Entscheidungsstichwort (Thema)
Beteiligung von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen am sozialgerichtlichen Verfahren
Orientierungssatz
1. Einzelne Mitglieder einer nichtrechtsfähigen Personenvereinigung können nicht Beteiligte des Verfahrens sein.
2. Eine Verfahrensunterbrechung tritt auch dann nicht ein, wenn die Personenvereinigung aufgelöst wird und sie durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war (§ 1246 Abs 1 Halbs 1 ZPO iVm § 202 SGG) und die Vollmacht durch die Auflösung nicht aufgehoben wurde (§ 86 Halbs 1 ZPO iVm § 73 Abs 4 SGG).
Normenkette
SGG § 70 Nr 2, § 73 Abs 4, § 202; ZPO § 246 Abs 1 Halbs 1, § 86 Halbs 1
Gründe
Die Beschwerden sind unbegründet. Mit ihnen wird allein geltend gemacht, das Verfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) leide an einem wesentlichen Mangel des Verfahrens (§ 160 Abs 2 Nr 3 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Einer der gerügten Mängel liegt jedoch nicht vor.
Die Beschwerdeführer rügen zunächst, Beteiligte des Rechtsstreits auf der Klägerseite seien die einzelnen "Gesellschafter" der Ökumenischen Stiftung Haus Victoria gewesen, die deshalb hätten geladen, jedenfalls aber beigeladen werden müssen. Da das unterblieben sei, habe das LSG § 70 Nr 2 bzw § 75 Abs 2 SGG verletzt. Das trifft nicht zu. Im sozialgerichtlichen Verfahren sind nach § 70 Nr 2 SGG auch nicht rechtsfähige Personenvereinigungen fähig, am Verfahren beteiligt zu sein. Damit sollten sie die Möglichkeit erhalten, ihre Belange vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu vertreten, ohne den Umweg über ihre Mitglieder gehen zu müssen (vgl BSG SozR Nr 8 zu § 70 SGG betreffend eine Erbengemeinschaft). Macht eine Personenvereinigung hiervon Gebrauch, so ist sie als solche am Rechtsstreit beteiligt. Daneben sind nicht auch ihre Mitglieder Beteiligte des Verfahrens. Die gegenteilige Auffassung ist mit dem Sinn des § 70 Nr 2 SGG unvereinbar. Sie wird auch nicht durch die Hinweise der Beschwerden auf zivilrechtliches und zivilprozessuales Schrifttum gestützt. Denn das Gesetz hat für das sozialgerichtliche Verfahren die Beteiligtenfähigkeit in § 70 Nr 2 SGG weiter gefaßt als die Zivilprozeßordnung (ZPO) für den Zivilprozeß.
Bei der handelte es sich um eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung iS des § 70 Nr 2 SGG. Das LSG hat hierzu festgestellt, sie habe sich unter ihrem Namen als Arbeitgeberin rechtsgeschäftlich betätigt, zB durch Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern und Erwerb der für den Heimbetrieb erforderlichen sächlichen Mittel; sie habe selbst auch gegenüber der Beklagten Arbeitgeberpflichten erfüllt, indem sie Arbeitnehmer an- und abmeldete sowie die anfallenden Beiträge nachwies und sie abführte. Der Vorsitzende ihres Kuratoriums hat dem Prozeßbevollmächtigten im Einvernehmen mit dem Kuratorium Prozeßvollmacht erteilt, und das Kuratorium hat diese Vollmacht in seiner Sitzung vom 20. Februar 1984 noch einmal bestätigt. Ferner hat sich die Klägerin als Gesellschaft bürgerlichen Rechts bezeichnet und als solche den gerichtlichen Vergleich vom 19. Mai 1983 geschlossen. Unter diesen Umständen war die "Ökumenische Stiftung Haus Victoria" im Streit um die Wirksamkeit des Vergleichs als beteiligungsfähige Personenvereinigung anzusehen. Welche Rechtsform die Vereinigung hatte, ist für die Beteiligungsfähigkeit unerheblich. Insofern stimmt der Senat der Auffassung des LSG zu. Die von den Beschwerdeführern hinsichtlich der Rechtsnatur der Klägerin erhobene Aufklärungsrüge geht daher fehl. Davon abgesehen genügt sie nicht den Anforderungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Danach kann ein Verfahrensmangel auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dieses gilt entsprechend, wenn - wie hier - statt einer Verletzung des § 103 SGG eine solche des § 106 SGG geltend gemacht wird. Am Vorbringen, das den Anforderungen des § 160 Abs 2 Nr 3 entsprechend eine Verletzung der Aufklärungspflicht bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG), fehlt es.
Zu Unrecht rügt die Beschwerde einen Verstoß gegen § 70 Nr 2 SGG weiter insofern, als die Klägerin mit der Auflösung ihre Beteiligtenfähigkeit verloren, die Auflösung zur beantragten Unterbrechung des Verfahrens sowie zu einer Beteiligung der Stiftung für die Schwedische V.Gemeinde Berlin (Beigeladene zu 3) auf der Klägerseite habe führen müssen. Eine Unterbrechung des Verfahrens trat wegen der Auflösung der Klägerin schon deswegen nicht ein, weil die Klägerin durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war (§ 246 Abs 1 Halbsatz 1 ZPO iVm § 202 SGG) und die Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen