriegsverletzungen - insbesondere den Verlust des rechten Unterschenkels - bezogen. Nach seiner Flucht nach ... seinem jetzigen Wohnsitz, zahlte die Beklagte nach ärztlicher Begutachtung dem Kläger auf seinen Antrag vom 30. September 1946 vom 1. Mai 1948 an "die von einem außerbayerischen Versicherungsträger zuerkannte Rente ... ohne Anerkennung einer Zahlungsverpflichtung und auf Widerruf weiter ...". Auf Grund erneuter ärztlicher Begutachtung entzog die Beklagte dem Kläger "die mit Bescheid der Landesversicherungsanstalt ... bewilligte Invalidenrente ..." Ende Juli 1952; sie ging hierbei davon aus, im Zustand des Klägers wäre durch Anpassung und Gewöhnung eine wesentliche Änderung eingetreten, die ihn wieder befähigte, mindestens ein Drittel des ortsüblichen Lohnes zu verdienen.

Während der Kläger mit seiner Berufung an das Oberversicherungsamt (OVA.) ... keinen Erfolg hatte, erklärte das ... Landessozialgericht (LSGer.) auf den gegen jenes Urteil eingelegten, nach § 215 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Berufung übergegangenen Rekurs die Beklagte für verpflichtet, dem Kläger ab 1. Januar 1953 die Invalidenrente wieder zu gewähren, während es die Berufung im übrigen zurückwies.

Das LSGer. schließt sich in seiner Urteilsbegründung im wesentlichen der nach seiner Auffassung von sämtlichen Gutachtern wie auch von der Beklagten selbst vor dem Inkrafttreten des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes (SVAG) übereinstimmend vertretenen Auffassung an, daß der Kläger zwar weniger als 66 2/3 %, jedoch mehr als 50 % des vergleichbaren Lohnes habe verdienen können. Es sieht diese Auffassung auch nicht dadurch als entkräftet an, daß der Kläger für seine Arbeit den vollen Lohn beziehe, da er den Arbeitsplatz einzig seiner Schwerbeschädigteneigenschaft zu verdanken habe, und verneinte schließlich auch die Möglichkeit, daß der Kläger bei einem Wohnsitzwechsel die erforderliche Lohnhälfte werde verdienen können. Die Revision gegen sein Urteil hat das LSGer. nicht zugelassen.

Gegen dieses Urteil vom 6. Juli 1954, dessen Zustellung an die Beklagte sich nicht nachweisen läßt, hat diese am 11. November 1954 Revision eingelegt und die Revision am 22. November 1954 begründet.

Die Beklagte rügt als wesentlichen Mangel des Verfahrens, daß über die Rentenentziehung nach § 1293 Reichsversicherungsordnung (RVO) entschieden sei, ohne daß eine rechtskräftige Rentenfestsetzung durch sie selbst vorausgegangen wäre. Die von der LVA. ... ausgesprochene Rentenbewilligung habe nur jene gebunden. Eine der Beklagten gegenüber wirksame Rentenfeststellung sei jedoch weder nach dem Bayerischen Flüchtlingsgesetz vom 3. Dezember 1947 (GVOBl. S. 215) noch nach dem Fremdrentengesetz vom 7. August 1953 (BGBl. I S. 848) erfolgt.

Im übrigen rügt die Beklagte die materiell-rechtliche Entscheidung des LSGer.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und das Urteil des OVA. ... vom 8. Mai 1953 wieder herzustellen.

Der Kläger beantragt demgegenüber,

die Revision der Beklagten zu verwerfen und ihr die Kosten des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.

Der Kläger bestreitet das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels. Ein etwaiger Mangel sei im übrigen durch Zeitablauf längst geheilt. Die Beklagte habe schließlich die jetzt von ihr vermißte förmliche Feststellung durch Bescheid selbst schuldhaft unterlassen; ihre Berufung auf diesen Sachverhalt sei dolos. Von einem Eingehen auf die materiell-rechtlichen Rügen sieht der Kläger ab, da die Revision insoweit nicht zugelassen sei.

 

Entscheidungsgründe

I. Da der Tag der Zustellung des angefochtenen Urteils sich nicht nachweisen läßt, muß die formgerechte Revision als fristgerecht eingelegt und begründet angesehen werden.

II. Die Revision ist jedoch nicht statthaft.

Sie wäre, da sie nicht zugelassen ist, im vorliegenden Fall nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG nur statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens schlüssig gerügt worden wäre und vorläge.

Als Verfahrensmangel sieht die Beklagte es an, daß sie selbst einen förmlichen Rentenbescheid niemals erlassen habe, so daß für ein Rentenentziehungsverfahren nach § 1293 RVO und für dessen Überprüfung im Rechtszuge kein Raum gewesen sei.

Diese Rüge ist nicht schlüssig:

Als Verfahrensmangel kann grundsätzlich nur ein verfahrensmäßig unrichtiges Verhalten des Gerichts, dessen Urteil angefochten ist, in Frage kommen. Nur der Weg zum Urteil, - also die bis zur Urteilsfindung und die bei dieser selbst anzuwendenden Verfahrensvorschriften -, nicht aber der sachliche Inhalt des Urteils fällt unter den § 162 Abs. 2 Nr. 2 SGG.

Die unzutreffende Beurteilung prozessualer Vorgänge der ersten Instanz ist ein inhaltlicher Mangel des Berufungsurteils und kein Verfahrensmangel (Stein-Jonas-Schönke, 18. Aufl. § 554 ZPO Anm. III 3 a). Selbst wenn das Urteil der ersten Instanz prozeßordnungswidrig ergangen ist, leidet ein darauf aufbauendes Urteil des Berufungsgerichts nicht an einem Verfahrensmangel, sondern ist höchstens sachlich unrichtig (vgl. RGZ. 1932 S. 330 (338)). Im vorliegenden Fall wird von der Beklagten aber nicht einmal das Verfahren der ersten Instanz, sondern nur gerügt, ihr eigener, jenem Urteil der ersten Instanz zugrunde liegender Bescheid sei nicht rechtmäßig erlassen. Wenn die Vorinstanzen diesen Bescheid in ihren Entscheidungen als rechtmäßig erlassen behandelt haben, so liegt darin eine - möglicherweise - unrichtige Sachentscheidung, aber kein Verfahrensverstoß.

Ein in einem früheren Rechtszuge unterlaufender Verfahrensmangel kann nur dann das Verfahren weiterer Instanzen gleichermaßen als fehlerhaft erscheinen lassen, wenn es sich um einen Mangel handelt, der von Amts wegen und in jeder Instanz zu berücksichtigen ist, weil er die Grundlagen des Verfahrens überhaupt erschüttern kann (z. B. irrige Annahme der Zulässigkeit des Rechtsweges). Ein derartiger Ausnahmefall ist hier nicht gegeben; die erhobene Rüge ist daher bereits unschlüssig.

Es kann deshalb für die vorliegende Entscheidung auch dahingestellt bleiben, ob die Auffassung der Beklagten, bis zur Erteilung des Entziehungsbescheids habe für sie keine rechtliche Verpflichtung zur Rentenzahlung bestanden, zutrifft; es braucht auch nicht erörtert zu werden, ob nicht etwa der Entziehungsbescheid in einen ordnungsmäßigen Bescheid auf Ablehnung einer Rentenbewilligung umzudeuten ist (vgl. Urt. des Bayer. LSGer. vom 26.10.1954 in Sozialgerichtsbarkeit 1955 S. 345).

III. Die Revision war daher als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Festsetzung der Höhe der Gebühr für den Rechtsanwalt auf § 196 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2373400

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