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BGH Urteil vom 24.03.1999 - 3 StR 636/98

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Entscheidungsstichwort (Thema)

unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 17. September 1998 dahin geändert, daß der Angeklagte wegen – jeweils unerlaubten – Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 23 Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt wird.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten (gewerbsmäßigen) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 169 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.

Die Revision des Angeklagten, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt, führt zu den aus der Urteilsformel ersichtlichen Änderungen, im übrigen ist sie unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO. Das Urteil hält insoweit rechtlicher Überprüfung nicht stand, als das Landgericht 169 in Tatmehrheit stehende Einzeltaten angenommen und – für sich genommen den Angeklagten nicht beschwerend – verkannt hat, daß in der Mehrzahl der abgeurteilten Fälle der Tatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und nicht lediglich § 29 Abs. 1 und 3 BtMG erfüllt ist.

Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte, der Mitglied einer in Duisburg tätigen albanischen Dealergruppe war, vom 29. Juli 1997 bis zum 26. August 1997 nahezu täglich an mehrere Abnehmer Heroin-Bubbles zu fünf Gramm, wobei die Menge der bei den einzelnen Käufen von den einzelnen Personen abgenommenen Bubbles wechselte und ein, zwei, drei, vier, fünf aber auch acht Bubbles betrug. Das Landgericht geht davon aus, daß sämtliche Lieferungen des Heroins entsprechend dem Untersuchungsergebnis des bei der Festnahme des Angeklagten sichergestellten Heroingemischs einen Wirkstoffgehalt von 15 % HHC aufwiesen.

1. Das Landgericht hat den Angeklagten entsprechend der in einer Tabelle nach Datum, Uhrzeit, Abnehmer und Anzahl der abgenommenen Fünf-Gramm-Bubbles genau festgehaltenen Zahl der einzelnen Verkäufe wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens in 169 Fällen verurteilt; in den Fällen, in denen ein Abnehmer mehr als zwei Fünf-Gramm-Bubbles erworben hat, hat es angenommen, daß das Handeln des Angeklagten die Voraussetzungen eines gewerbsmäßigen Handeltreibens in nicht geringer Menge erfüllt, ein entsprechender Schuldspruch ist allerdings nicht ergangen. Dabei hat das Landgericht zunächst verkannt, daß bei dem allen Verkaufshandlungen zugrunde gelegten Wirkstoffgehalt von 15 % HHC der einer nicht geringen Menge entsprechende HHC-Anteil von 1,5 Gramm schon bei zwei Bubbles zu je fünf Gramm Heroingemisch erreicht wird; es hat auch übersehen, daß das unerlaubte Handeltreiben mit nicht geringer Menge den Verbrechenstatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllt. Durch diese Rechtsfehler ist der Angeklagte zwar nicht beschwert. Der Senat nimmt jedoch die aus anderen Gründen erforderliche Schuldspruchänderung zum Anlaß, die Strafkammer auch insoweit zu korrigieren und den Schuldspruch entsprechend den in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen abzuändern. Dem steht § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht entgegen (vgl. Kuckein in KK StPO 4. Aufl. § 358 Rdn. 18 m.w.Nachw.).

2. Der zur Schuldspruchänderung nötigende Rechtsfehler liegt darin, daß die Strafkammer nicht geprüft hat, ob bei den Verkäufen des Angeklagten, jedenfalls soweit sie an einem Tag erfolgten, eine einheitliche Tat im Sinne einer Bewertungseinheit in Betracht kommt; diese ist stets dann gegeben, wenn es um die strafrechtliche Bewertung verschiedener eigennütziger Tätigkeiten geht, die auf den gewinnbringenden Umsatz einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge von Betäubungsmitteln gerichtet sind (vgl. BGHSt 30, 28, 31). Zwar ist eine solche Bewertungseinheit nur dann in Betracht zu ziehen und deren Voraussetzungen im Urteil nachvollziehbar zu prüfen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dies nahe legen (BGH NStZ-RR 1997, 344; BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 8, 11, 12 und 13); insbesondere gebietet es der Grundsatz in dubio pro reo nicht, von einer Tat im Sinne einer Bewertungseinheit auszugehen, wenn lediglich eine nicht näher konkretisierte Möglichkeit besteht, daß mehrere veräußerte Kleinmengen aus einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge herrühren (BGH NJW 1995, 2300 f.). Die getroffenen Feststellungen weisen jedoch solche konkreten Anhaltspunkte aus. Denn danach ging der Angeklagte bei seinen Verkäufen stets so vor, daß die Konsumenten das von ihnen benötigte Heroin über ein Handy bei ihm vorbestellten und mit ihm einen Treffpunkt vereinbarten. Dabei dirigierte der Angeklagte alle Drogenkonsumenten an einen Sammeltreffpunkt, wo zeitweise bis zu 20 Konsumenten auf den Angeklagten oder einen anderen „Läufer” der Dealergruppe warteten. Der Angeklagte selbst, der pro Arbeitstag entlohnt wurde, handelte jeweils in Abhängigkeit von den Heroinlieferungen der ihm übergeordneten Gruppenmitglieder (vgl. UA S. 6) und führte deshalb auch die Telefongespräche mit den Konsumenten nur aufgrund einer am Morgen zuvor erfolgten Abstimmung mit seinen Mittätern (vgl. UA S. 14). Danach ist davon auszugehen, daß der Angeklagte jeweils pro Tag nur die Mengen verkaufen konnte und verkauft hat, die er aufgrund einer vorherigen Absprache mit seinen unbekannt gebliebenen Mittätern von diesen als Gesamtmenge zum Zwecke des Verkaufs an diesem Tag erhalten hatte. Dies bedeutet, daß die Einzelverkäufe an den einzelnen Tagen entsprechend den dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen sind. Da der Angeklagte an 25 verschiedenen Tagen Heroin-Bubbles verkaufte, handelt es sich auch nur um 25 Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. 23 dieser Taten erfüllen den Tatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, da an 23 Tagen ausweislich der Feststellungen zwei und mehr Fünf-Gramm-Bubbles Heroin zu 15 % Wirkstoffgehalt vom Angeklagten verkauft wurden. Lediglich an zwei Tagen, nämlich am 19. und am 23. August 1997 umfaßte der ihm nachgewiesene Umsatz nur ein Fünf-Gramm-Bubble. Für diese Fälle findet § 29 BtMG Anwendung. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend den in der Revisionshauptverhandlung erteilten Hinweisen geändert und neu gefaßt.

3. Durch die Schuldspruchänderung kommen 144 Einzelstrafen in Wegfall. Der Senat hat jedoch davon abgesehen, die Sache zur Zumessung neuer Einzelstrafen und zur Festsetzung der Gesamtstrafe zurückzuverweisen und sowohl die Einzel- als auch die Gesamtstrafe analog § 354 Abs. 1 StPO selbst festgesetzt. Denn das Landgericht hat seine Strafzumessungserwägungen sowohl zu den Einzelstrafen als auch zur Gesamtstrafenbildung ausführlich und fehlerfrei dargelegt. Danach hat es – allerdings ersichtlich ausgehend von der nicht zutreffenden Annahme, daß erst ab Einzelverkäufen von drei Bubbles eine nicht geringe Menge vorliege – in den 26 Einzelfällen, in denen drei und mehr Bubbles verkauft wurden, eine Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe für unrechts- und schuldangemessen gehalten und in allen übrigen 143 Fällen, also auch in den Fällen, in denen nur ein Bubble verkauft wurde, jeweils eine Einzelstrafe von einem Jahr und drei Monaten verhängt.

Die Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe für die am 19., 21. und 23. August 1997 begangenen Taten des Angeklagten können danach bestehen bleiben, da der Angeklagte an diesen Tagen jeweils nur ein bzw. zwei Bubbles verkauft hat und somit die Zumessungskriterien der Strafkammer für die Verhängung einer solchen Einzelstrafe erfüllt sind. In den übrigen 22 Fällen, in denen der Angeklagte pro Tag drei und mehr Bubbles verkauft hat, wäre es zwar möglich, ohne Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot höhere Einzelstrafen zu verhängen, soweit durch die nunmehr gebildeten Bewertungseinheiten mehrere als Einzeltaten abgeurteilte Verkäufe des Angeklagten zu einer Tat zusammengefaßt worden sind (vgl. Ruß in KK StPO 4. Aufl. § 331 Rdn. 2 a; Kuckein in KK StPO § 358 Rdn. 30 jew. m.w.Nachw.). Der Senat setzt jedoch hier jeweils die für den Angeklagten günstigste Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe fest. Da sich insgesamt der Unrechts- und Schuldgehalt der Taten des Angeklagten durch die andere konkurrenzrechtliche Bewertung – nur 25 Einzeltaten statt 169 – und den Wegfall von 144 Einzelstrafen nicht geändert hat, schließt der Senat aus, daß das Landgericht, wenn es rechtlich richtig 25 selbständige Taten seiner Strafzumessung zugrundegelegt hätte, eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe als vier Jahre und drei Monate verhängt hätte. Er erkennt deshalb ebenfalls auf eine solche Gesamtfreiheitsstrafe.

4. Obwohl Einzeltaten und Einzelstrafen in Wegfall gekommen sind, erscheint es angesichts der lediglich anderen rechtlichen Zusammenfassung des abgeurteilten Sachverhalts und des letztlich verbliebenen Gesamtstrafenausspruchs nicht unbillig, dem Angeklagten die gesamten Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen (§ 473 Abs. 4 StPO).

 

Unterschriften

Kutzer, Rissing-van Saan, Blauth, Winkler, Pfister

 

Fundstellen

Haufe-Index 540643

NStZ-RR 1999, 218

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