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BGH Urteil vom 24.11.1959 - 1 StR 439/59

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Entscheidungsstichwort (Thema)

fortgesetzter Diebstahl

 

Leitsatz (amtlich)

Hat ein technischer Zeichner seine in der Erinnerung haftende Kenntnis von Betriebsgeheimnissen durch das systematische unredliche Sammeln von betriebsgeheimen Unterlagen gefestigt und vertieft, so verstösst er auch dann gegen § 17 Abs. 2 UWG, wenn er seine Kenntnis aus Eigennutz unbefugt verwertet, ohne sich bei der Verwertung der gesammelten Unterlagen unmittelbar zu bedienen. In einem solchen Falle wird seine Kenntnis in vollem Umfange von dem Makel der Unredlichkeit ergriffen.

 

Normenkette

UWG § 17

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 21.04.1959)

 

Tenor

Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21. April 1959 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte von dem Vorwurf eines Vergehens des Geheimnisverrats (§ 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb) freigesprochen ist. In diesem Umfange wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die. Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Gründe

Der Angeklagte war bis zum Jahre 1956 als technischer Zeichner bei der Firma K. (Nebenklägerin) beschäftigt, Trotz eines ihm bekannten Verbotes entwendete er dort fortlaufend Pausen von Zeichnungen und Schriftstücken und Musterteile und fertigte er heimlich Kopien von Plänen und sonstigen Betriebsunterlagen, die sich auf das von der Nebenklägerin angewandte sogenannte Kaltfließpreßverfahren bezogen und zu einem großen Teil Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthielten. Alle diese Schriftstücke sammelte er in Mappen, um eine möglichst umfangreiche Sammlung über das Kaltfließpreßverfahren anzulegen; von einem nicht festgestellten Zeitpunkt an handelte er dabei in der Absicht, diese Sammlung später bei einer anderen Firma zu verwenden.

Nach Kündigung bei der Nebenklägerin trat der Angeklagte eine Stelle als Zeichner bei der Firma H. GmbH an, die ebenfalls das Kaltfließpreßverfahren anwendet und zu diesem Zeitpunkt eine neue Gruppe für „Entwicklung” bildete, der der Angeklagte zugeteilt wurde. Die von dem Betrieb der Nebenklägerin stammenden Unterlägen verwahrte der Angeklagte teils an seinem Arbeitsplatz bei der Firma H., teils in seiner Wohnung, wo er in Überstunden arbeitete, mir seine Tätigkeit bei der Firma H. verwandte der Angeklagte die bei der Nebenklägerin erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen. Soweit er Einzelheiten nicht mehr sicher im Gedächtnis, hatte, griff er auf die gesammelten Unterlagen zurück. Er wollte damit sowohl den geschäftlichen Wettbewerb der Firma H. gegen die Nebenklägerin fördern, wie die mit dem neuen Arbeitsverhältnis für ihn verbundenen wirtschaftlichen Vorteile sichern und verbessern.

Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen fortgesetzten Diebstahls bestraft, soweit er Zeichnungen und sonstige Unterlagen entwendet hat: sie hat ihn jedoch von dem Vorwurf des Geheimnisverrats (§ 17 UWG) freigesprochen.

Gegen diesen Freispruch richtet sich die Revision der Nebenklägerin; sie greift mit der Sachrüge durch.

Nach § 17 Abs. 2 UWG wird die unbefugte Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zu Zwecken des Wettbewerbs oder aus Eigennutz bestraft, deren Kenntnis der Täter durch eine gegen das Gesetz oder gegen die guten Sitten verstoßende eigene Handlung erlangt hat. Die Strafkammer meint, der Angeklagte habe nur dann gegen diese Vorschrift verstoßen, wenn er bei der Verwertung von Betriebsgeheimnissen der Nebenklägerin in die darauf bezüglichen schriftlichen Unterlagen Einsicht genommen habe, die teils aus den gestohlenen Originalen, teils aus heimlich nachgezeichneten oder abgeschriebenen Plänen u. dergl. bestanden. Wenn er Geschäftsgeheimnisse aus dem Gedächtnis verwertet habe, so könne insoweit von einem unredlichen Erwerb der Kenntnis nur dann die Rede sein, wenn der Angeklagte Einzelheiten, die man im allgemeinen nicht auswendig behält, bewußt und planmäßig auswendig gelernt habe. Weder das eine noch das andere sei jedoch erwiesen.

Der Senat vermag dem nicht zu folgen.

Nach den Feststellungen bezog sich nur der geringere Teil der unterlagen, die sich der Angeklagte in unredlicher Weise verschafft hatte, auf Arbeiten, an denen er selbst mitgewirkt hatte. Da es das Urteil an einer Feststellung darüber fehlen läßt, ob der Angeklagte nur als Betriebsgeheimnisse der ff Nebenklägerin zu beurteilende Kenntnisse verwertete, die in schriftlichen Unterlagen festgehalten waren, an deren Ausarbeitung er selbst beteiligt gewesen war, muß für das Revisionsverfahren davon ausgegangen werden, daß in seine Arbeiten für die Firma Hydro stahl auch solche Betriebsgeheimnisse der Nebenklägerin eingingen, deren Kenntnis der Angeklagte durch die Aneignung oder das Nachzeichnen oder Abschreiben von Unterlagen gewonnen hatte, mit deren Erstellung er nicht befaßt war. Verhält es sich aber so, so beruhte seine Kenntnis insoweit in ihrem vollen umfange auf einem unredlichen Eingriff in den vom Gesetz geschützten Geheimbereich der Nebenklägerin. Es kann hier deshalb allein schon aus diesem Grunde keinen unterschied machen, ob der Angeklagte die so erlangte Kenntnis rein gedächtnismäßig verwertete oder bei ihrer Verwertung auch auf die schriftlichen Unterlagen zurückgriff.

Nicht anders kann es im Ergebnis aber auch beurteilt werden, wenn der Angeklagte ausschließlich solche Betriebsgeheimnisse der Nebenklägerin bei der Firma H. verwendet haben sollte, mit denen er bereits im Rahmen seiner ordnungsgemäßen Tätigkeit bei der Firma K. bekannt geworden war.

Nach den Feststellungen handelte es sich nämlich hierbei nicht um ganz einfache Gegebenheiten, die sich ohne weiteres durch die normale und ordnungsgemäße Ausführung der übertragenen Aufgaben einprägen, sondern um kompliziertere Vorgänge, bei denen sich auch der Angeklagte trotz seiner außerordentlichen Merkfähigkeit nicht vollständig auf sein Gedächtnis verlassen konnte. Dies ergibt sich allein schon aus der Tatsache, daß der Angeklagte planmäßig alle ihm wichtig erscheinenden Unterlagen sammelte; es wird dadurch bestätigt, daß der Angeklagte auch bei seiner Tätigkeit für die Firma H. wiederholt auf diese schriftlichen Unterlagen zurückgriff und sie bereit hielt, um sich jederzeit durch einen Einblick in diese Aufzeichnungen und Pläne vergewissern zu können.

Unter diesen Umständen liegt es auf der Hand, daß der Angeklagte selbst da, wo er ausschließlich aus dem Gedächtnis arbeitete, eine Kenntnis verwertete, die nicht einzig auf seiner – angesichts des wahren Sachverhalts nur durch eine Fiktion abtrennbaren – normalen und in den erlaubten Grenzen liegenden Tätigkeit bei der Firma K. (vgl. BGH GRUR 55, 424), sondern auch auf seinen unredlichen Machenschaften beruhte, die bei der Planmäßigkeit und Sorgfalt, mit der der Angeklagte zu Werke ging, seine Erinnerung zwangsläufig gefestigt und vertieft hatten. Erhöht an sich schon jede einzelne schriftliche Aufzeichnung die Merkfähigkeit für eine bestimmte Tatsache, so gilt dies erst recht, wenn jemand systematisch Unterlagen aus einem bestimmten Sachbereich sammelt und zusammenstellt. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, daß gerade eine auch die Erzeugnisse anderer Personen in großem Umfange einbeziehende „Sammlertätlgkeit”, wie sie der Angeklagte betrieb, bewußt oder unbewußt Vergleiche der mannigfachen Anwendungsformen eines bestimmten technischen Verfahrens einschließt, wobei die dabei vermerkten Gegensätzlichkeiten und Übereinstimmungen in ihrer Wechselwirkung ein plastischeres und deshalb stärker haftendes Erinnerungsbild schaffen. Eine in solcher Form durch unredliche Machenschaften vertiefte Kenntnis wird in ihrem gesamten Umfange von dem Makel der Unredlichkeit ergriffen, die der Tatbestand des § 17 Abs. 2 UWG voraussetzt (vgl. RG GRUR 36, 573 und MuW 36, 385). Es kann dann nicht mehr darauf ankommen, ob der Täter bei der Verwertung seiner Kenntnis sich ausschließlich auf sein Gedächtnis verläßt – mit der gleichzeitigen Sicherheit, jederzeit auch auf die bereitliegenden unredlich beschafften Unterlagen zurückgreifen zu können, oder ob er sich dieser Unterlagen unmittelbar bedient.

Das Landgericht hätte also bereite auf der Grundlage seiner Feststellungen zur Verurteilung des Angeklagten wegen eines selbständigen Vergehens nach § 17 Abs. 2 UWG gelangen müssen.

Unter diesen Umständen kommt es auf die Erörterung der Verfahrensrügen, die sich durchweg auf die Sachaufklärung beziehen, nicht mehr an.

Sollte das Landgericht auf die neue Verhandlung den Angeklagten wegen Vergehens gegen § 17 Abs. 2 UWG zu einer Freiheitsstrafe verurteilen, so wird es aus dieser Strafe und der rechtskräftigen Strafe wegen Diebstahls eine Gesamtstrafe zu bilden haben. Wegen der Strafaussetzung zur Bewährung wird auf BGHSt 9, 370, 385 und BGH NJW 56, 1567 Verwiesen.

 

Unterschriften

Dr. Geier, Dr. Peetz, Willms, Fischer, Dr. Faller

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502319

BGHSt, 333

NJW 1960, 207

Nachschlagewerk BGH

MDR 1960, 156

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